Die Fahrzeugklasse für junge Leute ist weggebrochen." AUTO TEST-Leser Rai­mund Kuczpiol (52) konstatiert trocken, was wir Redakteure auch denken, aber leider zu selten schreiben: "Autos müssen sicher sein – aber ohne Schnickschnack und dafür preis­günstiger." Der sympathische Elektrosteiger aus Castrop-Rauxel deutet auf die Türverklei­dung des Opel Corsa: "Ein elektrischer Fens­terheber für die Beifahrertür ist sinnvoll, auf der Fahrerseite würde mir aber eine Fenster­kurbel reichen; Gleiches gilt für die Außen­spiegel: rechts elektrisch, links mechanisch, und gut is." Bei Kuczpiol, der die einfach aus­gestatteten und elektronikfreien Autos frühe­rer Tage noch aus eigener Erfahrung kennt, überrascht uns diese Einstellung weit weniger als bei Sina Hagemann. Die erst zwanzigjäh­rige angehende Bauzeichnerin liebäugelt unverhohlen mit einem Youngtimer: Ein mattolivfarbener VW Scirocco der ersten Generation raubt ihr den Schlaf. Der derzeit von ihr gefahrene, tiefergelegte 75-PS-Lupo müsste dann weichen. "Alte Autos haben ein­fach mehr Charakter", sagt sie – und bleibt unwidersprochen.

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ZF-Praxistest 2012 Kleinwagen
In einem Zug: Auf den Landstraßen rund um Schlüsselfeld wurde vor allem der Fahrkomfort beurteilt.
Zurück in die Gegenwart: "Krass, der Un­terschied zum Citroën", sagt Hagemann nach einigen Landstraßenkilometern mit dem Ford Fiesta. "Von den fast 100 PS hätte ich mehr erwartet, und auch insgesamt fuhr sich der Citroën viel sportlicher." Sprach's und notier­te es in den Bewertungsbogen.  Zum nun vierten Mal fand der ZF Praxis­test statt – nach Mittelklasse, SUV und Kom­paktwagen widmeten wir uns dieses Mal der äußerst populären Kleinwagenklasse. Rund 32.000 AUTO TEST-Leser hatten im Vorfeld entschieden, welche 10 der 24 zur Wahl ste­henden Kleinwagen in die Finalrunde des ZF-Praxistests 2012 einziehen würden. Jedes der zehn Fahrzeuge haben wir dann gleich zwei­mal beschafft, "Sicher ist sicher". Denn ein wie auch immer gearteter Ausfall eines Autos hätte den gesamten Test gefährdet. Wir dürfen an dieser Stelle vorweg­nehmen, dass alle vierrädrigen und zweibei­nigen Teilnehmer unbeschadet durchgehal­ten haben.

Otto Normalver­braucher ist es schließlich, der das Auto kauft

Aus den zahlreichen Bewerbungen zum Lesertester wählte das Los ebenfalls zehn Kandidaten. Denn beim ZF-Praxistest werden die Fahrzeuge nicht von Redakteuren bewer­tet, sondern von autointeressierten Menschen "von der Straße". Sie bewerten oftmals aus anderen Blickwinkeln als der erfahrene Mo­torjournalist – und genau das ist erwünscht und wird von den Fahrzeugherstellern sehr aufmerksam verfolgt. Denn Otto Normalver­braucher ist es schließlich, der das Auto kauft, ihm muss es gefallen. Die Auswahl der Leser­jury hätte nicht besser sein können: Vom 18-jährigen Führerschein-Frischling bis zum 61-jährigen Routinier, der etliche Fahrsicher­heitstrainings absolviert hat, vom Auszubil­denden bis zum Vorruheständler war alles da­bei, sodass man mit Fug und Recht von einem repräsentativen Querschnitt unserer automo­bilen Gesellschaft sprechen kann.

