"Rollendes Notebook mit Suchtgefahr"



"Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor." So klagt Dr. Faust bei Goethe über die scheinbar sinnlose Studiererei. Und ganz ehrlich, so ähnlich habe auch ich mich bei meiner ersten Begegnung mit unserem Dauertest-7er gefühlt. Da fährt man seit fast 20 Jahren Auto. Und schafft es dennoch kaum, ohne Bedienungsanleitung mit dem silbergrauen 745i vom Hof zu schnurren. Wie peinlich ...

Doch an Startknopf und Automatikwählhebel hinter der Lenksäule gewöhnt man sich sofort. An das Bedienkonzept iDrive kaum, hier gingen die Meinungen so weit auseinander wie beim Design. "Das rollende Notebook mit Suchtgefahr. Wer mit iDrive erst mal warm wurde, will nur ungern darauf verzichten", schrieb Redakteur Nikolaus Eickmann begeistert ins Testbuch. Meine eigene Antwort: "Wären Notebooks derart kompliziert, würden wir heute noch mit der Reiseschreibmaschine arbeiten." So zieht sich der Streit zwischen Befürwortern und Kritikern wie ein roter Faden durchs grüne Fahrtenbuch – mit deutlichem 13:6-Vorsprung für die Contra-Fraktion. Doch dazu später mehr.

Es war ein kalter Januar-Tag im vergangenen Jahr, als M-XK 4135 mit jungfräulichen 2777 Kilometern in Hamburg eintraf. Im Gepäck neben zahlreichen Extras für insgesamt knapp 18.000 Euro das gerade überarbeitete iDrive-System. Gegenüber der Ur-Version von 2001 wurde die Bedienungsführung vereinfacht, saßen unterhalb des silbrigen Controllers zwei neue Tasten. Eine für die direkte Anwahl des Grundmenüs, die andere frei programmierbar. Zusätzliche Tasten? Die wollte BMW mit dem iDrive eigentlich dezimieren. Doch auch die Münchener mussten wohl einsehen, dass die Bedienung ihres Flaggschiffes alles andere als optimal war.

Verwechselbare Lenkstockhebel

Die Probleme beginnen dabei schon weit vor dem iDrive mit den vier Lenkstockhebeln. Auf jeder Seite zwei, fast gleich groß und so plaziert, dass Fehlgriffe fast unvermeidbar sind. Immer wieder wurde statt den Wischer einzuschalten die Automatik auf "R" gestellt – nur gut, dass die Elektronik solche Manöver während der Fahrt nicht erlaubt. Auch auf dem linken Flügel fummelten Kollegen immer mal wieder am Tempomat und wunderten sich, dass nichts blinkte. Schade, eigentlich.

Solche Fingerfehler traten in Stress-Situationen häufiger auf als beim entspannten Gleiten. Sie waren für viele aber auch nach zwei Wochen und mehreren tausend Kilometern im 7er nicht auszuschließen. Ich selbst habe mich in diesen kalten Wintertagen oft gefragt, warum die Klimasteuerung, die im wesentlichen ja über Drehregler in der Mittelkonsole erfolgt, im Detail ein eigenes Menü erfordert. Dort lässt sich den Füßen etwas mehr Luft zufächeln oder die Temperaturverteilung zwischen Sitzfläche und -lehne variieren. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Andere Kollegen traf es noch schlimmer. "Die quatschende Navi-Dame habe ich erst nach einer Stunde zum Schweigen gebracht – weiß aber nicht wie", notierte ein frustrierter Kollege. Nicht wenige stellte das iDrive auf harte Geduldsproben: Tomas Hirschberger brauchte die Strecke von Hamburg bis Lübeck (60 Kilometer), um dem Radio einen Ton zu entlocken. "Meinen Lieblingssender hatte ich da natürlich noch lange nicht ..."

Glücksrad iDrive

Nervig auch die versteckten Fahrwerkfunktionen. Dabei zeichnete sich der 7er auf seiner 100.000-Kilometer-Tournee als enorm schluckfreudig und ausgesprochen komfortabel aus. Kein Wunder, dass sich der anerkennende Eintrag "tolles Langstreckenauto" ständig im Fahrtenbuch wiederholt.

Wehe aber, du willst zur zügigen Kurvenhatz durch die Kasseler Berge die elektronischen Dämpfer sportlich einstellen. Und sie dann kurz hinter Hannover wieder auf komfortabel einschwören, um das Querfugen-Stakkato besser zu ertragen. Dann heißt es, das runde Glücksrad fürs iDrive nach links unten führen (man trifft oft aber erst mal nur links oder nur unten), in der Ebene Konfiguration die Einstellung der Fahrzeugfunktionen auswählen und schließlich unter EDC (elektronische Dämpferkontrolle) die gewünschte Härte einstellen. Bitte liebe 7er-Fahrer, probieren Sie dieses Manöver möglichst nicht während der Fahrt, wir hängen doch so an Ihnen ...

