Bissig wie Mike Tyson

Zunächst tut sich nichts. Der beherzte Tritt auf Gaspedal lässt das Auto tief in das berüchtigte Turboloch fallen, die Beschleunigung ist nicht der Rede wert. Aber dann! Der Zeiger des Drehzahlmessers bewegt sich in Richtung 3500, und ansatzlos, ohne Vorwarnung, bricht das Inferno los. So etwa dürfte ein Amateur den Kontakt mit Mike Tyson erleben: Brutal und bissig schlagen 286 PS zu, es haut den Fahrer in den Sitz. Sein Haupt nimmt dankbar den Halt der Kopfstütze an, die Mundwinkel wandern unwillkürlich in Richtung Ohren - wenn ihm auch zuerst kaum zum Lachen ist -, und das Lenkrad dient nicht mehr nur zum Steuern.

Irgendwo muss er sich ja schließlich festhalten beim Sprint von null auf hundert in gerade mal 4,1 Sekunden. Kaum aber hat sich der rasant gestiegene Adrenalinspiegel gleichmäßig zwischen Fußsohlen und Haarspitzen verteilt, wird klar: Auto fahren kann immer noch mächtig Spaß machen - vorausgesetzt, man sitzt im richtigen Wagen. Wie zum Beispiel diesem, einem YES! Clubsport. Der gehört zu jenen Fahrzeugen, deren Spitzentempo Kenner vorzugsweise cool in die Diskussion einstreuen: "264, mindestens." Und es stimmt.

YES! - das Ausrufezeichen gehört fest zur Marke - ist Deutschlands jüngster Beitrag zur automobilen Unvernunft. Kein komfortabler Gleiter für Warmduscher, kein mit Fahrerassistenzsystemen voll gestopfter Elektronikträger, sondern ein spartanischer Roadster mit serienmäßig eingebauter Fahrfreude.

Karosserie aus leichter Kohlefaser

Türen und Fenster? Überflüssiger Luxus. Ein Dach? Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung. ABS, ESP, ASR oder wie sich die zeitgenössische Technik so nennt? Braucht man nicht unbedingt. Und überhaupt: No risk, no fun. Das Rezept des YES!-Produzenten Funke & Will AG aus Großenhain bei Dresden ist so einfach wie wirkungsvoll: ein bärenstarker Motor, vier Räder und ansonsten nur die paar unverzichtbaren Kleinigkeiten, die aus einem Kraft-Fahrzeug ein richtiges, vom TÜV abgesegnetes Auto machen.

Die Karosserie aus extrem leichter Kohlefaser sitzt beim YES! auf einem verwindungssteifen Aluminium-Spaceframe, ein Prinzip, das zum Beispiel auch die Leichtmetall-Audis A8 und A2 auszeichnet. Rahmen sowie Alu-Fahrwerk sind Eigenbau, der überwiegende Rest Serienteile aus bewährter Massenproduktion, mehr oder weniger überarbeitet und YES!-Bedürfnissen angepasst. Dazu gehört das Herz des Autos, der 1,8 Liter große Reihen-Vierzylinder von Volkswagen, der im Golf GTI vergleichsweise bescheidene 150 PS leistet, es aber nach einer Funke-&-Will-Kur mit Abgas-Turbolader auf stattliche 286 PS bringt.

Der Umgang mit dem lediglich knapp 600 Kilo wiegenden Fliegengewicht macht der Kavallerie keinerlei Mühe. Wenn sie über das ebenfalls von VW stammende Getriebe auf die eindrucksvollen Hinterräder mit Reifen der stattlichen Dimension 265/35 ZR 18 losgelassen werden, brennt der Asphalt.

Mehr als eine Schnapsidee

Der werksseitig gepflegten Legende nach entstand die Uridee des YES! am 25. Juni 1996 um 22.15 Uhr in der Bonner Kneipe "Maier's". Ob die beiden damaligen Studenten der Fahrzeugtechnik an der Fachhochschule Köln, Herbert Funke und Philipp Will, ihren ersten Entwurf auf einem Bierdeckel oder einer Serviette festhielten, wie es bei vielen epochalen Erfindungen der Fall sein soll, ist nicht überliefert. Festzustehen scheint hingegen, dass bereits damals am Tresen der Name YES! geboren wurde, YES für "Young Engineers Sportscar".

