Dürfen die das? Die Frage hatten wir gestellt, als der erste CLS kam, 2004 war das. Die Schwaben hatten auf Basis der braven E-Klasse ein verwegenes Auto gebaut, schwülstig geformt und eindeutig unvernünftig. Es wurde ein Erfolg, wie wir inzwischen wissen. Jetzt kommt die dritte Auflage. Und der CLS hat damit, für uns zumindest, seine endgültige Form gefunden. Nicht mehr so zerklüftet wie bisher, sondern straffer und schärfer. Mit dem AMG-GT-Grill, laaanger Motorhaube, schmalem Fensterband, flachem, nach hinten abfallendem Dach und eingezogenem Heck. Wie hingegossen. Hinreißend.

Audi setzt beim Blechkleid des A7 auf klares Design

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Video: Audi A7 (2018)

Erste Fahrt im neuen A7

Der nagelneue Audi A7 Sportback hat es daneben erst mal schwer. Anders als der Benz verfügt er ja über ein historisches Vorbild, das ewig schöne Audi 100 Coupé von 1970. Wenn man genau hinguckt, erinnert das A7-Heck dann tatsächlich an das zeitlose Coupé. Der lang gestreckte Audi wirkt im Vergleich mit dem Benz kühler, technoider. Mit grimmiger Front, tief heruntergezogenem Riesengrill, klaren Kanten und am Heck mit dem auffälligen Leuchtenband. Nach längerem Grübeln gefällt uns auch die Avalongrün-Metallic-Lackierung (2900 Euro) des Testwagens ganz gut. Eingerichtet ist der A7 wie stets fein, klar und geradlinig. Besonders die riesigen Berührbildschirme (oben 10,1 Zoll groß, unten 8,6 Zoll) fallen auf, dazu kommt beim Testwagen noch das 12,3 Zoll große digitale Cockpit (im Paket mit dem Navi plus für 2200 Euro). Alle besitzen eine schöne Grafik, die Bedienung ist durch die Vielzahl der Funktionen und umfangreiche Menüs aber nicht immer ganz einfach. Versuchen Sie zum Beispiel mal, den Tageskilometerzähler zu nullen. Einfach eine Taste drücken und fertig? Denkste! Es sind vier Schritte im Bordcomputer-Menü. Das man auch erst mal finden muss, viel Glück dabei!

Das Interieur des Mercedes sorgt für Wohlfühlatmosphäre

Mercedes CLS
Mutig: Holz Esche grau, Leder in Bengalrot. Zwei Displays für Instrumente und Navi.
Der Audi bietet etwas mehr Platz als der CLS, fühlt sich luftiger an, das ist besonders im Fond spürbar. Allerdings haben sie hier die Rückbank zu tief montiert, große Leute sitzen deshalb nicht sehr glücklich. Unter praktischen Aspekten ein beträchtlicher Vorteil ist natürlich die große Heckklappe, auch der Kofferraum (535 Liter) ist größer als beim CLS. Der schluckt immer noch sehr anständige 490 Liter – kann allerdings nur durch die relativ kleine Luke beladen werden. Insgesamt fühlt sich der Benz enger an als der Audi, kein Wunder, so hochgeschlossen wie er ist und mit diesen schmalen Fenstern. Die Messwerte bestätigen den Eindruck, trotzdem sitzt man im Fond zu zweit auf der bequemeren Bank eben gemütlicher. Die opulente Inneneinrichtung passt zum Außendesign. Mit dem leicht geschwungenen Cockpit, beim Testwagen mit Einlagen in Esche grau offenporig (464 Euro) und zweifarbigem Leder in Bengalrot und Schwarz (2618 Euro). Eine blanke Augenweide sind zum Beispiel die innenbeleuchteten Lüftungsdüsen (Ambientelicht mit 64 Farben Serie). Schon gut, braucht man nicht zum Überleben, ist aber einfach schön anzuschauen.
Der Test-CLS besaß zwei 12,3-Zoll-Riesenschirme, das Widescreen-Cockpit mit digitalen Instrumenten kostet 1012 Euro, das Display in der Mitte gehört zum Comand-Online-Navi für 2142 Euro. Auch hier ist die Grafik gelungen, die Menüs sind umfangreich, die Bedienung mit dem Dreh-Drück-Steller funktioniert gut.

