VW Touran, Soundanlage, Preis, Hans Schnepel, Europameister
Wenn die Soundanlage mehr als das Auto kostet

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Hans Schnepel hat ein ungewöhnliches Hobby: Er ist Klang-Perfektionist. In seinen unscheinbaren VW Touran hat er eine 60.000 Euro teure Soundanlage eingebaut. Sechs Jahre hat das gedauert – und ist immer noch nicht fertig. Sogar Europameister war er damit schon.
Bild: Holger Karkheck
Dann steckt Schnepel einen seiner zahlreichen USB-Sticks in die kleine Buchse vorm Automatikhebel, sucht per Fernbedienung nach der passenden Musik, tippt auf "Play" – und schon wird der Heimweg zum Highway in eine andere Klang-Galaxie. Schnepel hat den Doppel-Wumms. Eine Stereo-Soundanlage, die den Wert seines weißen 2011er VW vervielfacht.
Hans Schnepel, Maschinenführer in der Nockenwellen-Produktion von VW, pflegt ein, sagen wir, ungewöhnliches Hobby. Er hat ein Herz für Hertz: "Ich versuche, in meinem Auto einen möglichst authentischen Klang zu erzeugen", sagt der 54-Jährige.
Schnepel und seinen Mitstreitern geht es dabei weniger um die reine Lautstärke. Darum kümmern sich andere, meist mit tiefergelegten Konzertsälen. Leuten wie Hans Schnepel geht es um den Klirrfaktor, Phasen, Laufzeiten. Über solche Dinge könnte er stundenlang reden. Ach, was heißt könnte!
500 Stunden für den perfekten Klang
2014 hat er den gebrauchten Van gekauft, seitdem bestimmt fünfmal umgebaut. Und insgesamt rund 500 Stunden in die Klangabstimmung investiert. Dazu stellt sein Kumpel Marco Mancinella seine Messmikrofone auf den Fahrer- bzw. Hörersitz, schließt alles am Computer an – und tüftelt so lange, bis die Kurven auf seinem Monitor Ideallinien zeigen. "Selbst das Wetter verändert den Klang", sagt Schnepel. "Die fette Gummisicke an einem Subwoofer ist zum Beispiel bei warmem Wetter viel weicher als bei fünf Grad jetzt im Herbst."

Unter einer Klappe im Kofferraum sitzt der digitale Signalprozessor (DSP) samt Kühler.
Bild: Holger Karkheck
Inzwischen klingt das Kfz-Konzert ziemlich perfekt. Jedenfalls so perfekt, wie ein Auto für die Musikwiedergabe sein kann. "Es ist einfach der schlechtmöglichste Raum, in den man eine Musikanlage einbauen kann", sagt Schnepel. "Ringsherum sind Glasflächen, die alle reflektieren. Auch Glattleder geht gar nicht. Echte Velourssitze wären toll, aber das gibt es ja kaum noch.“
Einzigartige Anlage
Auf dem Papier klingt es gar nicht so spektakulär, womit Schnepel seinen Van getunt hat: sechs Lautsprecher, zwei Endstufen, ein Digitalprozessor. Dazu noch ein Raspberry Pi. Ein was? "Das ist ein kleiner Computer, den ich als Player nutze. Dafür gibt es super Software, die hochauflösende High-Res-Musik abspielt."
Und sonst? Wer mal in den Kofferraum durch die Plexiglasscheibe auf die beleuchteten Verstärker guckt, der merkt, dass hier irgendwas anders ist. Kenwood? Canton? Massenware! "Diese Anlage gibt es kein zweites Mal", sagt Schnepel.

Mithilfe der beiden Messmikrofone wird der Klang für den Fahrer optimiert.
Bild: Holger Karkheck
Die beiden Endstufen hat er von einem gewissen Thomas Hoffmann, der in Wachtendonk bei Krefeld unter der Marke Micro-Precision audiophile Meisterwerke herstellt. Vor allem für den asiatischen Markt, wo die Szene noch etwas verrückter ist. "Allein eine Endstufe kostet etwa 7500 Euro", sagt Schnepel.
Hochtöner zum Preis eines Mittelklasseautos
Besonders teuer sind allerdings die Hochtöner in den A-Säulen. Der Hersteller heißt Accuton und ist eher nicht beim Media Markt zu finden. Kumpel Marco arbeitet für das Unternehmen aus Pulheim bei Köln, das auch das Soundsystem für Bugatti produziert. Marco sagt: "In Deutschland gibt es für die Hochtöner von Hans keinen offiziellen Preis, in Asien wird das Paar zum Preis eines Mittelklasseautos angeboten."
Wie bitte? Die Begründung klingt plausibel: "Die Membran besteht aus echtem Diamant. Dafür wird bei einer Fraunhofer-Ausgründung ein Siliziumträger mit Kohlenstoffatomen beschossen." Marco kann auch erklären, warum das sinnvoll ist. "Hartmembranen können den Schall viel besser wiedergeben als eine Textilkalotte.“ Und klar, man könne auch Titan nehmen, aber das sei etwas "zischelig".

Unter einer Plexiglasscheibe verbergen sich die beiden Endstufen der deutschen Schmiede Micro-Precision.
Bild: Holger Karkheck
Auch die Gehäuse hat Schnepel speziell für sein Auto anfertigen lassen – vom gleichen Handwerker, der für AUTO BILD das "Goldene Lenkrad" produziert.
Tief-/Mitteltöner und Bässe sitzen jeweils in einem Gehäuse mit stattlichen 15 Liter Volumen. Verbunden wird alles durch versilberte Kupferkabel, der Meter zu 15 Euro.
Was ihn antreibt? "Das Feedback der Leute bei den Hör-Sessions, also den Wettbewerben." Das sei seine Belohnung für die ganze Arbeit. Sogar Europameister war er schon einmal.
Ein bisschen einen an der Waffel muss man aber schon haben, Herr Schnepel, oder? Frau Schnepel nickt und lacht. Ihr Hobby imponiert dem Reporter übrigens noch mehr: Für ihren Topfkuchen kann man sie nur loben. Und zwar in den höchsten Tönen.
Das ist der AYA-Verein
Seit Jahren ist Hans Schnepel im Aya e. V. aktiv, war auch mal dessen Vorsitzender. Die Abkürzung steht für "Are You Authentic?" – und beschreibt den Vereinszweck, nämlich die Suche nach dem authentischen und somit perfekten Klang.
Bei den Wettbewerben bewerten ausgebildete Juroren mithilfe einer eigens angefertigten CD "AYA – Authentic Audio Check" die Qualität der Musikanlagen. Dabei hören die Experten nicht nur Musikstücke, sondern auch definiertes Rauschen oder "lassen einen Gleitsinus über das volle Spektrum von 20 Hz bis 20 kHz laufen".
Der Verein wurde 2006 gegründet, heute gehören ihm bundesweit rund 160 Mitglieder an. Bei knapp 200 Veranstaltungen wurden bislang rund 7400 Autos bewertet. Infos: www.ayasound.org
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