An der renovierten Mercedes E-Klasse ist der Lack noch nicht ganz trocken, da schiebt BMW schon das 5er-Facelift hinterher. Wer hat jetzt die Nase vorn?
Wenn zwei das Gleiche tun, kommt noch lange nicht das Gleiche dabei heraus. So wie bei den aktuellen Überarbeitungen für die Mercedes E-Klasse und ganz frisch den BMW 5er. Während der Benz deutlich sichtbar neue Kleider trägt und erste Tests ihm auch spürbar mehr Temperament bescheinigen, bleibt die Modellpflege beim Bayern auf dezente (allerdings durchaus gelungene) Kosmetik und Feinschliff im Detail beschränkt. Reicht das dem Mercedes E 400 mit brandneuem V6-Biturbo, um sich am bisher sieggewohnten BMW 535i mit geschmeidigem Reihensechszylinder vorbeizuschieben?
Vorn wie hinten reist es sich in E-Klasse und 5er ausgesprochen entspannt – die beiden Oberklasse-Limousinen gehören nicht zufällig zu den beliebtesten Dienstwagen im Land. Der BMW profitiert dabei von den nicht ganz so üppig auftragenden, aber sehr gut stützenden Sportsitzen (630 Euro Aufpreis). Im Benz wirken die Polster einen Hauch weniger konturiert und Halt gebend. Dennoch sitzen wir in beiden Kandidaten hervorragend, der 5er raubt dem Fahrer mit seiner breiten Mittelkonsole allerdings etwas Spielraum für die Beine und klemmt die Füße der Fondgäste schon mal unterm Vordersitz ein. Im Gegenzug glänzt der Münchener mit der feineren Verarbeitung – im Mercedes finden wir etwas gröbere Spaltmaße, dort wirkt das Interieur nicht ganz so satt und hochwertig. Ein Eindruck, zu dem sicher auch die serienmäßige Lederausstattung des 5er sowie sein moderneres Bedienkonzept beitragen. So können im BMW zum Beispiel Navi-Adressen jetzt auch mit dem Finger über eine kleine Schreibfläche oben auf dem iDrive-Controller eingegeben werden. In der E-Klasse plagen wir uns immer noch mit dem antiquierten Blinker-Wischer-Hebel und schlecht ablesbaren Instrumenten.
Dynamikzuwachs: Mit dem Facelift befriedigt die Mercedes E-Klasse jetzt auch sportliche Ambitionen.
Mercedes setzt seinen Schwerpunkt da eher auf die Sicherheitsausstattung. Nur die E-Klasse behütet ihre Gäste zusätzlich auch noch mit Becken- und Knieairbag, nutzt beim Abblendlicht ab Werk modernste LED-Technik. Irgendwie modern soll wohl auch die Bedienung des bequemen Aktiv-Multikontursitzes (1523 Euro extra) sein. Dass die Lordosenstütze oder die ausziehbare Beinauflage aber über ein Menü im Zentraldisplay gesteuert werden müssen, empfinden wir nur als umständlich. Da gehören Knöpfe an den Sitz oder in die Tür! Beeindruckend allerdings, was die brave "Tante" E-Klasse nach dem jüngsten Facelift in Bewegung zu leisten vermag. Ohne Einbußen beim sehr guten und fast auf allen Pisten perfekten Komfort befriedigt sie inzwischen auch mit sportlichen Ambitionen. Besonders die feine Lenkung und der bärenstarke Motor verleihen dem E 400 einen wunderbar fahraktiven Anstrich. Mit 333 PS aus drei Liter Hubraum lässt der Mercedes den BMW bis Tempo 100 nicht davonziehen, kann sich bis 200 km/h sogar leicht absetzen. Untermalt wird der hellwache und drehfreudige Auftritt von einem heiseren Knurren, das für eine Business-Limousine zumindest überrascht. Genau wie die leichten Vibrationen des V6.
Hier kontert der BMW mit der fehlerfreien Achtstufenautomatik sowie einem 306 PS starken Reihensechszylinder, der mit meisterhafter Laufruhe und feinem Klang besticht. Auch erlaubt der 535i dank Hinterradlenkung (1750 Euro) und perfekter Gewichtsbalance (50:50 statt 53:47) in Kurven noch mehr Tempo und bringt auf dem Handlingparcours noch mehr Spaß. Ein Umstand, der in dieser Fahrzeugklasse allerdings nicht überbewertet werden darf. Und der auch Nachteile mit sich bringt. Trotz Dämpferverstellung (1300 Euro) und wirklich gutem Federungskomfort spricht der Bayer auf Querfugen und bei Beladung nicht ganz so geschmeidig an wie sein Stuttgarter Kontrahent.
Beim Preis und bei den Kosten liegt der Mercedes vor dem BMW – das kostet ihn am Ende den Sieg.
Absolut kompromisslos zeigt sich der E 400 dagegen beim Bremsen. Aus Tempo 100 steht er im Mittel 1,2 Meter früher als der 535i – und der bremst mit durchschnittlich 36,1 Metern aus 100 km/h nun alles andere als schlecht. Aber warum muss ein Mercedes eigentlich noch teurer sein als alle anderen? Also auch als der BMW in diesem Vergleich? Schon im Grundpreis gönnen sich die Schwaben eine "Das Beste oder nichts"-Zulage von über 1000 Euro. Dennoch bescheinigt Schwacke der E-Klasse im Alter die schlechteren Marktchancen, verschrecken die Mercedes-Mannen ihre Kunden mit jährlichem Wartungs-Wahnsinn. Einzig beim Verbrauch und beim Leasing beweist die E-Klasse, dass sie durchaus auch Sparpotenzial besitzt. Trotz des tollen Temperaments begnügt sich der E 400 auf der AUTO BILD-Testrunde mit beeindruckend niedrigen 8,8 Liter Super pro 100 km (BMW: 9,9 l/100km). Wer seinen Benz finanziert, fährt ebenfalls klar im Vorteil. Während der E 400 mit 525 Euro pro Monat das Konto belastet, müssen für den 535i stattliche 665 Euro überwiesen werden. Am Finanzierungsangebot von Mercedes liegt es jedenfalls nicht, dass die E-Klasse am Ende hauchdünn verliert.
Die Sensation steckt in der Eigenschaftswertung. Hier schlägt die E-Klasse den bisher so starken 5er, das bessere Auto kommt also aus Stuttgart. Es verspielt den Gesamtsieg wegen des höheren Preises.