Der Job des Autotesters hat nicht nur Sonnenseiten

ZF-Praxistest 2012 Kleinwagen
Dinner: Nach einem anstrengenden Tag unter sengender Sonne lockte der kühle Schlosskeller.
Unser Partner ZF, in der Weltrangliste der Automobilzulieferer unter den zehn größten Unternehmen und Fachmann in Sachen An­triebs- und Fahrwerkstechnik, unterstützte uns ebenso tatkräftig bei der Organisation wie Europas größtes Auto-und-Motor-Forum, das Internetportal motor-talk.de. Denn es galt, ein straffes Programm zu absolvieren. Was am Freitagabend noch ganz harmlos mit einer kurzen Einweisung durch die AUTO TEST-Crew und anschließendem Dinner im Schloss­hotel begann, bekam am nächsten Morgen bereits Bundeswehr-ähnliche Züge: Früh­stück 6:30 Uhr, Abfahrt zum Fahrsicherheitszentrum Schlüsselfeld 7:30 Uhr – der Job des Autotesters hat eben nicht nur Sonnenseiten. Nach einem kurzweiligen Theorieteil zum Thema "Richtiges Sitzen im Auto" und der eindringlichen Bitte um Einhaltung der Verkehrsregeln brachen die Lesertester nun zur Tour durch den Steigerwald auf. Die vom AUTO TEST-Team vorher festgezurrte Route rund um das nordbayerische Schlüs­selfeld umfasste glatte, vor allem aber welli­ge Fahrbahnen, weite wie enge Kurven, Stadtverkehr und Landstraßen. Hier galt es, Fahrbarkeit und Komfort zu beurteilen: Federt der Wagen angenehm oder zu straff? Flutscht der Schalthebel willig durch die Gassen? Dringen etwa unangenehme Ge­räusche zu den Insassen durch? Auch An­sprechverhalten, Elastizität und Drehfreude des Motors wollten beurteilt werden, eben­so die Laufkultur.

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"Der Toyota-Motor ist durchzugsschwach und laut" – Steffen Pohl (18), auszubildender Industriekaufmann und privat mit einem Vor-Facelift-Modell des aktuellen Opel Corsa un­terwegs, findet klare Worte. "Die Lenkung ist zwar direkt übersetzt, arbeitet aber gefühllos, ohne Rückmeldung. Und im Innenraum gibt's ganz schön viel billig wirkendes Plastik." Kein gutes Haar am Japaner? Doch: "Der Yaris fährt aber immerhin komfortabel."  Dass das Toyota-Aggregat unter Last ge­räuschvoll zu Werke geht, bestätigt auch Josephin Koegel (23). Besser gefällt ihr da das Triebwerk des Mini: Am Berg zwar auch etwas durchsetzungsschwach, insgesamt aber sprit­zig und kultiviert. Bestnoten vergibt die ambi­tionierte 20-PS-Kartfahrerin aus Herfort in den Kriterien Agilität und Fahrverhalten – der Mini scheint ihrem Rennkart tatsächlich recht nahe zu kommen. Doch der von BMW im bri­tischen Oxford gebaute Kleinwagen ist nicht perfekt: Den außerhalb des direkten Fahrersichtfeldes in der Armatu­renträgermitte sitzenden Ta­cho kritisiert Koegel genau­so wie es die berufsmäßigen Autotester seit jeher tun. Josephins Favorit? Der Skoda Fabia, an dem sie außer der etwas un­sportlich hohen Sitzposition (auf allerdings hervorragenden Sitzen) nichts zu bemängelt hat.

Der ist aber zäh, eher ent­täuschend

ZF-Praxistest 2012 Kleinwagen
Vorbildlich: Alexander Knoll füllt erst den Fond des Seat und sodann den Bewertungsbogen aus.
Rechtsanwalt Alexander Knoll vertritt da ganz ihre Meinung: Auch er plädiert für den Skoda, sieht in ihm ein Auto mit vielen Vorzügen und nur wenigen Nachteilen. Ganz im Gegensatz zum Alfa MiTo: Der von fünf Fahrsicherheitstrainings fahrdynamisch gestählte Jurist hätte vom Mythos aus Mai­land (beziehungsweise Turin) mehr Sport­lichkeit erwartet. "Der ist aber zäh, eher ent­täuschend", so sein Urteil über das 105 PS starke Cuore Sportivo. Weitere Klagen: "Der Innenspiegel behindert die Sicht nach vorn, zudem hört man im Alfa starke Windgeräu­sche. Die Sitze sind unbequem und bieten zu wenig Seitenhalt." Gegen diese Entscheidung greifen übrigens keinerlei Rechtsmittel. Gegen 12:30 Uhr kehren alle Teilnehmer hungrig ins Fahrsicherheitszentrum zurück. Beim leckeren Mittagsbüfett werden eifrig Notizen gemacht, wobei die Grundregel "Ab­gucken gilt nicht" gewissenhaft befolgt wird. Denn wie beim berufsmäßigen Testen sind auch hier sämtliche Einzelmeinungen aus­drücklich erwünscht und nicht etwa ein abge­sprochenes Unisono.