Auf Schlingerkurs geriet der 745i in der kalten Jahreszeit leider auch durch die Winterreifen. Ab 160 km/h fühlte sich das Zwei-Tonnen-Schiff doch arg schwammig an und schien das Wort Geradeauslauf nur noch vom Hörensagen her zu kennen. Ursache war eine nicht hundertprozentig korrekt eingestellte Spur. Das Überprüfen und Justieren brachte zwar kurzzeitig eine spürbare Besserung. Dennoch wurde auch dannach immer wieder über schlechte Spurstabilität bei hohem Tempo geklagt.

Ein tolles Langstreckenauto

Der Sommer rückte die Qualitäten des 7ers wieder ins rechte Licht. Besonders am ebenso leidenschaftlich wie laufruhigen 4,4-Liter-V8 fand jeder Gefallen – mal abgesehen vom unsauberen Leerlauf bei Kälte. So war es auch kaum verwundlich, dass unser Werkstatt-Team bei der Abschlußzerlegung weder Fehler noch nennenswerten Verschleiß am Motor festellen konnte. Alles im grünen Bereich.

Vom Verbrauch darf das nur bedingt behauptet werden – 14,3 Liter Durchschnitts-Durst sind schon ein stolzer Wert. 333 PS wollen allerdings auch gefüttert sein. Kein Wunder, dass fast zwei Drittel aller Käufer in Europa zum Diesel greifen. Perfekt gelang das Zusammenspiel mit der sanften Sechsstufenautomatik, die Bremsen ließen keinen Zweifel an ihrer Standfestigkeit aufkommen. Trotz aller Größe wurde der dicke Bayer sogar als handlich gelobt.

Also, von den iDrive-Querelen abgesehen, alles bestens? Nicht ganz. Größere Ausfälle blieben uns und dem 7er zwar erspart, immer wieder nervte aber unerklärlicher Elektronik-Spuk. Mehrfach meldete das Dynamic Drive System keine Funktion, um nach einem Neustart so zu tun, als sei nichts gewesen. Etwas hartnäckiger war da schon die Servotronic, die erst eine Nacht über die Fehlermeldung schlafen wollte, bevor diese wieder so spurlos verschwand, wie sie gekommen war. Die Zuziehhilfe zeigte sich zeitweilig übereifrig, indem sie die definitiv verschlossenen Türen während der Fahrt versuchte ranzuziehen. Mängel, die zwar alle von selbst wieder verschwanden, aber das Zutrauen in die Elektronik nicht gerade förderten.

Insgesamt aber gehört der 7er eindeutig zu den empfehlenswerten Dauertest-Absolventen. Im Kern solide und zuverlässig, in den Fächern Motor und Fahrwerk klasse, als Repräsentations- und Reiselimousine erste Wahl. Jetzt sollten die Münchner Ingenieure nur noch die Elektronik in den Griff bekommen und die Bedienung weiter vereinfachen. Mir wäre eine echte Plug-and-play-Lösung wie bei modernen Computern ja am liebsten: einstöpseln und loslegen. Oder auf Autodeutsch: einsteigen und losfahren. Wer weiß, vielleicht ja beim kommenden 7er.

Technische Daten und Wertung



Unser 7er war mit Technik vollgestopft: Bi-Vanos, Valvetronic, Dynamic Drive, DSC inklusive ABS, CBC, DBC, ASC; nicht zuletzt auch noch iDrive. Klar, dass sich bei Testbeginn mancher fragte, ob das wohl 100.000 Kilometer gutgehen kann.

Mitte August erfolgte die technische Endkontrolle. Mit dem bei AUTO BILD üblichen hohen Aufwand – bis hin zum Einsatz des Endoskops für den Blick in verborgene Tiefen. Das Ergebnis überzeugt: Die 7er-Karosserie ist perfekt konserviert, der Unterboden gut geschützt. Das mächtige V8-Aggregat hat den Dauertest nahezu ohne Verschleißspuren überstanden, und auch die ZF-Automatik ist gut für ein weiteres Autoleben. Alle nachgeordneten Technik-Komponenten bis hin zum Auspuff entsprechen dem hohen Anspruch an ein Auto der 90.000-Euro-Klasse.

Preise und Kosten

Ein günstiges Vergnügen ist so ein 7er nicht – aber das erwartet wohl auch niemand. Gerechnet auf 102.278 Kilometer fallen pro Kilometer 32 Cent an. Rechnet man den Wertverlust ein, sind es satte 81 Cent.