So gut die Zahlen, so langweilig das Image

Plötzlich wird es laut auf der Melrose Avenue. Sehr laut. Dumpfe Bässe und aggressiver Hip-Hop dröhnen aus einem Auto, das keiner kennt. Vor graffitibeschmierten Secondhandshops und in Szene-Cafés blicken sich junge Amerikaner neugierig um.

Zwei Afroamerikaner rollen in ihrem Wagen aufreizend langsam die alternative Einkaufsstraße in Los Angeles entlang, die Fenster runtergefahren, die Musik aufgedreht. Die beiden nicken lässig mit den Köpfen zur Musik. Ihr ganzer Stolz ist kein Thunderbird, kein Cadillac, kein Mercedes-Benz Roadster – sie sitzen in einer kleinen, eckigen Kiste namens Scion xB.

Wenn Jim Farley solche Geschichten hört, steigen ihm vor Freude Tränen in die Augen. Farley ist Vizepräsident bei Scion, nach Lexus die zweite Tochtermarke von Toyota. Kein Autohersteller ist derzeit so erfolgreich wie die Japaner. Im abgelaufenen Geschäftsjahr fuhr Toyota 9,1 Milliarden Euro Gewinn ein, doppelt so viel wie GM und Ford zusammen. Doch so gut die Zahlen, so langweilig das Image: bieder, spießig, total uncool.

Im Visier: die so genannte "Generation Y"

Mit Scion will Toyota endlich lässig werden. Seit zehn Monaten gibt es die Modelle xA und xB auf dem Testmarkt Kalifornien, seit einigen Wochen in weiteren Staaten im Süden. Noch in diesem Jahr sollen überall in den USA Toyota-Händler auch Scion verkaufen.

Im Juni folgt das dritte Modell, das Coupé tC. Mit diesem Trio will sich Toyota die so genannte "Generation Y" schnappen: Menschen unter 30, die, so Farley, statt auf große Schlitten auf kleine Autos mit viel lässigem Zubehör stehen. Deshalb gibt es bei Scion (sprich: sssaien) pro Modell auch nur einen Motor, aber eine ellenlange Liste an Accessoires. "Wir geben den Kunden, was sie ganz besonders wollen: Individualität", sagt der Scion-Manager. Vor allem mit dem xB scheint dieses Konzept aufzugehen. Zwei Drittel der monatlich 5000 verkauften Scion (angestrebt waren 4000) gehen auf das Konto der kantigen Kiste. Britney Spears hat schon einen. Tom Hanks ebenso.

Die von japanischen Designern entworfenen und im japanischen Werk in Takaoka gebauten Autos basieren auf der Plattform des Toyota Yaris (xA und xB) und des Avensis (tC). Und so fahren sie sich dann auch: Der xB ist mit seinen 108 PS aus 1,5 Liter Hubraum zwar nicht nur für amerikanische Straßen und Highways ausreichend motorisiert, aber er ist, bei allem Respekt, eine Blechkiste. Der Komfort leidlich, der Nutzwert arg überschaubar, die Fahrzeugtechnik eher simpel. Aber er fährt, bremst, lenkt – und ist sicher.

Los geht's bei umgerechnet 10.940 Euro

Doch eigentlich ist das alles zweitrangig. Wichtiger ist das in zwölf Farben zu beleuchtende Satelliten-Radio von Pioneer mit 6fach-CD-Wechsler, sechs Boxen und Subwoofer für den donnernden Bass aus dem Kofferraum. Wichtiger ist die Cupholder-Beleuchtung, die die Plastikflaschen Evian nachts in die Farben "Lithium", "Acid" oder "Passion" taucht. Wichtiger ist die Botschaft, die ein Scion-Fahrer durchs offene Seitenfenster senden soll: Ich gehöre zu diesem kleinen, coolen Kreis. Oder, wie Farley es ausdrückt: "Einen Scion zu fahren heißt das neue Restaurant zu kennen, den angesagten Club und den hippen Graffiti-Künstler, von dem sonst kaum einer weiß."

Mit Scion setzt Toyota auf Exklusivität. Das ist neu in einer Klasse, die bei umgerechnet 10.940 Euro anfängt. "Wenn wir alle fünf Minuten einen Scion auf der Straße sehen, haben wir ein Problem", erklärt Farley. Und: "Wir werden mit der Marke langfristig kein Geld verdienen." Sie wird in Amerika auch nicht aggressiv beworben. Die wenigen Plakate und kurzen TV-Spots gehen in der Masse der Autowerbung unter.

Toyotas trendige Tochter setzt stattdessen auf die moderne Form der Mund-zu-Mund-Propaganda: die Internet-Foren auf www.scion.com oder www.scionlife.com.

Die Technischen Daten des Scion xB

"Über 60 Prozent der Kunden haben sich ihr Auto schon online zusammengestellt, bevor sie zum Händler kommen", erzählt John M. Rhee, Scion-Verkäufer in Torrance, Kalifornien. Die junge Zielgruppe will möglichst wenig Stress beim Autokauf, weiß Farley. Deshalb wird – unüblich für Amerika – auch nicht um Rabatte gefeilscht. An die Festpreise für die Basismodelle und jedes Zubehörteil müssen sich alle Händler aufgrund der ohnehin sehr knappen Gewinnspannen halten. Da verdienen sie mit dem Verkauf der Produkte aus der "Scion World" – Sonnenbrillen, CDs, Hemden – fast mehr.

Scion ist nicht der erste Versuch von Toyota, mit einer frischen Marke das Image aufzupolieren: Seit 2000 sorgt der Kleinwagen "Will Vi"auf Yaris-Basis für Aufsehen – allerdings nur in Japan. Dort fährt mit dem Nissan Cube bereits seit 2002 ein Doppelgänger des xB. Frühestens 2007, so Nissan, kommt der Würfel auf vier Rädern auch zu uns. Dass Scion seine Modelle eines Tages auch nach Europa exportieren wird, hält Jim Farley noch für Zukunftsmusik. "Wir werden in diesem Jahr auch in Puerto Rico verkaufen. Aber alles außerhalb der USA gehen wir sehr vorsichtig an." Von zwei deutschen Kunden, die ihre xB selbst in die Heimat verschifft hätten, habe er aber bereits gehört. Möglich also, dass bald auch bei uns plötzlich dumpfe Bässe und Hip-Hop aus diesem kleinen, eckigen Auto dröhnen.

Technische Daten • Reihen-Vierzylinder • vier Ventile je Zylinder • zwei oben liegende Nockenwellen • Hubraum 1497 cm3 • Leistung 79 kW (108 PS) bei 6000/min • maximales Drehmoment 142 Nm bei 4200/min • Frontantrieb • Fünfganggetriebe • Kofferraumvolumen 670 Liter bei umgeklappter Rückbank • fünf Sitze • Tankinhalt 45 Liter • Test-Verbrauch 8,1 l/100 km • Leergewicht 1086 kg • Reifen 185/60 R 15 • Länge/Breite/Höhe 3945/ 1689/1628 mm • Preis ab 11.939 Euro