Gemeinsame Ausfahrt mit Zzzz-Z-Zittern

Der Sturm reißt von vorn, von oben, von hinten. Acht Grad Lufttemperatur sind wirklich kein Grund, im April schon den Sommer-Idioten zu spielen. Ich kann es trotzdem nicht lassen. Muss unbedingt zum Öffner greifen, und "ssst" fährt die Tür herunter. Der BMW steht auf Durchzug. Jetzt kommt der Fahrtwind sogar von unten. Eine Rundum-Luftdusche – die macht dem alten Z1 so schnell keiner nach.

Kann man die Cabrio-Saison erfrischender eröffnen als mit einem ehrlichen Zzz-Z-Zittern? Moderne Roadster lassen ja keinen noch so blödsinnigen Fortschritt aus, aber einen Orkan, der in Hüfthöhe quer durchs Auto fegt, den hat heute keiner mehr drauf. Auch nicht seine Enkel Z3 (1995), Z8 (2000) oder der aktuelle Z4, die wir zur Ausfahrt entführt haben.

Der Z1 spielt in dieser Familie so etwas wie die Ur-Materie: ein Reihensechser vorn, Antrieb hinten, dazwischen ein echtes Elementar-Erlebnis. Das beginnt schon beim Einsteigen. Ist das Dach geschlossen, drückt man außen einen Knopf; die Tür versinkt, öffnet eine Luke, die nicht viel größer ist als ein Briefschlitz. Die Prozedur des Einstiegs erinnert an Artistik aus dem Chinesischen Staatszirkus, am Ende ist der Schweller genauso verdreckt wie die Hose.

Z1 – Thermoplast, nix für die Serie

Nein, ein Alltagsauto war der Z1 nie. Da steigst du bei offenem Dach ein, mit flüssigem Beinschwung und sauber genug fürs Café. Unser Exemplar aus dem BMW-Museum hat ehrliche 55.000 Kilometer auf dem Buckel. Die Teppiche müffeln nach altem Cabrio, das Leder zeigt sympathische Regenflecken von Ausfahrten, als das Dach beim ersten Guss nicht schnell genug herausgepult wurde. Hübsch, so ein Deckel, aber dauert halt immer ein paar Tropfen länger als das Einhanddach vom Z3.

Beim Anlassen schüttelt der Reihensechser die aufgeschraubte Kunststoffkarosserie einmal längs durch, als würde da vorn ein mächtiger V8 losbrechen. Kraft (170 PS) besiegt Masse (1250 Kilo) – wie sympathisch, so locker dürfte heute kein Z4 sein. Der Motor wirkt rauer, die Lenkung direkter als in modernen Roadstern – oder bilden wir uns nur ein, die Mechanik durchs dünne Plastik hautnäher zu spüren? Gerade diese Bauform (Stahlmonocoque mit Thermoplast-Teilen) machte den Z1 so teuer. Er war einfach nicht dafür konstruiert, in Serie zu gehen. Oder nur für viel Geld.

Niemals werde ich das Preisschild vergessen, als der erste Z1 beim BMW-Händler stand: 83.000 Mark. Meine Hüfte war schlank genug fürs Einsteigen, aber das Portemonnaie nicht dick genug für die Unterschrift. Trotzdem hat der Z1 elektrisiert wie Woodstock oder das Internet. Vielen versprengten Verrückten wurde schlagartig klar: "Da draußen gibt es viele, die Besseres wollen als alte Alfa Spider oder Softeis-Cabrios." Und die stürzten sich einen Sommer später auf den MX-5, der für 35.500 Mark den gleichen Lockstoff besaß.

Z3 – Fahrgefühl im Zitteraal

Da wurde der Z1 endgültig zum Design-Dornröschen für Fanclubs. Zum Glück infizierte der Zweisitzer auch BMW mit dem Roadster-Virus, denn 1995 erschien der Z3, der nichts besser konnte als der Z1 – außer dass er halb so teuer war. Weil er die Achse vom Dreier hatte, die Motoren, leider auch den gleichen altbackenen Lichtschalter in einem engen Cockpit.

Meine 1,87 Meter müssen sich in die Sitze hineinwursteln wie in alte Engländer – das Platzangebot war schon retro, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Ein bisschen auch die Sicherheit. In 20 Jahren werden Versicherungen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, dass BMW es wagen konnte, einen Z3 auf die brutalen 321 PS eines M3 hoch zu dopen – ohne ESP mitzugeben. Das nenne ich mutig. Wie konnten BMWs Hausjuristen nur ihr "Halt!" verschlucken – angesichts der strengen Produkthaftung in den USA, wo dort jeder Pups versichert wird?

