VW Golf GTI Performance und Ford Focus ST im Gebrauchtwagen-Test
Eine Frage der Erziehung
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Leistungstechnisch stehen Golf GTI Performance und Ford Focus ST ziemlich ebenbürtig da. Im Vergleich offenbaren die Kompaktsportler aber ganz unterschiedliche Charaktere.
Zahlen lügen nicht, die ganze Wahrheit bringen sie allerdings auch nicht immer auf den Tisch. Ein gutes Beispiel für diese These sind unsere beiden gebrauchten Kompaktsportler. VW Golf GTI Performance und Ford Focus ST vermitteln beim Schnellstudium der technischen Daten den Eindruck, als handele es sich um zwei ziemlich ähnliche Typen. Doch da sollte man sich nicht täuschen lassen. Der Preis spielt hier noch die geringere Rolle, auch wenn der Wolfsburger etwas höher angesiedelt ist. Unser Golf GTI Performance von Auto Wichert in Norderstedt wurde Anfang 2014 erstmals zugelassen, kostet 18.490 Euro und hat 72.000 Kilometer auf der Uhr. Der nur vier Jahre alte Focus ST mit knapp 40.000 Kilometer Laufleistung ist eine freundliche Leihgabe des Händlers Berendsen, ebenfalls aus Norderstedt, und kostet 18.900 Euro.
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Der Focus ST geht eine Nummer erbarmungsloser ran als der GTI
Beide Sportler sind mit einem Vierzylinder-Turbo bestückt. Die ST-Stimme hat aber etwas mehr Timbre.
Zur ersten Einordnung bedarf es keiner langen Vergleichsfahrt. Schnell fällt auf, dass der Ford die Sache mit dem Sport deutlich konsequenter angeht. Die stärker konturierten Sitze umarmen den Fahrer etwas herzlicher, wobei es den GTI-Pendants keineswegs an Seitenhalt mangelt. Beide sind mit einem Vierzylinder-Turbo bestückt, doch die Sound-Ingenieure aus Köln haben sich hörbar darum bemüht, der ST-Stimme mehr Timbre zu verleihen. Und so zieht der ST trotz des leicht ausgeprägteren Turbolochs gefühlt deutlich druckvoller an als der GTI. Tatsächlich nur gefühlt, denn unsere Messwerte verraten: Sowohl in der Beschleunigung als auch im Durchzug liegen beide fast exakt gleichauf. Der 20 PS schwächere Motor des GTI muss immerhin knapp 100 Kilogramm weniger Masse in Bewegung setzen. Auch bei Fahrwerk und Lenkung geht der Kölner eine Nummer erbarmungsloser ran als der GTI. Na klar, bei der Abstimmung waren die VW-Techniker stark darum bemüht, es möglichst allen recht zu machen. Vor allem über die geschmeidiger ansprechende Federung und die nicht ganz so spitz ausgelegte Lenkung definiert sich der Golf als klarer Allrounder. Und der Focus ST eben als Überzeugungstäter in Sachen Fahrspaß, weil er giftiger wirkt, härter abrollt, zackiger einlenkt und auch ein bisschen mit dem Heck wedeln kann.
* Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen und gegebenenfalls zum Stromverbrauch neuer Pkw können dem "Leitfaden über den offiziellen Kraftstoffverbrauch" entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der "Deutschen Automobil Treuhand GmbH" unentgeltlich erhältlich ist (www.dat.de).
Der Ford hat mit zu wenig Grip zu kämpfen
Die Traktionsprobleme des ST bekommt eine mechanische Sperre in den Griff. Kosten inklusive Einbau: knapp 2000 Euro.
