An einem ganz gewöhnlichen Abend betrete ich eine stinknormale, schlecht besuchte Kellerkneipe irgendwo in Deutschland. Gehe zur Bar, bestelle ein Bier, wende den Blick zur kleinen Bühne am Ende des Raumes und staune. Dort stehen Elvis und Michael Jackson und singen ein Medley ihrer größten Hits. Verwundert wache ich auf. Ähnlich erstaunt dürfte sein, wer unser rasantes Duo unvorbereitet zu Gesicht bekommt. Basieren beide Fahrzeuge doch auf dem 612 PS starken Carrera GT, dem Porsche 2006 das Lebenslicht auspustete – als die Fertigung nach 1270 gebauten Exemplaren eingestellt wurde. Trotzdem haben sich zwei Tuner des "Altautos" angenommen – und bauen es für horrendes Geld um. Was sie umtreibt? "Ein Kundenauftrag von einem Scheich aus Katar", teilt Jan Fatthauer lapidar mit. Auch Uwe Gemballas Passion hat handfeste Ursachen: "Das Produktionsende hat die Begeisterung für den Supersportler nicht geschmälert. Wir haben zwischenzeitlich 19 Mirage-GT-Umbauten verkauft."

Gemballas Mirage GT will kein Porsche Carrera GT mehr sein

Gemballa, seit 28 Jahren die Adresse für spektakuläre Porsche-Umbauten, betreibt das Thema nahezu fanatisch: "Mein Mirage GT ist kein Carrera GT mehr." Wer das Auto unter die Lupe nimmt, gibt ihm recht: Dank neuer Frontschürze kommt das Auto noch breiter, noch mächtiger, noch imposanter daher – eine Mixtur aus FIA-GT-Rennwagen und Predator. Speziell die auffällige Dachhutze hat es in sich. Sie soll vor allem die Seitenlinie des Carrera GT korrigieren – die Uwe Gemballa im Originaltrimm zu sehr nach "sportlichem Pick-up" aussieht. Der starre Heckflügel baut 20 Millimeter höher als der ausgefahrene Serienflügel. "Alles steht im Zeichen maximalen Abtriebs", erklärt Uwe Gemballa. "Das Serienfahrzeug fühlt sich bei hohen Geschwindigkeiten auf der Vorderachse zu leicht an. Wir haben den Abtrieb an der Vorderachse um 35, an der Hinterachse um 85 Kilogramm erhöht. Unser Auto liegt deshalb stabiler, ist dafür nicht mehr ganz so schnell." Das Modell "Special Edition" verfügt über einen nochmals erweiterten Ausstattungsumfang – zusätzliche Frontleuchten, Rückfahrkamera im Raketenwerferstil und Speziallackierung.

9ff will nicht weniger als den schnellsten Carrera GT aller Zeiten bauen

9ff Carrera GT-T 900
Schnell, schneller, 9ff: Der Tuner macht dem Carrera GT noch mal richtig Dampf.
9ff will kein Kunstwerk erschaffen, sondern einfach "den schnellsten Carrera GT der Welt" bauen – per Biturbo. Eine Lösung, nicht frei von Tücken: "Einen Hochdrehzahl-Sauger aufzuladen, ist riskant", erklärt Fatthauer. Dementsprechend lang die Entwicklungszeit: "Wir haben zehn Monate experimentiert, bis wir die Lösung gefunden haben: zwei KKK-Lader, die mit lediglich 0,7 Bar arbeiten. Mit der Ausbeute von 937 Newtonmetern und 934 PS sind wir ganz zufrieden. Das damit einhergehende Thermikproblem lösen wir mit Hilfe einer mit zusätzlichem Wasserkreislauf versehenen Ladeluftkühlung." Beim GT-T900 dreht sich alles um Power – die restlichen Tuningmaßnahmen sind Staffage: Spoilerlippe, Radsatz, Heckflügel, mattschwarze Folierung – nicht weiter wichtig. An einem sonnigen Julitag haben wir in Dortmund Gelegenheit, beide Fahrzeuge zu bewegen. Stehen vor der einzigartigen Chance, zwei einzigartige Autos im direkten Vergleich zu fahren. Die Nervosität ist mit Händen zu greifen.
Die Pforten des Mirage GT öffnen sich. Wir gleiten in den Innenraum. Trotz umfangreicher Aufwertungen mit Karbon und Leder und der Installation eines kleineren Lenkrads belässt Gemballa die tolle Funktionalität des kargen Innenraums auf Serienniveau. Nur die Mittelkonsole ändert er ab, um statt des winzigen Becker-Radios ein "Data Control System" unterzubringen – das Beschleunigungs- und Verzögerungswerte aufzeichnet. Nach einem phosphoreszierender Starterknopf sucht der Pilot vergeblich – ein banaler Schlüsseldreh weckt das Monster. Das Anfahren fällt deutlich leichter als beim ruppigen Serienfahrzeug mit Keramikkupplung; die neue Kupplung trennt nicht mehr so rigoros, das Risiko, das Auto abzuwürgen, sinkt deutlich. Das Carrera-GT-typische Getrieberasseln wird vom Klang des Motors übertönt.

