Wer einen Beweis dafür braucht, dass sich unsere Autowelt in den letzten Jahren verändert hat, der braucht sich nur mal den neuen Mercedes GLA 45 AMG anzuschauen. Was für ein Mischmasch-Mobil. Für ein SUV zu flach, für einen Kombi zu kurz, und ein rassiger Sportwagen ist er trotz 360 PS doch wohl auch nicht. Haben sie sich bei Mercedes etwa voll zwischen die Stühle gesetzt oder vielleicht doch einen Volltreffer gelandet? Zumindest ganz neu ist die Idee eines übermotorisierten Hochsitzes nicht. Bereits seit August 2013 bietet  Audi den Q3 mit dem herrlich brubbeligen Fünfzylinder aus dem TT RS an, der im RS Q3 310 PS leistet.

In Reihe zwei ist der Audi am bequemsten

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Video: X3, RS Q3, GLK, XC60

Spurten statt sparen

Schon beim ersten direkten Aufeinandertreffen der beiden fällt auf, dass Mercedes und Audi zwei völlig unterschiedliche Philosophien verfolgen. Der GLA steht bullig und flach da, ist kaum höher als eine A-Klasse. Das macht sich auch beim Einsteigen bemerkbar: Der Fahrer muss den Kopf einziehen, fällt tief über aufgepolsterte Seitenwangen in die enge Sportschale. Ein tiefergelegtes Super-SUV, na Mahlzeit! Ganz anders der Audi, er will erklommen werden. Allerdings übertreibt es der RS Q3 mit der hohen Sitzposition, große Fahrer sitzen immer mit leicht angewinkelten Beinen im Audi – bequem ist anders. Dafür kann der Ingolstädter im Fond punkten. Ausreichend Platz und die gut gepolsterte Bank nehmen selbst langen Strecken ihren Schrecken. Der GLA eignet sich nur bedingt für längere Touren mit Passagieren. Trotz einer Außenlänge von 4,45 Metern können hinten selbst Kinder kaum sitzen. Es zwickt überall, und das Raumgefühl leidet unter den kleinen Fenstern – fühlt sich fast an wie in einem Kerker. Dafür punktet der Mercedes mit seinem großen, gut zu beladenden Kofferraum.
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Der GLA 45 AMG zeigt sich äußerst kompromisslos

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Video: Mercedes GLA 45 AMG

Onboard

Aber mal ehrlich: Wer kauft schon so eine Knallbüchse wegen des praktischen Talents? Die werden an ihrer Dynamik gemessen, an Kurvengeschwindigkeiten und Rundenzeiten. Also haben wir beide im Contidrom bei Hannover getestet. Schon bei der Anfahrt fällt auf, wie fein geschliffen sich der Audi fährt. Der Fünfzylinder röhrt zufrieden unter der Haube, das Doppelkupplungsgetriebe schnipst ruckfrei und blitzschnell zur passenden Zeit den richtigen Gang ein, und das Fahrwerk ist zwar straff, bietet aber überraschend viel Restkomfort. Wäre da nicht die zu hohe Sitzposition, der RS Q3 wäre der perfekte Alltagsheld. Und genau das will der GLA nun wirklich nicht sein: Er hält von Kompromissen gar nichts. Das Fahrwerk ist derart rustikal abgestimmt, dass dir schon Baby-Bodenwellen das Kleingeld aus den Taschen schütteln. Die breiten Reifen laufen bereitwillig jeder Spurrille nach. Also: Hände ans Lenkrad und schön festhalten.
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Völlig ungeeignet für jeden Tag ist auch die Abstimmung von Motor und Getriebe. Weil Mercedes aus nur zwei Liter Hubraum 360 PS quetscht, braucht der große Turbolader eine lange Gedenksekunde, bevor der GLA wie ein liebestoller Bulle losrennt. Dann allerdings explodiert der Motor derart, dass das Doppelkupplungsgetriebe mit den Gangwechseln nicht mehr hinterherkommt. Besonders eingespielt wirkt das nicht.

Auf der Rennstrecke lässt der Benz dem Audi keine Chance

Audi RS Q3 Mercedes GLA 45 AMG
Das Bild täuscht: Auf der Rennstrecke fährt der GLA 45 AMG dem RS Q3 ganz locker davon.
Vergessen, sobald der GLA auf die Rennstrecke einbiegt. Hier ist sein Revier. Wie ein Sportwagen vernascht er Kurve für Kurve, der serienmäßige Allradantrieb liefert die nötige Traktion dazu. Im Sportmodus knallt das Getriebe nun die Gänge hart und blitzschnell rein, dass man glatt glaubt, in einem Formel-Flitzer zu sitzen. Mit dieser radikalen Abstimmung umrundet das Super-SUV die 3600 Meter lange Handlingstrecke im Contidrom in 1:36.87 Minuten. Eine unglaublich gute Zeit. Damit ist er kaum langsamer als ein Porsche 911. Nur mal so zur Einordnung. Der RS Q3 schaut sich das an und weiß sofort: Nee, das ist nicht meine Welt. Schon in der ersten Kurve zeigt er seine Abneigung gegenüber Rennstrecken. Auch wenn er dank Allrad ebenfalls ohne Probleme beschleunigt, schaukelt er sich mit seinem hohen Aufbau um die Kurven und untersteuert deutlich. Der auf der Autobahn noch so überzeugende Fünfzylinder wird bei hohen Drehzahlen dröhnig und nervt mit deutlichen Vibrationen.

Am Ende bleibt die Uhr bei 1:41.39 Minuten stehen. Fast vier Sekunden langsamer als der GLA. Eigentlich kaum zu glauben, denn die reinen Messprotokolle der Fahrleistungen sehen beide ungefähr auf einem Niveau. Bei der Beschleunigung von null auf 100 km/h liegt der Audi vorn – obwohl er 50 PS weniger unter der Haube hat. Wer nun Lust auf die Tiefflieger im SUV-Format bekommen hat, sollte über einen Finanzierungsrahmen verfügen, der im Notfall etwas höhergelegt werden kann. Beide sind unverschämt teuer. 54.600 Euro kostet der Audi, 55.871 Euro der Mercedes. Zudem sind die Aufpreislisten dick wie Telefonbücher. Die Autowelt hat sich eben verändert. Für 55.000 Euro gab es vor ein paar Jahren noch eine fette S-Klasse.

Fazit

von

Stefan Voswinkel
Auf den ersten Blick machen solch übermotorisierte SUVs kaum einen Sinn. Bis man sie gefahren hat – Spaß ohne Ende bieten beide. Während der Audi im Alltag brilliert, hat Mercedes den perfekten Rennstrecken-Racer gebaut. Und gewinnt deshalb die Sportwertung.

Von

Stefan Voswinkel