Sein Konzept wollten die angehenden Ingenieure zu ihrem Diplomarbeits-Thema machen. Als sie dann wenig später den Design-Studenten Oliver Schweizer kennen lernten und vom Prototyp-Spezialisten Michel Behr tatkräftige Unterstützung erhielten, konnte nach dem Examen der lange Marsch von der Theorie zur Praxis beginnen. 1999 ging der erste Vorserien-YES! in die Erprobung. Inzwischen beschäftigt die heutige Funke & Will AG als kleine Manufaktur in Großenhain bei Dresden in einem historischen Flugzeughangar 22 Mitarbeiter, die pro Jahr 50 YES!-Exemplare auf die Räder stellen können.

Mit (dem richtigen) Schwung in die Sitze

Ein solcher YES! sieht schon geparkt und im Stand schnell aus. Keilförmig erstreckt sich das türen- und dachlose Karosseriefragment des Prototyps auf einer Länge von gerade mal dreieinhalb Metern - exakt die Maße des neuen Mini. Wie bei ihm befinden sich die Räder an den äußersten Ecken, dort, wo der Wagen aufhört. Das erklärt den für das kleine Auto beeindruckenden Radstand von 2,53 Metern. Doch damit hört die Ähnlichkeit mit dem bayerisch-britischen Massenprodukt auch schon auf. Der YES! ist vorn 20, hinten 30 Zentimeter breiter (1,85 Meter) und niedriger (1,16 Meter).

Chromleisten gibt es keine, dafür dezent-funktional eingesetztes poliertes Aluminium - zum Beispiel beim Tankdeckel auf der Nase, an der Abdeckung über dem Mittelmotor hinter dem Fahrer und als Einfassung der zahlreichen Rundinstrumente. Auch die Pedale im Fußraum glänzen mattsilbrig vor sich hin. Das Betreten des YES! gestaltet sich schwungvoll oder mühsam - je nach Gelenkigkeit des Fahrers. Zwei Varianten stehen zur Wahl. Erstens: Rechte Hand am Sturzbügel, linke an der Windschutzscheibe, mit gekonnter Flanke beidbeinig in der Hocke über den Autorand schwingen und das Hinterteil im Recaro-Sitz versenken. Dazu gehört eine erkleckliche Portion Übung.

Zweitens: Das rechte Bein ächzend ins Wageninnere heben, den Fuß auf der Sitzfläche platzieren, den Rest hinterherziehen und sich irgendwie in den Sitz falten. Das geht, ist aber undynamisch. Mit dieser Prozedur hören die Schwierigkeiten aber auch schon auf - sieht man einmal vom Gefummel mit den Hosenträgergurten ab. Diese aber sind ein Muss, damit der YES!-Insasse nicht durch den Fahrtwind aus dem Auto gesogen wird.

Wohlklang aus dem Heck

Der Zweisitzer, der für seine beiden Passagiere innen weit mehr Platz bietet, als es von außen den Anschein hat, bringt nach Umdrehen des Schlüssels seine Takte auf Anhieb in die ordnungsgemäße Reihenfolge. Sonorer Wohlklang aus dem Heck, untermalt vom aggressiven Kreischen des Turboladers, bildet die passende Hintergrundmusik für einen ersten Proberitt.

Dass der Motor gehorsam den Befehlen des Gasfußes folgt, ist angesichts der Serienherkunft des Aggregats eine Selbstverständlichkeit. Zu einem Hardcore-Sportwagen gehört aber mehr. Und der YES! hat das: eine präzise und millimetergenau reagierende Lenkung, bei Bedarf brutal, aber stets genau dosiert zupackende Bremsen und eine stramme Fahrwerkabstimmung, die den Geradeauslauf selbst in flott durcheilten engen Kurven bei gefühlvollem Einsatz von Gas- und Bremsfuß problemlos verhindert. Dann ist der Drift mit leichter Neigung zum Übersteuern die passende Form der Fortbewegung.

