Wir Deutschen sind ein merkwürdiges Volk. Zumindest ausautomobiler Sicht. Die ganze Welt giert nach SUVs aller Größen und dicken Limousinen – und wir kaufen weiter fleißig Kombis. Vor allem in der Mittelklasse liegt deren Anteil bei bis zu 95 Prozent, die Limousine ist hier längst ein Auslaufmodell. Kein Wunder also, dass Mercedes nur wenige Monate nach der C-Klasse nun das T-Modell nachschiebt. Hunderttausendfach im Jahr verkauft, ist sie das wohl wichtigsteModell für den Stern. Ihr Erfolg entscheidet über das wirtschaftliche Wohl der gesamten Marke. Ist das T-Modell also nicht nur die wichtigere C-Klasse, sondern auch die bessere? Keine Frage, dieser Schuss muss sitzen, jeder Modellwechsel wird hier von den Dienstwagenfahrern dieser Republik kritisch beäugt. Die alles entscheidende Frage: Ist das noch ein echter Mercedes?

Bei der C-Klasse durften die Ingenieure aus dem Vollen schöpfen

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Video: C-Klasse T-Modell im Vergleich

Hier verliert der Sieger

Dieser Argwohn ist nicht sehr verwunderlich, haben doch die Stuttgarter selbst die eingefleischtesten Fans mit einer ganzen Flotte von Kompakten auf eine harte Probe gestellt. Die waren zwar gewohnt teuer, konnten aber mit ruppigen Fahrwerken und Motoren des Partners Renault nicht auf ganzer Linie überzeugen. Haben wir verstanden, sagen sie bei Mercedes. Und haben bei der Konstruktion der C-Klasse aus dem Vollen geschöpft. Aluminium senkt das Gewicht, eine optional erhältliche Luftfederung verspricht den Komfort, der von der Marke erwartet wird, und eine Menge praktischer Details sollen an das alte schwäbische Tüftlertum vergangener Jahre erinnern. Aber ob das reicht, um gegen den bekannt guten 3er Touring von BMW und den ausgereiften A4 Avant von Audi zu bestehen? Ein Blick ins Cockpit zeigt: Ja, diesen Kombi sollte die Konkurrenz verdammt ernst nehmen. Der Innenraum ist unaufgeregt und mit einer Lässigkeit gezeichnet, die den Stern viele Jahre ausgemacht hat. Dazu kommen die feinen Materialien und die blitzsaubere Verarbeitung. Das geht kaum besser, zumal der Benz in der ersten Reihe mit dem besten Platzangebot und dem weiten Verstellbereich der bequemen Sitze punkten kann.
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Der BMW gefällt mit gutem Platzangebot in Reihe zwei

BMW 3er
Raumökonomisch: Der 3er Touring ist acht Zentimeter kürzer als die C-Klasse und hat hinten mehr Platz.
Im Fond zwickt es ein wenig – und das, obwohl der Kombi gegenüber dem Vorgänger um zehn Zentimeter gewachsen ist. Auch der Kofferraum profitiert kaum vom Wachstum, bietet maximal 1510 Liter – nur zehn Liter mehr als bisher. Dafür lässt sich die Rückbank nun im Verhältnis 40:20:40 bequem mit einem Knopfdruck aus dem Laderaum umklappen. BMW kontert mit einer separat zu öffnenden Heckscheibe. Das ist im Alltag superpraktisch, wenn nur kleine Gegenstände eingeladen werden müssen. Auch beim Platzangebot kann der 3er punkten, bietet hinten deutlich mehr Platz, obwohl er acht Zentimeter kürzer ist. Dafür missfallen im Innenraum die vergleichsweise einfachen Kunststoffe, auch wenn an deren Verarbeitung weiter nichts auszusetzen ist. Bei der Bedienung hingegen kann sich der BMW positiv in Szene setzen. Man merkt dem 3er schnell an, dass sich die Bayern schon lange mit dem vernetzten Auto auseinandersetzen. Alle Menüs sind logisch strukturiert und über den zentralen Dreh-Drück-Steller des iDrive intuitiv zu bedienen.
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Ein ähnliches Bedienelement hat auch die C-Klasse – nur liegt es zu weithinten, und die Menüstruktur braucht Gewöhnung, bevor sich das T-Modell so ablenkungsfrei handhaben lässt wie der BMW. Der Audi zeigt im Karosseriekapitel ein solides Mittelmaß. Schnell merkt man dem Ingolstädter an, dass der Nachfolger in den Startlöchern steht. Der A4 bietet weniger Platz als die Konkurrenten, wirkt eine Viertelnummer kleiner. Nicht, dass der A4 ernsthaft kneifen würde. Sobald man mit vier Erwachsenen unterwegs ist, wird es aber arg eng.

Dem Audi merkt man sein Alter mittlerweile deutlich an

Audi A4
Weniger dynamisch: Der A4 ist straff abgestimmt, neigt bei schneller Kurvenfahrt aber zum Untersteuern.
Auch bei der Gestaltung des Cockpits zeigt sich das Alter des Audi. Es wirkt leicht angestaubt, wie auch die Bedienung. Als Einziger im Vergleich wird der A4 nicht mit einem Touchpad zur Eingabe von Navizielen angeboten, die Menüstruktur des Multimediasystems ist ähnlich verschachtelt wie in der C-Klasse. Als erster Hersteller bietet Mercedes in der Mittelklasse eine Luftfederung an. Leider zu einem unverschämten Preis: Zur Luftfederung (1416 Euro) kommt noch ein Interieur- und Exterieurpaket für insgesamt 2500 Euro. Schade, denn die Federung ist den Schwaben wirklich gelungen – die C-Klasse ist künftig der unangefochtene Komfortmeister. Passt auch prima zu den eher gemächlichen 20 PS Mehrleistung. Gegenüber dem BMW kann sich die C-Klasse bei den Fahrleistungen nicht wirklich absetzen, beschleunigt von null auf 100 sogar langsamer. Auch die Siebenstufenautomatik bevorzugt die ruhigere Gangart, bei Kickdown neigt sie zu unfeinem Ruckeln. Der BMW kann mit seiner Fahrwerkabstimmung ebenfalls überzeugen. Dank Adaptivfahrwerk (1100 Euro) federt er kaum schlechter als der Mercedes – zumindest unbeladen. Mit vier Personen an Bord stößt die Hinterachse hingegen schnell an ihre Grenzen. Dafür beherrscht der 3er die dynamische Gangart deutlich besser als die C-Klasse, fegt zackig ums Eck.
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Was wiederum sehr gut zum spritzigen Motor und der blitzschnell schaltenden Achtstufenautomatik passt. Keine Frage, der Dynamiker im Vergleich ist der BMW. Der Audi kann auch hier nicht mithalten. Zwar ist er vergleichsweise straff abgestimmt, neigt bei schneller Kurvenfahrt aber zum Untersteuern. Während der günstige Audi in der Eigenschaftswertung abgeschlagen auf Platz drei landet, kann sich die C-Klasse vom bisherigen Klassenprimus 3er absetzen, neun Punkte Abstand sind schon eine ganze Menge.  Trotzdem gewinnt der BMW unseren Vergleich – schließlich ist er kaum schlechter als der Mercedes, aber knapp 5000 Euro günstiger.

Fazit

von

Stefan Voswinkel
Der beste Mittelklasse-Kombi kommt von Mercedes. Die C-Klasse ist komfortabel und souverän – nur leider sauteuer. Das kostet den Sieg gegenüber dem kaum schlechteren BMW. Der A4 ist spürbar in die Jahre gekommen.

Von

Stefan Voswinkel