Samstagmorgen 1987, halb zehn in Deutschland, Tatort Waschplatz. Eifrig gleiten von Putzmittel getränkte Schwämme über die Außenhaut champagnerfarbener 190 D, um im nächsten Moment abrupt in den Eimer zurückzuplatschen. Der grimmigschwarz lackierte und üppig bespoilerte AMG 190 E 3.2 muss in der wohlgeordneten Mercedes-Welt schon fast blasphemisch gewirkt haben. 1987 wird die 234 PS starke Hubraumerweiterung für den Sechszylinder-190er erstmals von AMG angeboten. Vier Jahre später fährt der starke Baby-Benz als Komplettfahrzeug in die Hallen offizieller Mercedes-Händler. Nur etwa 200 Fahrzeuge werden gebaut. In Zeiten der Funkfernbedienung samt Start-Stopp-Knopf ist schon das schnöde Aufschließen des seltenen Exemplars eine Offenbarung. Der filigrane Schlüssel erweckt die pneumatische Zentralverriegelung zum Leben, leise surrend öffnen sich die Türschlösser. Kurz am in Wagenfarbe lackierten Bügeltürgriff gezogen, und der Fahrerplatz ist verfügbar – und weit weniger radikal, als die Außenhülle andeutet. Nach 148.000 Kilometern ist der Sportsitz etwas weich gedrückt, die Hände streicheln über eine erweiterte Zebrano-Holzausstattung inklusive Schalthebel.

Erst ab 4000 Touren geht im 190 E 3.2 so richtig die Post ab

AMG 190 E 3.2
Plopp, ohne akustisch verfälschende Dämpfung von doppelten und dreifachen Dichtungen schließt die leichtgängige Tür. Start frei für den Reihensechser. Die mechanisch-elektronische KE-Jetronic verlangt beim Anlassen nach minimalem Gaseinsatz, doch dann säuselt der extrem laufruhige Zweiventiler im Leerlauf vor sich hin. Mit feinem Surren dreht der M103 hoch, erwacht erst ab 4000 Touren richtig zum Leben. Das liegt zum Teil auch am ruckarm agierenden Vierstufen-Selbstschalter, dessen Gänge für heutige Verhältnisse etwas zu weit auseinanderliegen. 1,4 Tonnen Leergewicht werden dennoch zur spielerischen Aufgabe für 305 Newtonmeter. Zwar wankt der 190er trotz stößigen Sportfahrwerks und 16-Zoll-Rädern in Kurven, Lenkbefehle am zeitgenössischen AMG-Lederlenkrad werden etwas verzögert und eckig umgesetzt. Dennoch pflügt der 190 E 3.2 agil durch Biegungen. Die etwas teigige Bremse aus dem 300 E-24 und 300 TE beantwortet Pedaltritte mit vertrauenerweckender Stoppkraft.

Mit dem C 43 AMG kommt ein starker V8 in die C-Klasse

Mercedes-Benz C 43 AMG
1993 präsentierten Mercedes und AMG mit dem C 36 das erste gemeinschaftlich produzierte Projekt – das Farbe zur Sportlichkeit bekennt, auch im Innenraum unseres 1995er-Exemplars. Wie eine Techno-Diskothek sticht das Interieur des über 5000-mal verkauften Spitzenmodells mit optionalem Designo-Leder samt farblich abgestimmtem Holz ins Auge. Wild grün und rot blinkend quittiert die Anzeige im Außenspiegel den per Schlüssel geäußerten Wunsch nach Einlass. Ähnlich fetzig geht das 3,6 Liter große M104-Aggregat unter der Haube zu Werke. Munter schnappt der dunkler grollende, kernigere 280-PS-Vierventil-Reihensechser nach hohen Drehzahlen, zieht dazu bereits aus dem Stand wie ein Bulle kräftig an. Dazu schaltet die Vierstufenautomatik knackiger als im 190er. Wie zu erwarten, frisst der C 36 Kurven deutlich williger als der 190er. Mit dezentem Sportauspuffklang und zurückhaltend akzentuiertem Karosseriekleid rollt er aber auf Samtpfoten. Ein Trend, der sich auch ab 1997 beim achtzylindrigen Nachfolger C 43 AMG fortsetzt. Die inzwischen etwas runderen Karosserieanbauten verraten kaum etwas vom potenten 4,3-Liter-Achtzylinder aus dem Mercedes-Regal, der mit schärferen Nockenwellen und atmungsaktiverem Ansaugtrakt gestärkt wurde. So kommen 27 PS mehr als bei der 279 PS starken Ausgangbasis heraus. 26 PS und 25 Newtonmeter hat er seinem Vorgänger voraus – klingt nach wenig, bringt aber viel.
Bissig hängt der kleine V8 am Gas und untermalt die typischen, dezent sirrenden Ventiltriebsgeräusche der dreiventiligen M113-Motorserie mit brodelnden Nascar-Tönen. Großen Anteil an der gestiegenen Dynamik hat die elektronisch gesteuerte Fünfstufenautomatik. Zwar verwöhnt sie nicht mit tausend Schaltprogrammen und endlos vielen Stufen wie heutige Selbstschalter, bietet dem Triebwerk aber mit besseren Übersetzungen eine optimierte Spielwiese. AMG-Kenner wissen allerdings: Ab Sommer 1996 laufen bis zum Produktionsstopp 1997 die letzten Exemplare des C 36 ebenfalls mit Fünfstufenautomatik vom Band. Doch nicht nur die geballte Kraft des gestiegenen Hubraums macht den C 43 sportlicher. Die Bremsanlage bietet feinste Rennsporttechnik. An der Vorderachse sind die 334 Millimeter großen Scheiben durch Edelstahlstifte vom Topf entkoppelt. Neben der besseren Wärmeabfuhr überzeugt die Anlage durch ein standfesteres Pedalgefühl als die des C 36. Nicht ganz so quicklebendig geriet die steife, aber etwas träge Lenkung. Dazu zeigen beide AMG-W202, dass sich die Ansprüche in puncto Fahrkomfort bei Sportlimousinen über die letzten zehn Jahre drastisch erhöht haben. Galten sie zu Lebzeiten als geschmeidig-komfortable Alternative zu BMW M3 und Porsche, wirken sie heute eher hölzern. Dennoch macht das Duo der 90er-Jahre keinen angestaubten Eindruck – zwei würdig gealterte Athleten.

