Bruderkampf im Volkswagen-Konzern

Brüder können so unterschiedlich sein. Die Gene allein entscheiden eben nicht über den Charakter. Nehmen Sie die Schumacher-Brüder: Auf der einen Seite Michael, der stets nachdenklich und abwägend wirkt. Auf der anderen Seite Ralf, der zuweilen einen launischen und eher impulsiven Eindruck macht.

Wir haben es in diesem Vergleichstest ebenfalls mit zwei Brüdern zu tun. Ihre Mutter ist der Volkswagen-Konzern. Sie teilen sich in der V8-Benziner-Version sogar den gleichen Motor. Und sie haben das gleiche Ziel: auf der Straße und im Gelände zu überzeugen. Und dennoch sind sie so unterschiedlich, wie es nur Brüder sein können.

Der Audi allroad ist der ältere. Seit 2000 auf dem Markt, hat er sich eine treue Fangemeinde geschaffen. Sein überaus dezenter Auftritt, der aufdringliche Macho-Optik vermeidet, kommt gerade in Europa besonders gut an. Aber auch in feinen amerikanischen Kreisen schätzt man seine Zurückhaltung. Diese resultiert einfach daraus, dass der allroad praktisch die Pkw-Karosserie eines ganz normalen Audi A6 Avant mit nur marginalen Retuschen übernimmt. Den Zuwachs an Höhe und Bodenfreiheit realisieren größere Räder und vor allem eine ausgefuchste Luftfederung. Ganz nach unten gefahren, kauert der Audi nur 145 Millimeter über der Straße. Pumpt man ihn hoch, stakst er mit 210 Millimeter Bodenfreiheit über ausgefahrene Almwege. Mehr Luft unter den Differenzialen hat auch ein Mercedes-Benz G nicht.

300 Millimeter Bodenfreiheit beim Touareg

Der VW Touareg hat dieses Prinzip der höhenverstellbaren Luftfederung übernommen, aber stark ausgeweitet. Und zwar nach oben. Nicht nur dass der Karosseriekörper des Touareg rund 10 Zentimeter höher ist als der des Audi und damit deutlich die Optik eines Geländewagens anpeilt. Auch die Luftfederung selbst strebt weiter nach oben. Bis zu 300 Millimeter Bodenfreiheit hat VW beim Touareg realisiert. Mehr schafft derzeit keiner, sieht man von Exoten wie dem Hummer H1 oder Spezialisten wie dem Unimog ab. Damit überwindet der nach einem afrikanischen Nomadenvolk benannte Volkswagen dicke Steinbrocken, ohne sich den Bauch zu zerkratzen.

Überhaupt hat sich Mutter VW nicht gescheut, dem Touareg ernsthafte Geländequalitäten in die Wiege zu legen. Davon zeugt nicht nur die enorme Bodenfreiheit, sondern auch das Vorhandensein einer kurzen Geländeuntersetzung zum Erklimmen steilster Anstiege und die Präsenz von manuellen Differenzialsperren.

Man muss sie nicht betätigen, denn auch ein gut funktionierender Automatikmodus wurde integriert. Könner machen insbesondere mit der (aufpreispflichtigen) Hinterachssperre vor allem auf schlammigem und felsigem Untergrund das schier Unmögliche möglich.

Auf Asphalt macht der allroad Boden gut

Da kann der ältere Bruder nur staunend zusehen. Im allroad-V8 sucht man vergeblich nach Offroad-Insignien wie Untersetzung und 100-Prozent-Sperren. Trotzdem kommt man mit dem Audi auf wilden Wegen wegen des selbstsperrenden Zentraldifferenzials und der Schlupfregelung erstaunlich weit. Das Fehlen von Hardcore-Technik muss der Fahrer durch das Finden des passenden Pfades und vorsichtiges Schwungholen auszugleichen versuchen.

Auf der Straße ist die Geländetechnik dagegen nur in einer Situation von Vorteil: beim Voranbringen schwerster Anhänger. Ansonsten macht der Audi auf Asphalt deutlich Boden gut. Das liegt aber nicht an seiner etwas einfacheren Allradtechnik, denn die sorgt auch auf winterlichen Straßen stets für unerbittlichen Vortrieb. Der große Vorteil des allroad ist vielmehr sein um genau eine halbe Tonne geringeres Gewicht. Das lässt ihn wesentlich handlicher, aktiver und auch präziser wirken.

Es ist zwar erstaunlich, wie der leer bereits 2,4 Tonnen schwere VW kurvenreiche Landstraßen unter die großen Räder nimmt und dabei keineswegs fettleibig wirkt. Der direkte Umstieg in den Audi, wo man dem Asphalt elf Zentimeter näher ist, zeigt jedoch, dass es flinker geht.

