Drehzahl trifft Hubraum

Zunächst das, was alle am meisten interessiert: Der M5 hat zehn Zylinder, 507 PS (die BMW-Verbeugung vor dem berühmten Modell 507), er fuhr eine Oschersleben-Zeit von 1.48,55 (22. Platz der Alltime Best), und sein Motor klingt mit seinen gut 8000 Umdrehungen Schaltdrehzahl wie ein Rennwagen. Nicht ganz wie ein BMW-Williams zwar, da fehlen ihm dann doch 10.000 Umdrehungen, aber als Großonkel des DTM-Sounds geht er gut durch, obwohl dort nur acht Zylinder und rund 30 PS weniger brüllen.

Der Brabus CLS besitzt acht Zylinder und 445 PS, auch ohne Abgasturbolader, Kompressor und doppelten Boden. Er klingt wie ein US-Bigblock; big ist er ja auch, die 6,1 Liter eher Hubsaal statt Hubraum, sein Drehmoment von 635 Newtonmetern ähnelt dem eines Rheindampfers, und aus den Auspuff-Fässern (der Begriff "Töpfe" verniedlicht das Volumen), den Subwoofern der Ottomotor-Musik, wummert er bei niedrigen Drehzahlen wie ein mittleres Erdbeben, während er oben hell hämmert, fast wie ein Schlagbohrer. Seine Rundenzeit braucht sich auch nicht zu verstecken: 1.50,64, damit 33. der Allstars. Tusch!

So, das hätten wir hinter uns, kommen wir nun ohne Umwege zur Quintessenz unseres Tests: Der BMW M5 ist das Skalpell, der Brabus CLS die Keule. Das will erklärt sein. Schärfe heißt Präzision, heißt ein Auto wirklich zu dirigieren, die Nuancen einer Kurve, ihren Charakter zu spüren. Der M5 hat die Trennschärfe einer guten Hi-Fi-Anlage, das heißt, er seziert und filetiert die Kräfte der Physik und läßt sie sensibel in unsere Sinnesorgane münden.

Bei Fehlern macht es Ding-Dong

Das ist hohe Fahrwerk-Schule, in diesem Fall allerdings heftig computergestützt. Der Brabus CLS ist elegant, er ist bullig, jedoch fühlt man nicht soviel, Lenkung und Fahrwerk sind ein bißchen spröder und von diversen Elastizitäten in den Radaufhängungen gepolstert. Dennoch ist er sehr leicht zu handhaben. Einlenken, rumfahren, schiebt ein bißchen über die Vorderräder, Keule wieder schwingen und mit Vollgas abhauen. Easy. Das Luftfederfahrwerk kann man auf Sport stellen, der Komfort bleibt noch spürbar, die Automatik erkennt den Sportmodus, damit wird der V8 doller gedreht, that’s it.

Anders der BMW: Der M5 ist intellektuell und ehrgeizig, und wie viele ehrgeizige Intellektuelle besitzt er einen komplizierten Charakter. Er ist das diplomierte, promovierte Auto, man muß, um es richtig zu verstehen, erst ein paar Semester Betriebsanleitung studieren, insbesondere das Fach Programmieren. Ich stelle mir eine Filmszene in einem Krimi vor, wie der Detektiv in ein Auto springt und dem Verbrecher hinterherjagen will. Im CLS schießt er bollernd davon und kriegt ihn. Im M5 würde er scheitern und das Böse siegen. Das Gemeine des BMW ist, daß er einen Ding-Dong-Gong ertönen läßt, wenn man etwas falsch gemacht hat – ohne darauf hinzuweisen, was falsch ist.

Man dreht am Zündschlüssel, und es macht "Ding-Dong" wie an der Haustür, wenn der Briefträger läutet. Nun darf man raten. Ist der Gang nicht in der richtigen Gasse? Die Bremse nicht getreten? Überhaupt ein Gang drin? Meist steht der Wählhebel auf "D" oder auf "1", das ist schlecht, denn dann startet nichts. Er muß auf "N" stehen, der Hebel. Bei ganz teuren, mechanischen Uhren mit Mondphasen heißt es "Grande Complication". So ist auch der BMW.

