Bentley Bentayga (2015): Fahrbericht
So fährt das schnellste SUV

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Der 2,4-Tonnen-Koloss Bentley Bentayga gefällt mit einer Pkw-artigen Leichtigkeit, offenbart beim Tempobolzen aber auch eine Schwäche.
Der Bentley Bentayga ist mit 301 km/h der schnellste serienmäßige Geländewagen der Welt und ein wahres Über-SUV. Wie muss sich eigentlich ein Smart-Fahrer fühlen, wenn diese rollende Schrankwand im Rückspiegel auftaucht? Wir verwerfen solche Gedanken und begeben uns hinter das Lenkrad des 5,14 Meter langen Geländeschiffs. Ein Blick auf das Datenblatt verheißt Dynamisches: 447 kW/608 PS und ein maximales Drehmoment von 900 Newtonmetern, das zwischen 1350 und 4500 Umdrehungen parat steht, um den 2440 Kilogramm schweren Bentayga nach vorne zu wuchten. Das erklärt auch den Sprint von 0 auf 100 km/h in 4,1 Sekunden und die Top-Geschwindigkeit von 301 km/h. "Damit ist der Bentayga der schnellste Geländewagen der Welt", verkündet Bentley-Chef Wolfgang Dürheimer stolz. Jetzt kann also der Range Rover Sport SVR einpacken, trotz seiner 405 kW/550 PS. Auch die beiden Konzernbrüder Porsche Cayenne Turbo S (419 kW/570 PS) und erst recht der Audi Q7 mit 245 KW/333 PS müssen dem Luxus-Schiff den Vortritt lassen.
Video: Bentley Bentayga (2015)
Stil-König unter den SUV
Der W12-Motor ist eine Neuentwicklung

Trotz stattlicher 2,4 Tonnen sprintet der Bentayga in 4,1 Sekunden auf Landstraßentempo.
Bild: Werk
Herz dieser Asphalt-Staub-und-Dreck-Luxus-Trutzburg ist der neu entwickelte W12-Motor. Das Aggregat ist nicht nur 30 Kilogramm leichter als der Vorgänger, sondern schafft mit einem Durchschnittsverbrauch von "nur" 13,1 Liter pro 100 Kilometer auch in dieser Disziplin eine deutliche Verbesserung. Das gelingt unter anderem durch Zylinderabschaltung und die Kombination von Direkt- und Saugrohr-Einspritzung. Wichtig ist, dass die ganze Technik beim Fahrer ankommt. Der Motor reagiert mit einem sonoren Brüllen auf jede Gaspedalbewegung. Der Sound ist nicht zu aufdringlich, das könnte ja die exklusive Kundschaft stören.
Pkw-artige Leichtigkeit
Der Vortrieb passt zum souveränen Klangbild: Fast mühelos schiebt das Sechs-Liter-Triebwerk den Koloss an. Überholvorgänge verschmelzen zu einer Rand-Episode der Fahrt. Auch um die Kurven schießt der Bentayga mit einer unglaublichen Präzision und Geschwindigkeit. Da erreicht er sogar das Niveau des leichteren Dynamik-Künstlers Porsche Cayenne. Der Kniff hinter dieser Pkw-artigen Leichtigkeit des Asphalt-Tangos ist die neue elektrische Wankstabilisierung, die mit Hilfe einer Vielzahl von Sensoren kommuniziert und blitzschnell jede Bewegung der Karosserie ausgleicht. Das Wirbeln durch die Kurven macht immens viel Freude.
Warum keine Keramik-Bremse?
Doch die Physik kann solche feinen technischen Kniffe nur kaschieren, nie ganz überwinden. Das Gewicht von gut 2,4 Tonnen beansprucht die Stahlbremsen bei extrem sportlicher Spaßfahrt derart, dass die zu rauchen beginnen. Das haben auch die Entwickler erkannt und versprechen, dass bald Keramik-Bremsscheiben, die Verzögerung des Bentayga standfest machen werden. Dennoch müssen sich die Ingenieure die Frage gefallen lassen, warum dieses wichtige Detail bei einem derart teuren Luxus-Automobil, der Bentley kostet mindestens 208.500 Euro, mit Ausstattung wird an der 300.000-Grenze gekratzt, nicht von vorneherein zu haben ist. Schließlich sind solche Bremsen im VW-Konzern vorhanden und die Ingenieure haben sich fleißig im Technik-Regal der Schwester-Marken bedient, wie die vielen Assistenzsysteme und der Infotainment-Bildschirm, dessen Plastik-Tasten nicht in die Luxus-Umgebung passen, zeigen.
Luxuriöser Innenraum

Die Sitze in Bentleys Luxus-SUV sind 22-fach einstellbar und natürlich mit feinstem Leder bezogen.
Bild: Werk
Auch wenn der Bentayga sich mit dem Audi Q7 und dem VW Touareg die Technik teilt, sind laut Bentley 80 Prozent neu. Kleine Kniffe, wie die Rücksitze, die ein Stück weiter hinten und höher angelegt sind, geben mehr Beinraum und hinten eine bessere Übersicht. Die pure Kraft ist eine Sache, der extrem luxuriöse Innenraum eine andere. Feinstes Leder, Sitze die 22-fach verstellt werden können, die mit möglichst wenig Nähten versehen sind, um den Leib der Insassen nicht zu malträtieren und Chrom-Knöpfe verströmen eine Schöner-Wohnen-Atmosphäre aus Tausenduneiner Nacht. Kein Wunder, dass die USA, die arabischen Staaten und China, die Gebiete sind, in denen der Bentley-Chef seinen Off-Road-Luxus-Neudefinierer an den Mann bringen will. Die Zeichen stehen gut, dass der Bentayga Bentley viel Geld in die Kassen spült.
Motorenpalette wird ausgeweitet
Geplant waren einmal 3600 Autos pro Jahr zu verkaufen, jetzt sind es 5500 und im nächsten Jahr sollen es noch mehr werden. Mit dem W12 ist die Produkt-Palette des Bentayga noch lange nicht vollständig. In zwei Jahren folgt ein vier Liter großer V8-Turbo mit rund 500 PS, ein V8-TDI mit 400 PS und später ein V6-Plug-in-Hybrid ebenfalls mit rund 400 PS. Zu einem späteren Zeitpunkt dürfte wie bei allen anderen Bentley-Modellen eine noch stärkere Speedversion mit mindestens 650 PS den Fahrspaß weiter erhöhen. Dann aber bitte mit Keramik-Bremsen.
Autor: Wolfgang Gomoll
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