Ein Kompressor bläst dem C 32 AMG 354 PS aus den Zylindern

Mercedes-Benz C 32 AMG
Kurz nach der Jahrtausendwende stehen mit dem C 32 AMG die Zeichen auf Sturm – unter der Haube. Zwangsbeatmung lautet die Devise. Der 2001 präsentierte V6 hat einen Kompressor, der zwischen den beiden Bänken des Motors aus dem zivilen C 320 haust. Statt 218 blasen nun 354 PS zum fröhlichen Kilometerfressen. Doch wie üblich geht der Eingriff in Affalterbach wesentlich tiefer. Ein verstärker Kurbeltrieb, robusterer Ventiltrieb und kräftigere Kolben gehören zu den lebenserhaltenden Maßnahmen. Das schicke Heck des bordeauxroten T-Modells Baujahr 2004 erinnert daran: Seit 1997 gibt es die AMG-C-Klassen auch als praktischen Kombi. Sportkombi trifft es im Falle des C 32 wohl eher. Kurvengeschlängel durcheilt er wesentlich flüssiger als die vorhergehenden Baureihen, die Lenkung reagiert feinfühliger auf Kursänderungen. Novum: die sogenannte Speedshift-Automatik. Bei flotter Gangart werden Gänge fahrdynamikfördernd gehalten, Schalten in der Kurve soll der Vergangenheit angehören. Allerdings bringt die emsig und geschliffen schaltende Einheit auch etwas unnötige Hektik mit sich und greift mitunter ein, wo es die 450 Newtonmeter souveräner könnten. Daher fühlt sich der C 32 zwar viel schneller, aber nicht unbedingt gelassener an als sein Vorgänger mit V8.

Im C 55 AMG tritt die Sportlichkeit sehr deutlich zutage

Mercedes-Benz C 55 AMG
Der V6-Kompressor läuft mit deutlicher hörbaren Gaswechseln etwas rauer, tritt aber sonst klanglich in den Hintergrund. Nur Hellhörige erkennen den Kompressor, nur Außenstehende werden mit sonor brummenden Auspufftönen beschallt. Sehr angenehm: der Komfort. Das kommod abgestimmte Sportfahrwerk hält samt 17-Zoll-Rädern trotz straffer Straßenlage die meisten Asphalt-Unzulänglichkeiten vom Fahrer fern. Wer es härter mag, wird im AMG Performance Studio, früher Manufaktur genannt, bedient. Geändertes Getriebesteuergerät mit verkürzten Schaltzeiten, Sperrdifferenzial oder Nürburgring-Fahrwerk machen ambitionierten AMG-Piloten den Mund wässrig. Als ginge es darum, das von den Vorgängern gezeigte Understatement aufzulockern, tritt der C 55 AMG ab 2004 deutlich aggressiver auf. Unter der um acht Zentimeter verlängerten Frontpartie brabbelt wieder ein V8 durch vier Auspuffrohre – allerdings wesentlich tiefkehliger als der des C 43. Die Überlegenheit großzügig bemessenen Hubraums zeigt sich im C 55 einmal mehr. Zwar objektiv mit 367 PS nur unwesentlich kräftiger als sein aufgeladener Vorfahre, hat der 5,5-Li-ter-V8 spürbar leichteres Spiel mit den 1635 Kilogramm und erweckt, mit dem knuspriger abgestimmten Fahrwerk, den Eindruck einer deutlich brachialeren Fahrmaschine – auf Wunsch sogar mit 400-PS-Kit, der später auch für den SLK 55 AMG Black Series verwendet wird, erzeugt durch Carbon-Gehäuse für Luftfilter und Luftmassenmesser, Fächerkrümmer und größerer Abgasanlage.

Die selbstbewusste Power-Show gipfelt im aktuellen C 63 mit Performance-Paket. Breite Backen und luftige Kiemen kündigen unverhohlen den ersten von AMG selbst entwickelten Motor an. 457 PS gieren nach Drehzahl, reißen stürmisch nach vorn. Ein infernalischer Soundtrack des 6,2-Liter-V8 wird von frechen Zwischengassalven der blitzschnellen Siebenstufenautomatik noch verstärkt. Mit Sperrdifferenzial- Unterstützung und bei völliger ESP-Entfesselung schwingt das Heck befreit die Hüfte. Formschöne Vielspeichenräder beatmen die Verbundbremse mit Nachdruck. Im Sportsitz konstatiert der Fahrer erfreut: Er ist wieder da, der Freimut von einst.

Von

Frank Wiesmann