Klarer Nachteil des Ford: Er besitzt keine mechanische Sperre an der Vorderachse wie der GTI als Performance, wo, elektronisch gesteuert, eine hydraulische Kupplung die Sperrwirkung je nach Lebenslage reguliert. Der ST versucht das über elektronisch gesteuerte Bremseingriffe zu lösen. Klappt leider nicht so gut. In schnellen Kurven fehlt ganz einfach Traktion. Abhilfe gibt es in Form einer nachrüstbaren mechanischen Sperre von Quaife. Herr Schmidt von Fritz Motorsport erklärt: "Das Teil kostet inklusive Einbau knapp 2000 Euro, verändert das Wesen des ST aber komplett, da das Thema Traktionsprobleme anschließend ad acta gelegt werden kann." Im Vergleichstest 2015 war der ST auf dem Handlingkurs des Contidroms dennoch fast eine Sekunde schneller als der GTI Performance. Doch unser Tester Jan Horn attestierte dem Focus schon damals zu wenig Grip an der Antriebsachse. Eine deutlich günstigere Optimierung für den Focus ST ist die Verstärkung des Drehmoment-Stützlagers des Motors mit Hilfe einer Polyurethane-Buchse. Schmidt bemängelt die weiche Aufhängung des Aggregats, was zu verzögertem Ansprechverhalten führt. Viele seiner Kunden seinen überrascht von der deutlich spürbaren Wirkung des viel härteren Kunststoffeinsatzes.
Auf das Kupplungsverzögerungsventil wollen viele verzichten
Der GTI kommt mit bewährtem Cockpit und gelungenem Kompromiss aus Sport und Komfort. Die Schaltung ist gut, die Kupplungsverzögerung nervt.
Beim Golf haben wir uns übrigens bewusst für ein Modell mit manuellem Getriebe entschieden. An dieser Stelle wollen wir gar nicht die große Keule rausholen, um auf das im Alter ruckelanfällige DSG einzuprügeln, sondern lediglich erwähnen, dass sich die Handschalteinheit des GTI ganz hervorragend mit dem früh ansprechenden Turbomotor versteht. Eine gute Figur beim Selbstschalten abgeben, das klappt hier ganz besonders gut. Einen Haken hat das Schaltgetriebe aber doch: das sogenannte Kupplungsverzögerungsventil. Beim Entlasten des getretenen Pedals schiebt sich die Reibscheibe mit merklicher Verzögerung gegen das Schwungrad, schnappt also nicht wie zu erwarten mit einem Satz zu. Überdeutlich tritt dieser Verzug vor allem beim schnellen Durchschalten der Gänge zu Tage. Nicht wenige Besitzer von handgeschalteten Golf GTI und Golf R empfinden das als so störend, dass sie sich des Ventils entledigen und anschließend in Foren von ihrer Begeisterung über das dann viel authentischere Pedalgefühl berichten. Wer einen Überblick über den Umfang der Arbeit bekommen möchte, googelt am besten nach "clutch delay valve removal".Ob Focus ST oder Golf GTI – vor dem Rennstreckeneinsatz gilt es, ein paar Optimierungsmaßnahmen zu tätigen. Dazu raten wir in beiden Fällen bei der Gebrauchtwagensuche zu einem gründlichen Check auf der Hebebühne. Unsere beiden Testwagen gehören zwar nicht zu den günstigsten Offerten im Netz. Bei der Begutachtung fiel aber schnell auf, dass die Autos in einem guten Zustand waren: durchgängig abgestempelte Servicehefte, frische Bremsen, Markenreifen mit ausreichend Profil und außerdem keine nennenswerten Beschädigungen am Unterboden, die auf einen ungestümen Umgang hinweisen würden. Über die Erziehung der Vorbesitzer weiß man ja meist nichts.Fazit von Stefan Novitski: Mehr Spaß im Alltag oder mehr Spaß beim Fahren? Die Rollen von Ford Focus ST und Golf GTI sind ziemlich klar verteilt. Beide eint hingegen ihre solide technische Basis. Große Problemstellen sind bisher nicht bekannt. Das wirkt sich auf die Gebrauchtwagenpreise aus: Auch die erweisen sich als ziemlich stabil.