Höher, weiter, schneller – das ist der Motor des Fortschritts. Wir wollen alles immer besser machen, perfektionieren. Es ist wie ein Naturgesetz, dem auch unsere Autos folgen. Bei der Begegnung mit den Cabriolets von Audi und Opel bin ich aber ins Grübeln gekommen: Ist der Weg in die Perfektion wirklich der allein selig machende? Oder wäre hier etwas weniger mehr?
Weitere viersitzige Cabrios

Überblick: Alle News und Tests zum Opel Cascada

Play

Video: Opel Cascada

Opels Offenbarung

Opel Cascada und das brandneue Audi A3 Cabriolet sind in der Tat technische Meisterleistungen ihrer Konstrukteure. Praktisch, bis in den letzten Blechwinkel durchdacht, mit umlegbaren Rücksitzen sogar als kleine Lastesel tauglich. Ihre Karosserien sind für Cabriolets überraschend verwindungssteif, die gefütterten Stoffdächer klappen perfekt und reibungslos in weniger als 30 Sekunden auf oder wieder zu. Ganz bequem auf Knopfdruck, mit Elektromotoren. Ihre Sitze sind bequem wie Clubsessel, sie bieten ausreichend Raum für vier Mitfahrer. Und wenn der Fahrer Gas gibt, lassen die Vierzylinder-Turbomotoren ihren Pferdchen freien Lauf, die beiden Cabrios beschleunigen schnell wie Sportwagen. Dabei bleiben sie leise und laufruhig – vor allem im Audi – wie vor wenigen Jahren nicht einmal Sechszylinder. Überraschend? Nicht wirklich. Das ist technischer Fortschritt.

Überblick: Alle News und Tests zum Audi A3

Play

Video: Audi A3 Cabrio

Erste Fahrt im neuen A3 Cabrio

Verblüffend schon eher, dass das A3 Cabriolet die Messlatte noch ein Stückchen höher legt – obwohl der Cascada nun wirklich kein schlechtes Auto ist. Endstation Perfektion. Lenkung, Fahrwerk, Schaltung, Bremsen, hier greift alles in Harmonie ineinander. Allein wie neutral und behende sich der Audi durch Kurvenkringel steuern lässt – beeindruckend. Mit so einem Wagen kann fast jeder schnell fahren, sich wie Sebastian Vettel auf der Jagd nach Formel-1-Punkten fühlen. Opels Cascada kann hier nicht ganz Schritt halten. Er wirkt im Vergleich zum flinken Audi unhandlicher, schwerfälliger. Ein Blick aufs Leergewicht entlarvt den Cascada tatsächlich als gut genährt. 1733 Kilo stellt er auf die Waage, damit schleppt er 228 Kilo mehr mit sich herum als der Audi. Deshalb muss sich wohl auch sein neuer 170-PS-Motor beim Verbrauch dem Audi geschlagen geben: 6,3 zu 6,1 l/100 km geht dieses Duell laut Werksangaben aus.
Nun mögen Sie nach einem Blick in die technischen Daten einwerfen: Der Opel ist ja auch größer. Stimmt. Nur hat der Käufer wenig davon. Nicht mal mehr Platz räumt der Cascada seinen Passagieren ein. In einem Punkt nimmt er dem Audi allerdings den Wind aus den Segeln: Auf schlechten Wegen bügelt die elektronische Dämpferverstellung des Cascada nahezu alle Pistenbuckel weg.
Audi A3 Cabrio Opel Cascada
Fahrspaßverlust? Audi A3 Cabrio und Opel Cascada wirken durch ihre Perfektion fast schon steril.
Der A3-Testwagen musste dagegen ohne Dämpferverstellung auskommen. Mit einer straffen Grundabstimmung ist seine Beinarbeit zwar ebenfalls beeindruckend. Wird der Straßenbelag jedoch zu wild, hat die Federung merklich Verdauungsprobleme. So weit, so gut. Und doch kommen mir auf den Straßen über den Dächern von Nizza Zweifel: Irgendetwas fehlt hier. Der Funke will nicht zünden. Eigentlich ist doch alles perfekt. Wetter, Sonne, Cabrio. Zu perfekt? Nicht mal der Wind zaust in den Haaren. Und das liegt nicht daran, dass meine langsam knapp werden. Er wird einfach komplett ausgesperrt. Selbst ohne Windschott. Und trotz flotter Fahrt will sich das Kribbeln im Bauch nicht einstellen, die Hände werden nicht feucht. Die Technik hält alles im Griff. Dabei wollen wir doch im Cabriolet das Salz auf unserer Haut spüren, den Duft der Kräuter riechen. Wir leben hier gern mit Unzulänglichkeiten. Perfektion essen Seele auf. Aber ganz im Ernst: Wollen wir für etwas Seele wirklich auf die Perfektion moderner Technik verzichten?

Fazit

von

Andreas Borchmann
Wer ausgefuchste Technik sucht, feine Fahrwerke, Motoren, sparsam und kraftvoll – der wird diese Cabrios lieben. Vor allem der Audi ist ein Musterbeispiel deutscher Ingenieurkunst. Wer die Fahrt im Cabrio mit einem Rest Abenteuer Auto verbindet, wird enttäuscht. Denn das bleibt draußen, wie die Frischluft bei geschlossenen Dächern.

Von

Andreas Borchmann