Die Performance des Mirage hebt sich nur in Nuancen von der Serie ab

Gemballa Mirage GT
Da brennt der Asphalt: Gemballas Mirage GT stürmt in 3,7 Sekunden auf Tempo 100
Der präsentiert sich in Verbindung mit einem Vierrohrauspuff (samt Sportkats) in Bestform. Der Mirage GT flüstert nie, schmeichelt kein bisschen, röhrt auch nicht herzerwärmend. Er schreit und brüllt. Schön ist das nicht. Aber beeindruckend. Die Straßenlage präsentiert sich in Bestform: Das Sportfahrwerk – das dank Elektrohydraulik eine Anhebung des Autos um 45 Millimeter erlaubt – reduziert den Komfort, intensiviert das Fahrerlebnis aber ungemein. In Verbindung mit der ultradirekten Lenkung hat der Pilot stets das Gefühl, alles bestens im Griff zu haben. Der Hochdrehzahlmotor ist sich für keinen Kraftakt zu schade. Mit unerschöpflichem Atem schiebt das Auto an. Dabei hebt sich die Performance nur in Nuancen vom Serienfahrzeug ab: Auspuff und Optimierung des Motormanagements verhelfen dem Mirage GT zu moderaten 58 Zusatz-PS.

Die Beschleunigung im 9ff GT-T900 fällt trotz Weichspüler barbarisch aus

9ff Carrera GT-T 900
Brachialer Beschleuniger: Zwei Turbos pressen bei 9ff 934 Pferdchen aus dem V10.
9ff hat ebenfalls eine neue Kupplung installiert. Die funktioniert ähnlich gut wie die des Mitbewerbers – und erfordert zudem weniger Kraftaufwand. Auf Anhieb registriert der Pilot, dass der Fahrbarkeit Priorität eingeräumt wurde – vor der Erzielung plakativer Rekorde. Der Motor läuft geschmeidig, der Drehmomentverlauf wirkt füllig. Wer wild auf Asphalt radierende Gummis vermutet, liegt total verkehrt. Nur in den ersten beiden Gängen muss die Traktionskontrolle eingreifen. Trotz immenser Leistung fehlt jegliche bestialische Note, oder anders ausgedrückt: der typische 9ff-Effekt. Woran das liegt? Jan Fatthauer erklärt: "Wir wollten ausnahmsweise mal kein Turbomonster alter Schule, das einen nach kurzer Anlaufzeit aus den Socken pustet. Stattdessen arbeiteten wir auf einen Kraftfluss hin, der zum ursprünglichen Charakter des Saugmotors passt – ohne extreme Ausschläge." Unmissverständlich sei gesagt: Die Beschleunigung fällt trotz Weichspüler barbarisch aus. Vor allem der fünfte Gang hat es in sich. In ihm zieht das Auto genauso heftig durch wie im dritten – wenn nicht sogar noch nachdrücklicher.

Genau da liegt die entscheidende Stärke: in der Allgegenwart der monströsen Power. Unterstützt von 9ff, schwingt sich der Carrera GT endlich zum uneingeschränkten Über-Performer auf – den nichts und niemand zu stoppen vermag. Im direkten Vergleich wirkt die 670-PS-Version plötzlich ein bisschen blutleer – untenrum schwächlich, ab 280 km/h nur noch begrenzt begeisterungsfähig. Das 9ff-Auto hingegen passiert die 300, ohne innezuhalten. Gerade mal 17 Sekunden sollen bis zum Erreichen der prestigeträchtigen Marke vergehen – woran wir keinen Zweifel verschwenden. Am Ende des Tages sehen wir unseren Verdacht endgültig bestätigt: Im Gegensatz zu menschlichen Superstars ist der Carrera GT tatsächlich unsterblich.

Von

Ben Arnold