Bei BMW gibt es schon lange nicht mehr nur die 3er-Limousine, sondern natürlich ein Coupé und ein Cabrio und den Touring. Da sollte eigentlich für jeden Geschmack etwas dabei sein. Aber von wegen. BMW bringt im Frühjahr 2013 eine weitere 3er-Sorte auf den Markt: den Gran Turismo. Er ist quasi die edle Big Box in der 3er-Familie. Doch brauchen wir das neue Derivat wirklich? Macht ein weiterer 3er die Welt vielfältiger und lebenswerter? Oder ist der günstigere Touring die bessere Wahl? Und dann plant BMW ja noch das 4er Grand Coupé – ein höher positionierter Viertürer, der formal aber die gleiche Nische bedient.

Überblick: Alle News und Tests zum BMW 3er

BMW 3er GT
Neue Größe: Der BMW 3er GT überragt seine Baureihen-Brüder in jeglicher Hinsicht.
Orientierung ist also gefragt. Ein Kompass muss her. Damit der nicht nur nach Designaspekten und erstem Eindruck im Fotostudio ausschlägt, führt AUTO BILD bei diesem Vergleich zwischen dem neuen GT und dem bewährten Touring den Easy-Index ein. Diese Kennziffer resultiert aus einem objektiven Messprogramm, das wichtige Rückschlüsse auf Platzangebot und Handhabung erlaubt. Beim ersten Rundgang um beide Autos fällt auf, dass der GT deutlich länger und höher ist. Im Radstand legt er um elf Zentimeter zu, in der Außenlänge sogar um 20. Das bedeutet im Umkehrschluss kürzere Überhänge für den Touring; er wirkt kompakter und sportlicher. Der GT liegt mit seinen Abmessungen näher an der 5er Limousine als am 3er Touring. Dabei wollte BMW unbedingt vermeiden, dass der 3er GT optisch in die Nähe des 5er GT rückt. Der ist nämlich kein Verkaufserfolg, und selbst interne BMW-Ästheten bescheinigen dem großen GT einen Pampers-Po mit vollen Windeln. Darum die strikte Anweisung an die Designer: Bitte nicht noch so einen plumpen Hintern.

Premiere in Genf 2013: So kommt der neue BMW 3er GT

BMW 3er Touring
Sportlichere Optik: Während der GT im festlichen Frack daherkommt, trägt der Touring Trainingsanzug.
Das hat funktioniert. Die Seitenlinie des 3er GT streckt sich elegant und mündet in einem fließenden Heck. Er wirkt edel, ja fast schon glamourös. Während der Touring im Trainingsanzug daherkommt, trägt der GT eher einen festlichen Frack. Schließlich soll der Kunde nicht nur sehen, dass er 1500 Euro mehr für diesen 3er-BMW investiert, sondern den Aufpreis auch spüren. Am besten erlebt er das beim Einstieg in den deutlich höher liegenden Innenraum. Das Platznehmen gelingt müheloser, angenehmer – für ältere Fahrer ein unschlagbares Argument. Denn erneut verlangt der Touring mit seiner sechs Zentimeter tieferen Sitzfläche und der kleineren Türöffnung mehr Sportgeist. Noch mehr gilt das für den Fond. Bietet der Touring hinten für zwei Personen bequem Platz, wirkt der GT dort fast wie ein Luxusauto. Acht Zentimeter mehr Beinfreiheit gegenüber dem Touring sind eine Welt. Ganz klar: Das bessere Langstrecken-Reiseauto ist der Gran Turismo – seinen adeligen Namen nimmt er also ernst.
Doch meistens haben so ausgeprägte Tugenden ja doch irgendwo eine dunkle Seite. Die befindet sich im Fall des 3er GT im Heck. Zwar gibt es eine riesige Heckklappe, 20 Liter mehr Stauvolumen als im Touring und eine in 15 Rasterstufen verstellbare Rückenlehnen-Konstruktion. Doch wer schweres Ladegut einzupacken hat, wird dennoch stöhnen. Denn eine Getränkekiste beispielsweise muss zehn Zentimeter höher über die Ladekante gewuchtet werden – hier gibt sich ausnahmsweise der GT sportlicher. Oder rückenfeindlicher, je nach Sichtweise.
Ist der GT der bessere 3er?
Die Klappe reißen beide weit auf, aber der GT steckt den Touring in Sachen Kofferraum in die Tasche.
Wen das Zusatz-Training nicht stört, bekommt mit dem GT indes die größere Transportkapazität. Mit maximal 1600 Litern bei umgelegten Rücklehnen liegt der neue 3er GT satte 100 Liter über dem Touring. Praktisch dabei ist die zweigeteilte Heckablage. Das Hauptsegment öffnet mit dem serienmäßigen E–Heckdeckel und erleichtert den Zugriff auf den Gepäckraum. Das kleine Segment bleibt in seiner Halterung, sodass dort kleine Utensilien abgelegt werden können. Braucht der Fahrer diese Ablagemöglichkeit nicht, lässt sich die Abdeckung unter dem Ladeboden verstauen – clever gemacht. Aber dass solche Lösungen gleich vollmundig als "intelligentes Gepäckraum-Management" in die Presseinformationen einfließen, ist dann doch etwas zu viel PR-Prosa.Wie auch immer: Qualitativ machen Materialien und Verarbeitung einen tadellosen Eindruck. Der Ladeboden wird vornehm von einer stabilen Gasdruckfeder gehalten, und eine Fernentriegelung der Lehne macht die Kofferraumerweiterung zum Kinderspiel. Schade nur, dass BMW für diese Annehmlichkeiten 380 Euro zusätzlich in Rechnung stellt.
Natürlich kostet auch der soge­nannte Komfortzugang Aufpreis: Für 570 Euro extra beinhaltet er den "Smart Opener" – eine Fußbewegung unterm Heckstoßfänger genügt, schon öffnet der Deckel. Alles ganz easy. Doch so schnell mag sich der Touring bei derartigen Verwöhndetails nicht geschlagen geben. Bei ihm öffnet die Glasscheibe des Heckdeckels separat – und das ohne Aufpreis. Es ist eben nicht alles besser, was neu ist und GT heißt. Auch der Touring beeindruckt mit praktischen Details. Zum Einladen sperriger Gegenstände ist seine größere Heckklappenöffnung und die deutlich niedrigere Ladekante nach wie vor erste Wahl. Gleiches gilt für den Wendekreis. Er beträgt nur 11,30 statt 11,80 Meter. Ein halber Meter weniger sind in Parkhäusern und Hinterhöfen ein großer Vorteil; der Touring ist deutlich handlicher. Auch dass er weniger Platz auf Stellflächen beansprucht, belohnen wir im neuen AUTO BILD-Easy-Index unter dem Punkt Verkehrsfläche. Mehr BMW Tuning gibt es hier.
Weitere Details zu den beiden 3er-Konkurrenten gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Details und Tabellen gibt es in AUTO BILD 6/2013 oder als Download im Online-Heftarchiv.

Fazit

Zwei 3er, zwei Konzepte und ein hauchdünnes Ergebnis: Der 3er GT vermittelt gegenüber dem Touring eine Spur mehr Wohlgefühl und Nutzwert. Er könnte daher gut bisherige Kombi-Fahrer begeistern, die sich für den Aufpreis von 1500 Euro das neue Topmodell der Baureihe gönnen. Noch lieber möchte BMW aber Kunden von Audi und Mercedes weglocken. Auch das könnte klappen. Denn schöner als der 5er GT zeigt der kleine GT den feineren Stil.