März 2018. Die AUTO BILD-Redakteure Andreas May und Manfred Klangwald reisen nach Göteborg, um einen neuen Dauertestwagen in Empfang zu nehmen. Abholung direkt beim Volvo-Werk. Volvo nennt das Factory Delivery und bietet diesen Service für Käufer von XC60/XC90 und V90. Im schicken Factory-Delivery-Center wartet unser XC90 D5 AWD Inscription in dezentem Luminous Sand metallic. Eine stattliche Erscheinung zum Listenpreis von 90.200 Euro. Einmal XC90 mit alles, bitte!

Ein Alfa-Pilot nimmt den Volvo aus dem Testprogramm

Volvo XC90
Sieht eigentlich harmlos aus: Während der 4C hin ist, trägt der XC90 scheinbar nur Kratzspuren davon.
Damit beginnt im hohen Norden eine Testfahrt, die nur sieben Monate später im tiefen Süden auf der Autostrada A 9 vor Como ihr Ende einläutet. Mit unserem entspannten Kollegen Frank B. Meyer am Volant rollt der Schwede durch Italien. Bis ein übermotivierter Einheimischer im seltenen Alfa 4C im Rückspiegel auftaucht. Kollege Meyer schildert das folgende Ereignis so: "Im Tunnel gibt der 4C-Pilot hörbar energisch Gas. Die Fahrbahn ist feucht, der Alfa rutscht links in eine tiefe Spurrinne, schleudert nach rechts – und in meine Fahrertür. Dann knallt er links gegen die Tunnelwand." Zum Glück geht das Ganze ohne Personenschaden ab. Frank B. Meyer checkt die Unfallfolgen am Volvo und entspannt sich. Nur Blech, der Weiterfahrt steht nichts im Wege, denkt er. Ein bedauerlicher Irrtum. Auf dem Rückweg endet seine Reise auf der A 7 bei Laatzen. Hamburg ist schon in greifbarer Nähe, da verliert der Volvo an Leistung und röhrt plötzlich weidwund.

Bis zu seinem Aus war der große Schwede ein Musterknabe

Volvo XC90
Das Ende eines Dauertests: Schwerer beschädigt als vermutet, muss der Volvo auf den Abschleppwagen.
Einsatz für die Pannenhilfe und Abgang hoch auf dem gelben Wagen. Der 4C hat doch tiefer liegende Spuren am Schwedenstahl hinterlassen. Vorderachse, Motoraufhängung, A-Säule ... Die Reparaturkosten belaufen sich auf 15.000 bis 25.000 Euro. Damit würde sich der XC90 so weit vom Originalzustand entfernen, dass der weitere Dauertest keinen Sinn mehr ergibt. Leider. Denn bis zu diesem Einschlag ist der Volvo ein Musterknabe. Bis auf einen mehrfach haltlosen Abstandssensor gibt es keine technischen Mängel. Für Langstrecken ist er einer der beliebtesten Kandidaten überhaupt. Im Stadtverkehr oder im Parkhaus macht er sich dafür so breit, dass durchaus Anspannung beim Rangieren aufkommt. Auch weil die Übersicht nach vorn an Langhauber-Lkw erinnert. Leider ohne Peilstäbe.
Über das schicke Design gibt es kaum Diskussionen, wohl aber über die Bedienung. Mit dem zentralen Touchscreen stehen die meisten Fahrer auf Kriegsfuß. Ohne gründliche Einarbeitung bleiben die meisten Funktionen in den Tiefen der Menüs verborgen. Während der Fahrt sollte man hier nicht nachforschen, die Ablenkungsgefahr ist viel zu groß. Am Ende überwiegt der Verlust. Denn der XC90 wäre wohl nach weiteren sieben Monaten am Ziel gewesen. Schneller als jeder Dauerläufer zuvor ...
Was bleibt nach dieser kurzen Testfahrt vom XC90? Zunächst einmal eine große Lücke in unserem Fuhrpark. Der sanfte Riese hat in der Redaktion schnell seine Fans gefunden. Klar, bei dem Preis kann man was erwarten. Bis zum Crash rollte der Schwede Richtung Note 1 in der Zuverlässigkeit. Dadurch wird dieser Unfall besonders tragisch.

Von

Manfred Klangwald