Es gab schon deutlich langweiligere Zeiten in der automobilen Chefetage. Vor ein paar Jahren noch war die graue, steife Gesellschaft von Luxuslimousinen mit ihrem immer gleichen Stufenheck etwa so aufregend wie eine Jahrestagung der Seniorenforscher. Dann bliesen die flachen Coupé-Schnitte am Mercedes CLS oder BMW Gran Coupé endlich den Mief aus dem Blech. Und jetzt kommt der erste Maserati in der Dienstwagen-Liga: Der neue Ghibli ist anders. Nicht artig. Und fordert zum ersten gemeinsamen Catwalk mit dem BMW 6er Gran Coupé geradezu heraus. Der Treffpunkt: geheim, versteckt, weit weg von Paparazzi, die solche exklusiven Dates lieben.

Überblick: Alle News und Tests zum Maserati Ghibli

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Video: Erster Ghibli-Vergleich

Maserati vs. BMW M6

Selbst im Licht der Tiefgarage, selbst im ungünstigen Farbton "Nero ribello" besitzt der Italiener dieses gewisse Etwas, das die Blicke anzieht. Was ist das bloß? Sicher kein Protz, zwei Kollegen schätzen den Ghibli spontan auf das Format eines Audi A4. Weit gefehlt, seine 4,97 Meter überragen einen A6 ebenso wie den 5er, nur das 6er Gran Coupé streckt sich noch zwei Fingerbreit länger. Designchef Marco Tencone hat dem Neuling subtil die Maserati-DNA eingepflanzt: ruhige Blechflächen, weit zurückversetzte Glaskanzel, dramatische Schnitte wie an den Scheinwerfern und der hinteren Dachsäule. Aber wie haben die Italiener nur diese tief schnüffelnde Nase und die schwellende Motorhaube durch den Fußgängerschutz gebracht? Leider ist es typisch für Maserati, dass das Heck mit der schlaffen Spoilerkante optisch abfällt. Als sei Signor Tencone am Ende der Espresso ausgegangen. Was soll’s, selbst das größte Theater hat schmucklose Hinterseiten. Der BMW, der beim ersten Schaulaufen als M6 vorfährt, ist doch mehr der Sportler. Zeigt mehr Muskelspiel in der Blechflanke und duckt sich spürbare sieben Zentimeter tiefer. Hier meldet der Rücken schon beim Einsteigen: "Achtung, Coupé!"

Überblick: Alle News und Tests zum BMW 6er Gran Coupé

BMW M6 Gran Coupé
Münchner Kraftpaket: Das lang gestreckte Gran Coupé rollt als 560 PS starker M6 zum Vergleich.
Innen trennt die Mittelkonsole, breit wie ein Tablett, zwei tiefe Sitzschalen und reicht dem Fahrer ein Menü scharfer Schalter an: die Spielwiese rings um das vorzügliche iDrive, dazu links die Tasten für Gasannahme, Lenkung, Schaltzeiten – bei den 560 PS bekommt man manchmal Angst, ein falscher Knopfdruck könne diese Rakete ungewollt losjagen. Auch der Ghibli lässt keine Zweifel an seiner Leistung (410 PS) aufkommen, gibt im direkten Vergleich jedoch mehr die Limousine. Die breiten, elektrisch verstellbaren Lederpolster könnten aus einem gehobenen Möbelhaus stammen, die Sitzposition vorn passt perfekt, und der Materialmix zeigt so viel Exaltiertheit, dass die Dame auf dem Beifahrersitz interessiert die Sonnenbrille abnimmt. Die matten Türgriffe möchte man streicheln, und das gestreifte Holzdekor wirft die Frage auf: "Passt das zum Hemd?" Wer mattes Grau sucht, kauft in dieser Klasse besser deutsch. Der Maserati wird nicht jedem gefallen. Der 8,4 Zoll große Monitor, der Audio, Klima, Telefon und Einparkhilfe steuert, ist ein Touchscreen – Fingertapsen garantiert. Auf der Rückbank kneift es an den Knien. Und das große Bling-Bling der Assistenzsysteme, im 6er immerhin eine Option, fehlt dem Ghibli beim Verkaufsstart. "Mit unserem Angebot ist das Ablenkungspotenzial schon grandios", meint Markenchef Harald Wester. Doch im nächsten Satz kündigt der Deutsche an, dass der Ghibli in spätestens 15 Monaten nachziehen soll.
So ist der Italiener notgedrungen das Fahrerauto in der Businessclass. Vorderwagen und Achsen vom größeren Bruder Quattroporte werden die nötige Sportlichkeit auf die Straße bringen, ein hoher Anteil von Aluminium soll das Gewicht auf 1810 Kilogramm senken. Den Anschub besorgen der neue Dreiliter-V6-Doppelturbo, der 410 PS leistet, sowie Maseratis Diesel-Sakrileg: Oder wie sollte man den ersten Selbstzünder der Markengeschichte nennen? Er bringt 275 PS und – was viel wichtiger erscheint – einen speziellen Sound, der sich über die Sporttaste neben dem Schalthebel nochmals verschärfen lässt.

