Verarbeitung und Karosserie

Der erste Kontakt mit dem aktuellen Polo beeindruckt: viel Platz, gute Sitze, klasse Fahrwerk – ein wahrhaft erwachsener Kleinwagen. Kein Wunder, daß der ausgewogene VW auch als Gebrauchter so viele Freunde hat. Obwohl es viele Käufer gibt, die ihren Polo vermutlich am liebsten vor den Augen der VW-Oberen in den Mittellandkanal schieben würden.

Denn ähnlich wie der Golf IV zeigt auch sein ab September 2001 gebauter kleiner Bruder neben einigen typischen Schwächen ein breites Mängel-Spektrum. Um oben anzufangen: Vom klemmenden Schiebedach bis runter zum scheppernden Auspuff gibt es kaum ein Teil, das nicht im AUTO BILD-Kummerkasten erwähnt wird.

Viele Beschwerden betreffen allerdings die Verarbeitungsqualität. Jenen Bereich also, in dem VW mit lasergeschweißten Blechen und knappen Spaltmaßen die Vorreiterrolle beansprucht. Und tatsächlich ist die Polo-Karosserie sehr steif – nicht aber ihr Innenleben. Klappergeräusche und knirschende oder knackende Armaturenbretter beschäftigen viele Kunden, auch die ewig wackelnden Sitze konnte VW bisher nicht ruhigstellen.

Motor und Technik

Unter der Motorhaube zeigen sich Vorteile für die Benziner – die ungleich aufwendigeren Diesel haben die längere Mängelliste. Vor allem die hochbelasteten Zahnriemen machen immer wieder Probleme mit ihrer Spannrolle. Wird der Defekt nicht rechtzeitig erkannt, droht der Riß des Riemens und damit ein kapitaler Motorschaden.

Aber auch die Riemenräder können Ärger bereiten, ein Rückruf betraf deren lockere Verschraubung am TDI des Baujahres 2002. Ein typisches Verschleißteil am TDI ist das T wie Turbolader – inbegriffen eine hohe Dunkelziffer von Ladern, die illegalem Chiptuning zum Opfer fielen. Oder übereifrigen Werkstätten, die auf die Fehlermeldung "Ladedruck zu gering" den Turbo erneuerten, obwohl nur der Luftfilter verstopft war.

Das kann beim Benziner nicht passieren, dafür tauchen hier Anlasser und Zündspulen sehr oft in den Beschwerdebriefen auf. Und gelegentlich bei den 1,4-Litern auch der Zahnriemen. Wer nun glaubt, mit dem 1,2-Liter-Dreizylinder aus dem Schneider zu sein, könnte auf den Holzweg geraten: Zumindest ein Fall des Versagens der Steuerkette und ihres Spanners liegt uns bereits vor.

Deutlich häufiger jedoch kommt es zu Geräuschen oder dem Bruch der Auspuffanlage – drei Zylinder schwingen eben doch mehr als vier. Auch sind viele Polo-Fahrer vom Verbrauch (7,2 l) des kleinen Motors enttäuscht. Das liegt allerdings nicht nur am Triebwerk, schließlich hat der Polo mit 3,90 Metern fast die Länge des einstigen Golf II erreicht. Und der übertrifft dank diverser Sicherheitsvorkehrungen mit rund 1100 Kilo dessen Gewicht locker um vier Zentner. Schade, daß Qualität und Zuverlässigkeit nicht in gleichem Maße mitgewachsen sind.

Historie, Schwächen, Kosten

Modellgeschichte 9/01 Modellwechsel vom Typ 6N auf das aktuelle Modell 9N. Drei oder fünf Türen, ABS und vier Airbags Serie. Neuer 1,2-l-Dreizylinder-Benziner mit 55 oder 64 PS, ein Vierzylinder mit 75 PS und drei Diesel mit 64, 75 und 100 PS 1/02 1,4-l-Benziner, 100 PS. ESP Serie ab 100 PS (auch TDI) 4/02 1,4-l-Benzin-Direkteinspritzer (FSI), 86 PS 9/03 Einführung Polo Stufenheck 10/03 1,9-l-TDI, 130 PS 4/04 fünf Kopfstützen serienmäßig in allen Modellen

Schwachstellen • Fensterheber (Serie ab Comfortline) versagen häufig, weil ein Kunststoff-Rädchen im Antrieb bricht • Verarbeitung macht einen hervorragenden Eindruck. Dennoch: viele Leser haben Probleme mit Karosseriegeräuschen und wackelnden Sitzen • Kraftübertragung ist anfällig, Antriebswellen, Kupplung und die hydraulische Kupplungsbetätigung stehen weit oben auf der Störungsliste • Klimaanlage und Heizgebläse bereiten vielen Besitzern Probleme • Motoren verenden oft wegen gerissener Zahnriemen, aber auch die Steuerkette der Dreizylinder-Benziner ist nicht fehlerfrei • EPC-Lampe leuchtete in vielen Polo (meist grundlos) auf

Reparaturkosten Preise inklusive Lohn und Mehrwertsteuer am Beispiel VW Polo 1.4 16V, 55 kW/75 PS, Bj. 2002. VWs Austauschprinzip sorgt überwiegend für günstige Ersatzteilpreise, einzig die Lichtmaschine und der Endtopf sprengen den Preisrahmen.

Fazit und Modellempfehlung

Fazit "Zunächst begeistert der Polo mit dem Komfort der nächsthöheren Klasse und seiner Handlichkeit. Doch im Alltag tritt dann seine Störanfälligkeit in den Vordergrund: Von Anlasser bis Zündspule kaum ein Teil, mit dem die Polo-Fahrer unter unseren Lesern nicht ein Problem meldeten. Streikende Fensterheber, wackelige Sitze und knarzende Kunststoffteile sind Indizien, daß die verwendeten Materialien wohl doch nicht so hochwertig sind, wie sie auf den ersten Blick wirken." Hendrik Dieckmann, AUTO BILD-Autor und Kfz-Mechaniker

Modellempfehlung VW Polo 1.4 16V Comfortline (55 kW/75 PS)

Steuer/Schadstoffklasse: 94 Euro, sofern nicht mehr steuerfrei Testverbrauch: 7,2 Liter (Super). Werksangabe: 6,4 Liter Versicherung: Vollkasko (16/500 Euro SB): 611 Euro. Teilkasko (17/150 Euro SB): 98 Euro. Haftpflicht (16): 611 Euro (Basis: R&V-Jahrestarife für Regionalkl. Hamburg, 100 Prozent) Inspektion/Kosten: nach Anzeige, etwa 250 bis 450 Euro Wertverlust: Dreijährige verlieren rund 35 Prozent vom Neupreis (Händlerverkaufspreis), danach jährlich um 800 Euro Verlust