Zu beneiden sind sie ja nicht, die Herren Entwickler. Schon Jahre bevor ein Modell in Serie geht, müssen sie ihm in vollgepferchten Segmenten eine Nische finden, sollen sie riechen, wohin sich seine Konkurrenten entwickeln, haben sie zu wissen, was die Klientel bei ihm wohl wollen wird. Nur zum Verständnis: Das ist irgendwie so, als ob man heute sagen müsste, was man 2014 zum Essen kocht. Warum also ist die neue 1er-Generation zu dem geworden, was sie nun ist? Eine Hypothese: Ebenjenes Produktorakel war sich sicher, dass die 1er-Kundschaft inzwischen eine ganze Ecke flippiger drauf sein wird.

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Video: BMW 1er (2011)

Neuer kleiner Bayer

Vielleicht haben ihm die Jungs aus der Mini-Abteilung aber auch einfach nur mal gesteckt, wie viele Autos man allein wegen poppiger Farben und weiß lackierten Applikationen verkaufen kann. Egal wie, selbst eine Giulietta, für die wir Schreiberlinge ja schon mal Erinnerungen an die Lollobrigida aus der Textkiste kramen, wirkt neben so einem 120d – und das liegt nicht nur an der Farbe – auf einmal verblüffend blass. Doch auch unter dem hippen Dress der neuen Urban-Line, die gemeinsam mit ihrem Sport-Pendant fortan 1900 Euro über der Basisversion rangiert, hat BMW sein Einstiegsmodell ordentlich renoviert. Die laschen Saugmotoren weichen aufgeweckten Turbos, optional lassen sich diverse Assistenzsysteme zubuchen, die Rückbank klappt dreigeteilt, und den vormals hautengen Fond säumen eine tief montierte Rückbank sowie der um drei Zentimeter gewachsene Radstand etwas auf. Zugelegt hat der 1er aber vor allem beim Fahrkomfort. Im Gegensatz zur ersten Generation, die einem jede noch so winzige Bodenwelle gegens Steißbein drosch, streicht selbst das statische Standardfahrwerk Verwerfungen nun sauber glatt.

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Gegen Aufpreis stehen zudem zwei Alternativen zur Wahl: die gewohnt knackige M- Lösung und das Adaptivfahrwerk, das sich mittels Kippschalter entweder etwas nachweichen lässt oder typische BMW-Charakteristika wie die ausgewogene Achslastbalance und das spontane Einlenken mit einer strafferen Dämpferkennlinie unterstützt. Positiv dabei: Die einzelnen Fahrwerksvarianten lassen sich vollvariabel mit den Ausstattungslinien kombinieren. Ein Urban-1er lässt sich also genauso mit M-Fahrwerk verknüpfen wie andersherum eine M-Version mit den softeren Standard- oder Adaptivalternativen. Einigermaßen mithalten kann beim Komfort – Überraschung – nur der betagte A3 Sportback.
Im Gegensatz zum Alfa, der recht unbeholfen über Kanten poltert, und dem Golf, den der 170-PS-TDI stets mit der Sportausführung GTD verheiratet, gibt sich der Audi alle Mühe, Asphaltfalten einigermaßen aus der Wahrnehmung zu bügeln. Dass ihm zu seinem bayerischen Dauerrivalen dennoch dieses Quäntchen fehlt, wird er verschmerzen können, zumal sich die Karrieren der beiden nur um wenige Wochen überschneiden. Zum alten Eisen abstempeln lässt sich der A3 dennoch nicht: Qualitäts- und Materialanmutung setzen noch immer Maßstäbe, die Raumausnutzung der verlängerten Sportback-Karosserie ist, abgesehen von den seltsam hoch montierten Sitzen, tadellos, die Lenkung agiert unaufgeregt, und in Gestalt des 170 PS starken Common-Rail-TDI lugt einer der besten Dieselmotoren durch den Single-Frame, den man in der Kompaktklasse derzeit kriegen kann.
Doch obwohl er vorbildlich start-stoppt, sensibel anspricht, ansatzlos auf die Drehzahlleiter hechtet und kraftvoll von Sprosse zu Sprosse klimmt – der neue Zweiliter des BMW ist ihm sowohl längsdynamisch als auch beim Verbrauch stets einen Tick voraus. Weitere Details zum Vergleich des BMW 1er gegen Audi A3, Alfa Giulietta und VW Golf gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Vergleich mit allen technischen Daten und Tabellen lesen Sie in AUTO TESTS 8/2011 .

Von

Stefan Helmreich