Das große Krabbeln

ZF-Praxistest 2012 Kleinwagen
Ah ja, sehr übersichtlich: Der Mini-Kofferraum fiel auch bei Josephin Koegel glatt durch.
Nach der Pause steht die statische Bewer­tung der zehn Kleinwagen an. Man könnte auch vom "großen Krabbeln" sprechen: Es wird auf- und zusperrt, ein- und ausgestie­gen, hoch- und runtergeklappt, hin- und hergeschoben. Die Leser stehen, sitzen oder liegen am, im, auf oder unter den Autos, manch einer litert den Kofferraum mit Hilfe des eigenen Körper­volumens aus. Hier schlägt die große Stunde des dank seines hohen Daches sehr ge­räumigen Skoda, wo­hingegen der Mini seinem Namen alle Ehre macht und aufgrund sei­nes mickrigen Fonds und Kofferraums in diesem Kapitel auf Anhieb den letz­ten Platz belegt. Doch auch Übersichtlichkeit, Variabilität, Verarbeitungsqualität und Bedien­barkeit wollen mit Punkten von 1 (mangel­haft) bis 10 (sehr gut) benotet werden. Kein noch so kleines Detail bleibt verborgen: So bemängelt Maschinenbau-Student Andreas Patzelt (23) den beim Citroën "irgendwo neben dem Sitz" installierten Schalter der Sitzheizung, der während der Fahrt kaum zu bedienen sei. Lob spendet Patzelt hingegen dem Mini für dessen "tolle Übersichtlichkeit".
ZF-Praxistest 2012 Kleinwagen
Die Leser ließen es ordentlich fliegen: Die per Tastendruck an Vorder- und Hinterachse separat einstellbare Dämpfung verändert das Handling enorm.
Am Ende des ersten Testtages steht noch ein besonderes Schmankerl auf dem Plan. Die Leser dürfen einen in Geld kaum aufzuwie­genden Prototyp von ZF testen – erst auf dem Beifahrersitz, dann hinter dem Volant. Beim von ZF ­­­modifizierten Opel Corsa lässt sich die Stoßdämpferwirkung vom Cockpit aus auf Tastendruck achsweise einstellen – mit interessanten Auswirkungen auf das Fahrverhalten: Von schaukelig mit kräftigen Lastwechselreaktionen bis rennmäßig hart und spurtreu ist alles machbar. Auf Handling- und Slalomparcours hatten die Leser sichtlich großen Spaß.

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Am Sonntag konnte ausgeschlafen werden – die AUTO TEST-Shuttlebusse starteten diesmal erst um 7:45 Uhr. Ziel war wiederum das Fahrsicherheitszentrum, die Dynamikwertung stand auf der Agenda. Die Lesertester scheuchten die Kleinwagen über den Handlingkurs, sodass die wimmernden Reifen vermutlich noch in Bamberg zu hören waren. Dann ging es auf die Dynamikfläche, wo neben dem bewässerten Gleitbelag und plötzlich aus dem Boden schnellenden Plastik-Hindernissen auch eine Schleuderplatte wartete. Fährt man über sie hinweg, wird das Fahrzeugheck ausgehebelt. Das Gemeine daran: Man weiß nicht, ob nach links oder nach rechts, nur blitzschnelles Gegenlenken und ein gut abgestimmtes Fahrwerk verhindern hier einen Dreher. In den Dynamikwertungen schob sich einmal mehr der Audi A1 in den Vordergrund. Da er sich außer seinem hohen Preis kaum Schwächen leistet, reichte es in der Summe für einen komfortablen Sieg des kleinen Ingolstädters.

Fazit

von

AUTO BILD
Nach zwei Tagen intensiven Testens auf Landstraße, Handlingkurs und Dynamikfläche haben die Leser den Audi A1 vor allem aufgrund seines exzellenten Fahrwerks und des überzeugenden Antriebs zum Sieger gekürt. Abgesehen vom engen Fond und dem hohen Preis zeigt der Ingolstädter durchweg überdurchschnittliche Leistungen. Seine Technikbrüder VW Polo, Seat Ibiza und Skoda Fabia folgen auf den Plätzen, auch sie glänzen mit hoher Ausgewogenheit, unterscheiden sich analog zur Markenausrichtung leicht in Fahrverhalten, Platzangebot und Image. Auf dem fünften Rang läuft der Mini ein: Er setzt ganz auf Fahrdynamik, büßt mit mickrigem Fond und Kofferraum aber einige Punkte ein. Fahrdynamik ist auch die Stärke des Alfa MiTo, Platzangebot hinten und Variabilität überzeugen hingegen nicht. Etwas schlechter schneidet in diesen Kapiteln der Citroën DS3 ab, der im Übrigen solide Durchschnittsleistungen abliefert. Der achtplatzierte Ford Fiesta gefällt in Sachen Platzangebot vorn und Kofferraumvolumen, kann sonst aber keine Glanzlichter setzen. Der geräumige Toyota Yaris schwächelt bei Antrieb und Fahrverhalten, während den Opel Corsa in erster Linie sein zäher Motor zurückwirft.