Mit dem Reihensechser macht Mercedes alles richtig

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Video: Mercedes CLS 350/CLS 53 (2018)

Neuer CLS im Test

Der 3,0-Liter-Diesel mit 286 PS stammt aus der neuen Motorenfamilie, mit der Mercedes den Reihensechszylinder wiederauferstehen lässt. Und, was sollen wir sagen: ein Gedicht! Stämmiger Antritt, lebhafter Charakter und vor allem der samtige Lauf haben uns komplett überzeugt. Dazu klingt er fein und angenehm, säuselt stets nur leise. Die Neunstufenautomatik reagiert schnell und aufmerksam, passt alles. Nahezu perfekt hinbekommen hat Mercedes auch die Abstimmung. Der 350 d kommt immer mit Allrad, stand im Test auf den 19-Zöllern aus der AMG Line und besaß die Luftfederung für 2261 Euro. So ausgerüstet, liegt er, im positiven Sinn, wuchtig und nachdrücklich auf der Straße – wie das sprichwörtliche Brett. Mit der feinfühligen Lenkung fährt er sich angenehm leichtfüßig, aber nicht hektisch, schnell, nicht nervös und stets gelassen. Ein Genuss! Aussteigen möchtest du hier eigentlich nicht.

Die Allradlenkung lässt den Audi gefühlt schrumpfen

Audi A7
Schneller Gleiter: Mit der optionalen Allradlenkung bewegt sich der A7 mühelos, zügig und handlich.
Beim Audi gehen wir mal davon aus, dass der 3,0-Liter-V6-TDI die geltenden Normen und Gesetze einhält. Dürfen wir das, liebe Freunde in Ingolstadt? Wir werden sehen. Schade wäre es um dieses Aggregat. Der V6 mit ebenfalls 286 PS kommt zwar mit seiner Laufkultur nicht an den Reihensechser heran, klingt eine Spur rauer und härter. Sonst ist ihm aber nicht viel vorzuwerfen. Leise, mit bulliger Kraft, freundlichen Umgangsformen und einem akzeptablen Verbrauch: 7,9 Liter, genau wie der CLS. Auch der Achtstufenautomat spielt ordentlich mit. Allerdings klappt das Zusammenspiel nicht ganz reibungslos, beim Anfahren etwa nach Start-Stopp gibt es eine kleine Verzögerung und ein leichtes Rupfen. Das kann am eingebauten Mildhybrid-System mit dem riemengetriebenen Startergenerator liegen – da bleibt noch Verbesserungspotenzial. Der Test-A7, übrigens 65 Kilo schwerer als der CLS, kam mit Luftfederung (1990 Euro), Allradlenkung (1900 Euro) und Allradantrieb samt Sportdifferenzial (1500 Euro), stand auf 20-Zöllern.
So wird er zum schnellen Gleiter, bewegt sich mühelos, zügig und handlich. Die leichtgängige Lenkung wirkt etwas gefühlloser als die im Benz, spricht aber betont direkt an, das Auto schrumpft förmlich – Vorteile einer Allradlenkung. Der ganze Spaß hat leider seinen Preis. Wir haben es befürchtet. Der Audi startet mit dem 3,0-Liter-TDI bei 66.300 Euro, mit Testwagen-Ausstattung kommt er auf 78.490 Euro. Beim CLS 350 d geht es bei 68 128 Euro los, mit Testwagen-Ausrüstung sind es ähnlich heftige 77.155 Euro. Stolze Preise. Dürfen die das?
Dirk Branke

Fazit

Hingucker, alle beide. Der Mercedes noch mehr als der Audi – aber fürs Design gibt es bei uns eben keine Punkte. Nüchtern gerechnet, liegt dann am Ende der A7 vorn. Weil er einfach mehr Platz bietet. Doch Sieger sind hier beide.

Von

Berend Sanders