Wagen für Playstation-Virtuosen

Er hat jede Menge Möglichkeiten zum Verstellen. Er ist das Computer-Kid-Auto, der Wagen für Playstation-Virtuosen, das konfigurierbare Vehikel. Irgendwann muß man vor dem Abfahren wahrscheinlich noch die gewünschte Wagenfarbe eingeben. Tut man’s nicht, dann fährt er ohne Farbe – oder er macht "Ding-Dong". Ich werde gerade gemein. Denn das "sequentielle M-Getriebe mit Drivelogic", das dem Detektiv den Spontanstart verhagelt, ist ein fabelhaftes Stück Technik. Im D-Modus wechselt es die sieben Gänge automatisch, man kann sie aber auch manuell am Schalthebel bedienen oder an den Schweinsohren hinter dem Lenkrad ziehen, man kann geruhsam schalten lassen, sportlich oder auch blitzschnell, dann aber gewalttätig.

Diese brutalste Stufe der Schaltgeschwindigkeit steht nur bei abgeschaltetem DSC zur Verfügung, weil dieses sonst sofort in Panik geraten würde. Hier wird wirklich rennmäßig geschaltet, und es ist eine Freude, sich vorzustellen, was da unten im Antriebsstrang los ist, wenn die Zahnräder, Klauen und Muffen von den Hydrauliken hin und her geschossen werden. Alles unter dem Zorn des vollen Drehmoments von 520 Newtonmetern.

Was kann man fahrdynamisch sonst einstellen, und vor allem: wie? Es gibt neben dem iDrive, der hier MDrive heißt, auch eine Girlande von Schaltern um den Schalthebel herum. Mit denen macht man ganz simpel ungefähr das gleiche wie in der MDrive-Software, es ist also doppelt gemoppelt. Die Techniker haben wohl eingesehen, daß es gut sein kann, zu den guten alten Knöpfen zurückzukehren. Aber die iDrive-Fraktion hat sich wahrscheinlich beklagt, daher wurde ihr ein bißchen Exklusiv-Kompetenz im MDrive-System gelassen.

Verwirrungen in der Elektronik

Zunächst gibt’s da einen Knopf für die Motorleistung, entweder P400, wenn einem gerade nach "nur" 400 PS ist, oder man ist aufgekratzt und wünscht die vollen 507, dann geht man auf P500. Oder man wählt P500 Sport. Hier wird die Kennlinie des E-Gaspedals nochmals verschärft. Diese "Sport-PS" lassen sich aber nur per MDrive im Bildschirm-Menü aktivieren, nicht jedoch auf der Power-Taste beim Schalthebel.

Das Unlogische der Drivelogic ist nun, daß das MDrive nicht mit dem Powerknopf redet. Wenn man nämlich am Knopf P400 einschaltet, dann zeigt es oben am Bildschirm weiter P500 Sport an, und man ist verunsichert, was denn nun gilt. Das ist auch bei den anderen Schaltern so, wie dem DSC, so heißt bei BMW das ESP. Auch das kann man programmieren, von einem konservativen Normal-Eingreifen für den friedlichen Alltag ohne Sportgeist, über den MDM, den "MDynamic Mode", welcher Schlupf zuläßt, im Notfall aber doch rettend zu Hilfe eilt, und letztlich kann man das DSC ganz totstellen. Auch das an einem Knopf, während im MDrive-Bildschirm noch DSC "ein" leuchtet.

Spätestens hier wird’s kritisch, finden wir, und BMW sollte Knopf und MDrive schleunigst zur Kommunikation vergattern. Auch EDC, das ist die "elektronische Dämpfer-Control", schaltet man entweder per Knopfdruck oder per Menü im MDrive. Hier kann man zwischen weich, sportlich-normal und knüppelhart wählen, da knacken schon mal die Plomben.

V10, die neue Ikone des Maschinenbaus

Kommentar zur Bedienbarkeit: Alles wäre so einfach, wenn es nur die Knöpfe gäbe, an denen dann aber auch alles geschaltet werden sollte, während man den MDrive für Klimaanlage, Navigation, Telefon und ähnlich harmlose Sachen ruhig behalten kann. Ich vergaß allerdings von einem Universalknopf im Lenkrad zu berichten, mit dem man die persönlich liebsten Einstellungen einprogrammieren kann. Dann braucht man nur noch ihn zu drücken und fühlt sich zu Hause. Doch an ihm etwas zu ändern, ist wiederum sehr mühsam.