Heute sagst du am Steuer eines Z3: danke. Danke dafür, dass BMW uns so viel Eigenverantwortung zugetraut hat. Danke für die Dynamik, für das Fahrgefühl. Der Z3 ist zwar ein noch schlimmerer Zitteraal als ein Z1, dafür sitzt der Fahrer mit dem Hintern direkt im Epizentrum des großen Blech-Bebens. Und das erreichte auf der nach unten offenen Skala auch schon die magische Sechs: Die letzte 3,0-Liter-Version sprang in 6,0 Sekunden auf hundert und rannte 245 km/h Spitze.

Z4 – Elektronik-Geschwader an Bord

Das kann ein Z4 heute nicht besser. Der Neue ist auch kaum größer – dennoch feiert BMW den Nachfolger, als sei Viagra neu erfunden worden. Nein, der Fortschritt liegt nicht in den Fahrleistungen, sondern im Erleben. Im Z3 sitzt man noch an der frischen Luft, im Z4 versunken in einem tiefen Graben. Eingekeilt von hohen Überrollbügeln, einem Cockpit wie ein Küchenstudio und einer Festigkeit, als könne nichts und niemand den Zweisitzer erschüttern – nicht einmal die Passanten, die den Kopf schütteln über seine zerknitterte Flanke.

Der Z4 lenkt wie eine Eins und fährt sich so präzise, wie seine Kanten aussehen. Diese granitfeste Burg könnte locker mehr Kraft vertragen – die bärenstarke M-Version liegt bereits programmiert in seiner Natur. Er ist ausgekochter, geräumiger, alltagstauglicher und sicherer dank eines ganzen Geschwaders von Elektronik, die unseren Kurvenspieltrieb überwacht: dynamische Stabilitätskontrolle DSC, dynamische Traktionskontrolle DTC – wer will, kann den Zweisitzer mit dem Knopf in der Mittelkonsole schrittweise zurückschalten zur puren Fahrmaschine.

Ist das noch ein Roadster? Oder ein Computer-Roadster? Du fühlst dem Z4 an, dass er mehr werden sollte als ein purer Zweisitzer. Zu viel des Guten? Dass BMW echte Engländer besser bauen kann als die Engländer selbst, zeigen sie bei Mini und Rolls-Royce. Und sie zeigen es beim Z8. Der Über-Roadster sieht aus, als sei er gerade durch einen Zeittunnel aus dem Swinging London der Sechziger abgebogen: eine Kreuzung aus dem langen Schwung eines E-Type und der prallen Wucht einer Cobra.

Z8 – Lametta für die Luxusliga

Der Z8 ist schon deshalb ein Ganzjahresauto, weil seine Besitzer sich im Winter in der Garage vor die Kotflügel setzen, um so viel Schönheit bei einem feinen Glas Rotwein zu bestaunen. Er sollte halt ein Meisterstück werden, ohne Rücksicht auf Kosten. Bei BMW erzählen sie gern die Geschichte, die Bosse hätten eines Tages beschlossen, wieder ein Auto für die Ewigkeit zu bauen, wie der 507 eines war.

Und weil ihnen das alte Traumschiff im Kopf herumspukte, ist der Z8 wild mit Fifties-Lametta behängt: wieder solche Seitenkiemen, Lenkradspeichen wie die Saiten einer Bassgitarre und eine Einrichtung, so verwirrend schön, als würde man sich auf dem Plattenteller einer Wurlitzer-Box drehen. Aus deren Lautsprechern dröhnt der Oscar-Preisträger unter Deutschlands Motoren: Der Fünfliter-Achtzylinder aus dem M5 beherrscht so ziemlich jede Gangart, vom brabbelnden Flanieren vor den "Café Wichtig" dieser Welt bis zum bitterbösen Muskelspiel jenseits von 5000 Touren.

Die Krönung des Ganzen ist die Handschaltung. Kein Wandler, sechs Gänge und nur ein Gefühl: Jaaaaaaaa! Genug geträumt? Es gibt genug, was uns herunterholt. Der Z8 kostet 127.000 Euro – mehr als drei Z4 – und erfüllt trotzdem nicht alle geheimen Wünsche. Auf der Rennstrecke die schnellen Porsche scheuchen klappt nicht, weil der Z8 trotz Alukarosse mit 1690 Kilo zu fett geraten ist. Der große Z, der Ende Juni 2003 zum letzten Mal vom Band läuft, spielt den Roadster in der Operettenliga. Meilenweit weg vom Z1 – und doch nur elf Jahre älter. So hat halt jede Zeit ihren Z.

Von

Joachim Staat