Auf die Autobahn gehört ein YES! streng genommen nur für Überführungsfahrten. Sein Element sind kurvenreiche Landstraßen, wie sie auch Motorradfahrer zu schätzen wissen. 56.242 Euro kostet der YES! Clubsport in der Basisversion. Demnächst soll es auch eine domestizierte Variante mit Dach und Flügeltüren geben. Die wird dann 68.503 Euro kosten.

Vor dem Kauf Maß nehmen

Mit einer Unterschrift auf dem Kaufvertrag allein ist es beim Erwerb des Kraftpakets allerdings noch nicht getan. Hat ein Interessent "ja!" zum YES! gesagt, muss er vier Wochen vor dem geplanten Produktionsbeginn in Dresden erscheinen. Dort kann er sein Auto individuell konfigurieren, Farben, Materialien und Ausstattungsvarianten ansehen und - gegen Aufpreis - ordern. Später wählt er bei einem Probesitzen die für ihn passende Ergonomie: Die gewünschten Maße des Fahrersitzes und die Lenkradposition werden registriert, um dann ins Fahrzeug übernommen zu werden.

Vor der Auslieferung stehen schließlich ein Einführungskurs mit Instruktoren auf dem Flugplatzgelände und ein umfangreiches Fahrtraining. Den späteren Service bei Pannen und Inspektionen will Funke & Will mit zwei Lastwagen beim Kunden vor Ort übernehmen, und auch bei der Suche nach einer Autoversicherung ist das Unternehmen behilflich.

Gut zwei Dutzend Käufer haben sich bereits 2001 für den Dresdner Donnerbolzen entschieden, doppelt so viele sollen es 2002 werden. "Mittzwanziger mit dem passenden Kleingeld und Leute im besten Mannesalter", beschreibt Marketing-Chef Arnd Sünner die Zielgruppe. "Unter den bisherigen Kunden sind auffallend viele Geschiedene." Ob dabei der YES! Scheidungsgrund war oder eher das Aufreiß-Instrument für einen Neuanfang in der Midlife-Crisis, bleibt im Dunkeln. Nur eines ist klar: Wer eine Partnerin mit kurzem Rock mitnehmen will, muss sie schon auf Händen tragen. Sonst kommt sie nicht ins Auto rein.

YES! Die Chronik in Kürze

Juni 1996 Die Diplomanden Herbert Funke und Philipp Will machen das Konzept eines Sport-Roadsters zum Thema ihrer Examensarbeit Dezember 1996 Der Ingenieur Michel Behr verspricht Unterstützung September 1997 Design- Diplomand Oliver Schweizer schließt sich an Februar 1998 Erster Kontakt mit Automobil- und Zuliefererfirmen Juli 1998 32 Unternehmen versprechen Komponenten-Sponsoring Dezember 1998 Fertigstellung der ersten Karosserie April 1999 Erster Spaceframe ist einsatzbereit September 1999 Vorstellung des ersten Prototyps auf der IAA März 2000 Gründung der Funke & Will AG September 2000 Übernahme eines alten Flugzeughangars in der Nähe von Dresden, anschließend Tests von Vorserienfahrzeugen Anfang 2001 Produktionsbeginn

Technische Daten

Technik Heck-Mittelmotor • Reihen-Vierzylinder mit fünf Ventilen pro Zylinder • Abgas-Turbolader • 1781 cm3 • 330 Nm bei 3600/min • 210 kW (286 PS) bei 6500/min • Fünfganggetriebe • Leergewicht 585 kg • Leistungsgewicht 2,05 kg pro PS • Beschleunigung 0-100 in 4,1 s • Höchstgeschwindigkeit 264 km/h • L/B/H 3629/1852/1163 mm • Karosserie aus faserverstärktem Verbundwerkstoff • Chassis aus Aluminium-Strangpressprofilen (Spaceframe) • Einzelradaufhängung mit doppelten Dreiecklenkern • innenbelüftete Scheibenbremsen

Kontakt Funke & Will AG, Zum Fliegerhorst 11, 01558 Großenhain, Telefon 0 35 22/5 26 70, Internet: www.yes-clubsport.de