Es klafft eine Text-Bild-Schere zwischen der Presseinfo zum überarbeiteten Audi A4 und seiner Gestalt. Auf 39 Seiten taucht 61-mal das Wort "neu" auf. Doch dann stehst du vor dem A4 und denkst dir, dass neu schon mal neuer aussah. Scheinwerferschminke und ein paar betontere Linien sind zunächst die einzigen Unterschiede des A4 zu seinem – tja, Vorgänger klingt da übertrieben. Knapp 4000 Teile, beteuert Audi, hätten die Techniker ersetzt oder überarbeitet. Weil innen die größte Änderung die Direkttasten für die Sitzheizungen darstellen, fragte man sich, wie viele Teile wohl zwei Sitzheizungsschalter haben – wüsste man nicht, dass die meisten Änderungen, Fahrwerk, Elektronik, vor allem aber den Antrieb betreffen.

Überblick: Alle News und Tests zum Audi A4

Play

Video: Passat, A4, S60

Mittelklasse oder Mittelmaß?

Bild: AUTO BILD
Fangen wir mit dem Motor an. Bis eine Version mit 120 PS kommt, übernimmt der 1,8-Liter-Turbo mit 170 PS die Rolle des Einstiegs-Benziners. Grundlegend modifiziert, hat er mit dem Motor des VW Passat nur noch wenig gemein. Audi verdieselte die Charakteristik des Triebwerks. Bereits aus niedrigen Drehzahlen zieht es energisch hoch, von 1400 bis 3600 Touren zeichnet die Drehmomentkurve ein Hochplateau auf 380 Nm über null. Schon bei 3800 Touren erreicht der Motor seine maximale Leistung, die er bis 6200/min hält. Dass der massive Schub des bis auf sachtes Turbofiepsen kultivierten Motors nicht für noch vehementere Fahrleistungen sorgt, liegt an der langen Getriebeübersetzung. Bei 200 km/h tourt der Motor nur bei 3600 – auch das soll den Verbrauch senken. 7,9 Liter/100 km sind für einen so temperamentvollen Motor angemessen. Allerdings liegt der A4 1.8 TFSI damit fast 40 Prozent über Normverbrauch.

Überblick: Alle News und Tests zum VW Passat

VW Passat
Kein Sportler: Der Passat-Motor überzeugt eher durch beflissene Manieren.
Beim Passat sind es 13 Prozent, gleichzeitig unterbietet er den Audi minimal. Jedoch überzeugt das VW-Triebwerk trotz guter Fahrleistungen mehr durch beflissene Manieren und niedriges Laufgeräusch als mit energischem Temperament. Auch bei ihm mindert die lange Übersetzung des leichtgängigen, minimal hakeligen Sechsganggetriebes den Konsum. Volvo versucht das mit dem kleinvolumigeren 1,6-Liter-Turbodirekteinspritzer von Ford. Während er etwa einen Focus vehement antreibt, erschwert ihm der stämmige S60 die Arbeit. Weil das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe – ein Testwagen mit Sechsgang-Schaltgetriebe stand nicht zur Verfügung – nur auf das geringste Drehmoment bauen kann, bemüht es oft die Leistungsreserven des Motors. So schaltet das Getriebe etwa beim Beschleunigen nach Autobahnbaustellen zwei, drei Gänge zurück, worauf zunächst Krach, dann erst Beschleunigung folgen. Bei sachter Fahrt gefällt die Antriebskombo dagegen mit weichen, für einen Doppelkuppler etwas trägen Gangwechseln, guter Laufkultur und niedrigem Verbrauch.
Allerdings hat die alte Erkenntnis, nach der ein Turbo bei eiligem Laufen zum Saufen neige, trotz aller Direkteinspritzerei, Ventilsteuervariabilität und Laderoptimierung weiter Gültigkeit. 15 Liter zapfen sich alle drei bei schneller Autobahnfahrt aus dem Tank. Wobei es im Passat bequem zurückgelegte Kilometer sind. Mit Adaptivdämpfern (1085 Euro) steckt sein Fahrwerk im Comfort-Modus selbst fiese Schläge locker weg. Dazu hat er am meisten Platz. Beengter und ruppiger reist es sich im Volvo. Das liegt einerseits in den kürzeren Abmessungen, andererseits ruiniert das Sportfahrwerk der 3150 Euro teuren und sehr überflüssigen Ausstattungsversion R Design den Federungskomfort.

Überblick: Alle News und Tests zum Volvo S60

Volvo S60
Zu hart: Der S60 rumpelt mit seinen 18-Zoll-Rädern schon über sachte Unebenheiten.
Der S60 rumpelt mit seinen 18-Zoll-Rädern schon über sachte Unebenheiten, ohne dass die Abstimmung sein müdes Handling oder die mäßige Traktion verbesserte. Zudem stören starke Antriebseinflüsse in der Lenkung. Dabei könnte der S60 mit seinen bequemen Sitzen, aufmerksamen Assistenzsystemen und hoher Fahrsicherheit so ein angenehmer, unaufgeregter Langstreckengleiter sein. Im stramm, aber harmonisch abgestimmten und handlichen A4 irritiert die neue elektrohydraulische Servolenkung. Grundsätzlich fehlt ihr Rückmeldung, was unterschiedliche Servo-Kennlinien nicht verbessern. Zudem spricht sie aus der Mittellage unharmonisch an: Bei kleinen Kurskorrekturen lenkt sich der A4 seltsam eckig, weil das E-Servo sich noch nicht zuschaltet. Bei stärkerem Einlenken überblendet die hohe Unterstützung jeden Fahrbahnkontakt, stört mit synthetischer Leichtgängigkeit. 0,3 l/100 km Verbrauch soll die E-Lenkung sparen – am falschen Ende.

Als Kurvenkratzer kennt man auch Tante Passat nicht. Doch mit der präzisen, rückmeldungsintensiven Lenkung zieht der VW im Fahrdynamik-Kapitel mit dem Audi gleich. So reicht es am Ende locker zum Sieg. Ein Ergebnis, das gut zu diesem Vergleich passt. Denn dass ein VW gewinnt, ist auch nicht gerade neu.

Fazit

von

Sebastian Renz
Langweilig? Mag ja sein, dass so ein Passat keine schlaflosen Nächte verursacht. Aber er ist ein hervorragend durchkonstruiertes Auto mit viel Platz, einem kultivierten, sparsamen Motor und feinem Komfort. An diese Streberhaftigkeit kommt selbst der brillant motorisierte A4 nicht heran, dazu ist er zu eng und zu teuer. All das gilt auch für den Volvo. Wobei das seine Fans kaum stören wird. Und sie bekommen ja auch ein feines Auto, dem Perfektion ebenso abgeht wie Langeweile.

Von

Sebastian Renz