Wir haben schließlich alles wunschgemäß, das heißt für die Rennstrecke auf hart, schnell, stark, DSC-off eingestellt. Danach wurde es sehr schön. Die Präzision des Einlenkens gibt es in keiner anderen Limousine dieser Gewichtsklasse, und die Rückmeldungen des Fahrwerks sind fast wie bei einem Porsche. Der M5 wird zu einem verlängerten Menschen mit Rädern, das Nervensystem wird per Lenkrad, Pedale und Po bis in die Räder verlängert. Und obendrüber thront diese neue Ikone des Maschinenbaus, der Zehnzylindermotor. Mit Doppel-Vanos, Einzeldrosselklappen, querkraftgeregelter Ölversorgung, Hyper-Steuergerät und Hochdrehzahlkonzept.

Der alte M5 mit V8 hatte ja 400 PS beim gleichen Hubraum von fünf Litern. Die zusätzlichen 107 PS stammen daher beim Neuen vorwiegend aus der Drehzahl, bei natürlich gänzlich anderem Layout durch die zehn Zylinder. Der Alte drehte höchstens 7000, der Neue 8250. Die spezifische Leistung liegt nun auf dem Niveau der DTM-Triebwerke.

Anschaffungskosten und Meßwerte

Und dennoch ist der BMW, wenn man ihn "kommod" konfiguriert, auch ganz artig im Alltag. Dazu dieser Sound. Geradezu friedvoll knurrt er bei niedrigen Drehzahlen, während er schon bei mittleren den hysterischen Rennwagen mimt. Entsprechend fällt der Schub aus. 4,7 bis 100, in 13,5 bis 200. Falls es jemand vergessen haben sollte: Wir sitzen in einer Familienlimousine! Eine wohlhabende Familie sollte es allerdings schon sein.

Der Grundpreis beträgt 86.200 Euro, der Endpreis unseres Testwagens summierte sich auf 102.090 Euro. Beim Brabus CLS muß es sogar eine reiche Familie sein. Denn so, wie wir ihn gefahren haben, kostet er 159.585 Euro. Der Grundpreis für einen Mercedes CLS 500 (Basis für den Umbau) liegt bei 67.280 Euro. Es wurden also Goodies für einen ganzen BMW M5 plus einen Mini verbaut. Uns mangelte es ergo an nichts. Das Lenkrad war beheizt, das Licht schien um die Kurven, den Abstand zum Vordermann regelte ein Radar, der Sitz massierte die Bandscheiben. Das zweitteuerste Extra sind die Brabus-Bremsen – mit sechs Kolben vorn und vier hinten. Preis: 10.900 Euro. Die standen denen des M5 in nichts nach.

Teuerstes Bauteil ist jedoch der sogenannte Hubraummotor mit 6,1 Litern, der kostet mit Auspuff und Montage 29.050 Euro Aufpreis. Der Achtzylinder ist ein aggressiver Beißer, er wird aber von der weichen Siebengang-Automatik domestiziert. Seine 635 Newtonmeter Drehmoment liegen schon bei 4500 Umdrehungen an (M5: 520 Nm bei 6100 Umdrehungen). Dampf unten ist sein Grundthema, aber auch oben spielt die Musik bis 6500 Touren.

Ausstattung und Preise

Der Hubraummotor reißt die 1885-Kilo-Limo schreiend nach vorn, und manchmal bangt man, ob er sie nicht zerreißt: null bis 100 in 6,0, von null bis 200 in 18,8 Sekunden. So ist der skulpturale CLS, dieser schwäbische Jaguar mit seinem feingeschnittenen, geduckten, hingegossenen Körper, auch nach der Brabus-Kur eher der König der Autobahn.

Obwohl sein Fahrwerk vom Feinsten ist, entspricht die Rennstrecke nicht seinem Naturell. Die Essenz des Fahrens dort ist die Querdynamik, die Stärke des Brabus ist jedoch die Längsdynamik, also die Beschleunigung und das schiere Tempo geradeaus. Dort kann er punkten. Mit 294 km/h kratzt der schönste aller Marschflugkörper knapp an der 300er- Marke. Der BMW gibt sich politisch korrekt: Er ist bei 250 abgeregelt. Eigentlich schade.

Fazit, Kontakt und Technische Daten

Fazit Laptop-User werden glücklich sein mit den Möglichkeiten des BMW, Traditionalisten werden die Logik des Brabus schätzen. Wer auch mal auf die Rennstrecke geht, ist mit dem M5 besser bedient, auf Langstrecke ist der Brabus nicht zu schlagen. Daß er fast 300 rennt, ist dabei eigentlich ebenso unerheblich wie die 1,3 Sekunden, die der M5 schneller auf 100 ist. Leistung haben beide mehr als genug. Doch im Charakter sind sie grundverschieden.