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Maserati Ghibli
Unverkennbare Maserati-DNA: ruhige Blechflächen, weit zurückversetzte Glaskanzel, dramatische Schnitte.
Beim Benziner jedenfalls wirkt dieser Knopf wahre Wunder: Wem der Ghibli in der Tiefgarage noch nicht aufgefallen ist, der dreht spätestens beim "Sportsound" den Kopf. Die akustische Fanfare dafür, dass Maseratis Motorenprogramm leistungsmäßig dort einsteigt, wo Firmen-Controller längst die Stirn runzeln und Freiberufler den Steuerberater anrufen. Der neue Allradantrieb ist zunächst nur in Verbindung mit dem Benziner zu bekommen, den möglichen Achtzylinder mit 530 PS (auch aus dem Quattroporte) möchte Chef Wester offiziell noch nicht bestätigen. Maserati wird nächstes Jahr 100 Jahre alt, da darf der Boss sich bestimmt was wünschen. Da die Italiener die deutschen Edel-Limousinen ins Visier nehmen, werden sie ihre Modellfamilie so weit wie möglich nach deren Vorbild ausbauen. Den Allrad-Diesel zum Beispiel hat BMW schon im Programm, ebenso den 560 PS scharfen M6, dessen Dampf selbst das 1950 Kilogramm schwere Gran Coupé zur Flipperkugel schrumpft. Um eine Vorstellung von so viel Power zu bekommen: Offiziell bei 250 km/h abgeregelt, gibt das "Drivers Package" für 2450 Euro Aufpreis 305 km/h frei. Doch selbst dieses Tempo ist den Reifen und der Motorgesundheit zuliebe noch abgeregelt, der M6 könnte bis an die 330 jubeln.
Dieses abgehobene Vergnügen hat seinen passenden Preis: Die 128.800 Euro dürften das M6 Gran Coupé zu einer exklusiven Erscheinung auf deutschen Straßen reduzieren. Beinahe bürgerlich erscheinen dagegen die 79.500 Euro für den Ghibli S, der serienmäßig mit 18-Zoll-Rädern, Bi-Xenon-Licht, Leder und E-Sitzen vorfährt. Schon Selbstverständliches wie Sitzheizung, Parksensoren oder Internet-Hot-Spot lassen sich auch die Italiener teuer extra bezahlen – als echtes Schnäppchen kann Mann seiner Frau den Maserati kaum schmackhaft machen. Wie wäre es, wenn sich die Preise in der Oberklasse auch mal ein bisschen lockerer gäben?
Technische Daten BMW M6 Gran Coupé V8, Biturbo, vorn längs • vier Ventile pro Zylinder • Hubraum 4395 cm³ • Leistung 412 kW (560 PS) bei 6000/min • max. Drehmoment 680 Nm bei 1500/min • Hinterradantrieb • Siebengang-DSG • L/B/H 5011/1899/1393 mm • Radstand 2964 mm • Leergewicht (EU) 1950 kg • Kofferraumvolumen 460 l • Tank 80 l • 0–100 km/h 4,2 s • Spitze 305 km/h • Verbrauch EU-Mix 9,9 l Super plus • CO2 232 g/km • Preis ab 128.800 Euro.
Technische Daten Maserati Ghibli V6, Biturbo, vorn längs • vier Ventile pro Zylinder • Hubraum 2979 cm³ • Leistung 301 kW (410 PS) bei 5500/min • max. Drehmoment 550 Nm bei 4500/min • Hinterradantrieb • Achtstufenautomatik • L/B/H 4971/1945/1461 mm • Radstand 2998 mm • Leergewicht (EU) 1810 kg • Kofferraum 500 l • Tank 80 l • 0–100 km/h 5,0 s • Spitze 285 km/h • Verbrauch EU-Mix 10,4 l Super plus • CO2 242 g/km • Preis ab 79.500 Euro.

Fazit

von

Joachim Staat
Maserati trägt einen klingenden Namen in die Oberklasse: Ghibli, der Dreizack, italienischer Stil – das garantiert Köpfe, die herumfliegen, und viele Fragen, auch ungläubige. Wer ist das? Nichts für Otto Normalpendler, sondern ein Statement für Fahrer, die Besonderes wollen. Als Alternative zu Kilometer-Schrubbern wie BMW 520d oder Mercedes E 250 CDI taugt der Ghibli so wenig wie Slipper beim Holzhacken. Dafür ist er zu teuer, zu durstig, hinten zu eng. Was er optisch verspricht, sollten seine starken Motoren auf der Straße einlösen können. Eine glänzende Visitenkarte, die Maserati weltweit Verkaufserfolge bescheren kann, die diese Marke noch nie erlebt hat.

Von

Joachim Staat