Die neue Giulia, 510 PS stark, befeuert Diskussionen und weckt große Hoffungen: Sie ist ein wichtiges Lebenszeichen für die Marke, die aufbrechen will in die USA und nach China, zu neuen Märkten und neuer Größe. Doch bis zum Verkaufsstart Anfang 2016 haben die Entwickler noch viel Arbeit vor sich. Wir klären die wichtigsten Fragen, von der Technik bis zum Interieur.

Die Technik: vom M3-Gegner bis zum 1750er

Afla Romeo Giulia Heck
Beim Design fällt die Ähnlichkeit zu den Mittelklasse-Modellen der Wettbewerber auf. Die Rücklichter erinnern etwa an den neuen Audi A4.
Alfa zeigte zum Start das sportliche Topmodell, das je nach Blickwinkel an den Jaguar XE (schräg vorn) erinnert, an den BMW 3er (Seite) und den Audi A4 (Heckleuchten). Fehlt der Giulia das Kühne, italienisch Verwegene? Satt steht sie auf den Rädern, breit und ausbalanciert lässt der Alfa die perfekte Gewichtsverteilung von 50:50 erkennen. "Den Wagen muss man spüren, das wird ein messerscharfer Sportler", verspricht Alfa-Chef Harald Wester. Mit der direktesten Lenkung der Klasse, Sechsgang-Handschaltung und Hinterradantrieb zielt er auf den BMW M3 und US-Kunden, die auf solche Fahrmaschinen im Stufenheck-Look stehen. Die 510 PS aus dem 90-Grad-Sechszylinder – entwickelt von Ferrari – übertreffen den BMW zumindest auf dem Papier. Ein Doppelkupplungsgetriebe, wohl mit mindestens sieben Gängen, folgt ebenso wie der Allradantrieb.
Alfa wildert im AMG-Revier: Giulia QV vs. C 63 S
Afla Romeo Giulia Kotflügel
Ein schönes Detail sind die Luftaustrittsöffnungen der vorderen Kotflügel. Darüber das vierblättrige Kleeblatt als Hinweis für die Top-Version QV.
Der "Quadrifoglio Verde" (das grüne Kleeblatt steht traditionell für die stärkste Variante) bot die Show, das Geld bringen eher die Jedermann-Motoren. Kleinster Benziner wird der 1,8-Liter-Turbo, der als "1750" bei etwa 180 PS loslegt. Da Alfa noch keine technischen Daten nennt, lässt sich auch die Leistung des 2,2-Liter-Diesels nur auf 200 PS schätzen. Während der Top-Sportler dank Leichtmetall und Verbundwerkstoffen unter 1500 Kilo fahrfertig liegen muss, sollen die Basismodelle bei rund 1400 Kilo liegen. Die Giulia wird weniger elektronische Assistenzsysteme bieten als die deutsche Konkurrenz. "Abstandsradar und Totwinkelwarner sind heute selbstverständlich und deshalb dabei", so der gelernte Ingenieur Wester, "doch über Spurhaltesysteme habe ich mich zuletzt so sehr geärgert, dass ich sie meist abschalte." Deren Integration kostet zudem Zeit und Geld (das die Marke kaum hat), lieber pflegt Alfa wie seine Konzernschwester Maserati das Image vom Männer-Auto. Sicherlich werden die Italiener diese Helfer mit der Zeit nachreichen, wenn die Giulia-Technik in Zukunft für weitere Neuheiten dient: Geplant sind ein SUV im X3-Format ab 2017, ein Spider ab 2018, danach ein größeres SUV und eine große Limousine.

Innen wartet Giulias neue Spielekonsole

Afla Romeo Giulia Cockpit
Wie bei aktuellen Ferrari-Modellen steckt im QV der Startknopf links im Lenkrad. Auch sonst ist das Alfa-Cockpit sehr sportlich gestaltet.
So glänzend ihre Show, so verschlossen gab sich die Giulia während ihrer Präsentation. Niemand durfte einsteigen, doch unsere neugierigen Blicke ließen einiges erahnen. Zum Beispiel, dass die B-Säule weit vorn steht und der Fahrer sich durch eine kurze vordere Tür ins Auto einfädeln muss. Hinten erscheint nicht nur der Einstieg zum Fond bequemer, auch der Knieraum des Viersitzers bietet viel Luft – dort macht sich der lange Radstand bezahlt. Dem Fahrer rückt das tiefgezogene Dach ins Blickfeld, der QV startet per Knopf am Lenkrad. Wie von Alfa gewohnt, stehen die Zeiger der beiden Runduhren beim Anlassen nach unten, dazwischen zieht ein erstes Display ein. Auf der Mittelkonsole steht ein zweiter, größerer Monitor, der über den großen Controller hinterm Schalthebel gesteuert wird – eine Überfrachtung dieses Hebels, der an den ersten iDrive von BMW erinnert, kann Alfa hoffentlich vermeiden. Immerhin befreit der Lautstärkeregler daneben und die Klimasteuerung darüber den Fahrer vom Wühlen in elektronischen Untermenüs. Viel lieber spielt der Alfista links davor am Schalter für den Fahrmodus, der erstmals nicht nur die bekannten Stufen D, N und A umfasst (Letzteres steht jetzt für "Advanced Efficient", eine Art grünes Fahren für die Roten). Neu ist die vierte Position "Race", die alle verfügbaren Systeme auf scharf trimmt. Den nötigen Platz für die kleine Spielekonsole schafft erst die Abschaffung des Hebels der Handbremse – sie arbeitet elektromechanisch.

Alle Motoren der Giulia werden auf der IAA 2015 vorgestellt

Wenn vor 27 Monaten die Entwicklung der Giulia "auf einem weißen Blatt Papier" begann (so Alfa-Chef Wester) – dann müssen Alfas Entwickler in Zeitnot sein. Auf der IAA im September 2015 sollen die übrigen Motorversionen stehen, noch vor Jahresende darf AUTO BILD erstmals fahren, wenn der Markenboss seinen Terminplan einhält. Dann soll der neue Alfa auch zu bestellen sein, die Auslieferung dürfte etwa im April 2016 losgehen. Welche Motoren als Erste beim Händler stehen, mit welcher Ausstattung und zu welchen Preisen – bei dieser Frage lacht Wester vielsagend. Alfa lebt – sehen wir gerne.

Fazit

von

Joachim Staat
Die neue Giulia ist mehr als ein 3er-Gegner, sie ist ein Versprechen: auf einen Alfa, der mit Leistung und Lebendigkeit alte Markenwerte neu erfüllt, auf eine Familie junger Modelle und endlich konkurrenzfähige Autos. Bei der Qualität hinkte Alfa der Konkurrenz lange hinterher – eine Lücke, die Alfisti mit Leidenschaft füllten. Jetzt müssen die Italiener liefern.

Von

Joachim Staat