Verbrauchsunterschied rund 2,5 Liter

Weil sich beide Brüder den prinzipiell gleichen Motor teilen, frönen sie gemeinsam einer Leidenschaft: dem Trinken. Nicht nur dass es bei beiden feinstes Super plus sein soll, auch die Mengen stimmen bedenklich: Im Schnitt rund 17 Liter/100 km verlangt der 4,2-Liter-Achtzylinder im Audi. Im wuchtigeren VW werden es bei gleicher Gangart noch einmal 2,5 Liter/100 km mehr.

Für die entstehenden Kosten entschädigen beide mit einem Antriebskomfort, den auch hypermoderne Turbodiesel immer noch nicht bieten können. Es ist vor allem die unnachahmliche Art der augenblicklichen Reaktion auf Gaspedalbewegungen, die die großen Saugbenziner zum Genuss macht. Die Kraft ruft man stets ohne Verzögerung ab. Hinzu kommt eine uneingeschränkt vornehme Laufkultur, die auch bei winterlichen Kaltstarts erhalten bleibt. Das unerreicht tiefe Grollen des Auspuffs eines typischen V8-Motors hört man übrigens im Audi etwas deutlicher als im VW.

Wem solche Sinnesfreuden fremd sind, kann bei beiden auch auf wirtschaftlich günstigere Turbodieselversionen zurückgreifen: 163 oder 180 PS im Audi allroad, 174 oder 313 PS im VW Touareg. Identisch wie Zwillinge sind die beiden 4,2-Liter-V8-Maschinen in Touareg und allroad nicht. Im Audi, sein Motorraum ist kürzer als im VW, kommt die neuere Version des V8 zum Einsatz. Die zeichnet sich durch einen Nockenwellenantrieb über Kette an der hinteren Seite des Motors aus, was ihn kürzer macht und deshalb für den Einbau in den allroad prädestiniert. Im VW, wo man im Motorraum nicht mit dem Platz geizte, arbeitet hingegen die ältere Version des V8. Deren Nockenwellenantrieb über Zahnriemen befindet sich konventionell auf der vorderen Motorseite.

Kosten und Ausstattungen

Während die Motoren sich nicht grundlegend unterscheiden, sieht und fühlt man im Innenraum sofort die Unterschiede. Fein eingerichtet sind beide Brüder. Das VW-Interieur mutet dabei noch etwas edler an als das des ebenfalls gediegen wirkenden Audi. Das Raumgefühl differiert jedoch. Der schmalere und niedrigere Pkw-Body des Audi kann naturgemäß nicht die Großzügigkeit vermitteln, mit der im VW die Insassen verwöhnt werden. Über Platzmangel dürfte sich dennoch auch im Audi niemand beschweren – höchstens ein großer Hund im vergleichsweise niedrigen Kofferraum.

Bei den Kosten erfreut der Audi mit mehr Ausstattung bei gleichem Preis sowie niedrigeren Treibstoffkosten. Dafür langen die Versicherungen zu: satte 41 Prozent mehr beim allroad. Für die Mehrkosten könnte man 72.000 Kilometer lang den Mehrverbrauch des durstigeren Bruders Touareg finanzieren.

Technische Daten und Testwerte

Man glaubt es kaum: Trotz einer halben Tonne mehr Leergewicht schafft der VW Touareg noch kürzere Bremswege als der Audi allroad. Aber egal ob 38 oder 39 Meter aus Tempo 100: Beide Bremsanlagen verzögern ausgezeichnet.

Fazit und Endwertung

Fazit Eine Mutter, zwei gegensätzliche Sprösslinge – Touareg und allroad lassen sich schwer vergleichen, selbst wenn sie den gleichen Motor haben. Der allroad zeigt, was man aus dem Pkw-Konzept herausholen kann, wenn man viel Technik einsetzt. Und der Touareg zeigt, was man herausholen kann, wenn man alles neu macht. allroad für den, der es besonders dezent mag, Touareg für den, der das Auto wirklich arbeiten und schleppen lässt. Genuss spenden beide.

VW Touareg oder Audi allroad – Ihr Urteil

Testwerte sind harte Fakten. Ob ein Auto letztlich ankommt, wissen aber nur die Verbraucher selbst – also Sie. Deshalb ist uns Ihre Meinung wichtig: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit und vergeben Sie eigene Noten für den oder die Test-Teilnehmer. Den Zwischenstand sehen Sie direkt nach Abgabe Ihrer Bewertung.