C 63 AMG trifft seine Ahnen
Böse Buben

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Den praktischen 190er nannten wir 1982 liebevoll Baby-Benz – nicht ahnend, was die Edelschmiede AMG aus dem zweckmäßigen Mittelständler einmal machen würde. Ein Treffen mit den stärksten C-Klassen aus Affalterbach.
Samstagmorgen 1987, halb zehn in Deutschland, Tatort Waschplatz. Eifrig gleiten von Putzmittel getränkte Schwämme über die Außenhaut champagnerfarbener 190 D, um im nächsten Moment abrupt in den Eimer zurückzuplatschen. Der grimmigschwarz lackierte und üppig bespoilerte AMG 190 E 3.2 muss in der wohlgeordneten Mercedes-Welt schon fast blasphemisch gewirkt haben. 1987 wird die 234 PS starke Hubraumerweiterung für den Sechszylinder-190er erstmals von AMG angeboten. Vier Jahre später fährt der starke Baby-Benz als Komplettfahrzeug in die Hallen offizieller Mercedes-Händler. Nur etwa 200 Fahrzeuge werden gebaut. In Zeiten der Funkfernbedienung samt Start-Stopp-Knopf ist schon das schnöde Aufschließen des seltenen Exemplars eine Offenbarung. Der filigrane Schlüssel erweckt die pneumatische Zentralverriegelung zum Leben, leise surrend öffnen sich die Türschlösser. Kurz am in Wagenfarbe lackierten Bügeltürgriff gezogen, und der Fahrerplatz ist verfügbar – und weit weniger radikal, als die Außenhülle andeutet. Nach 148.000 Kilometern ist der Sportsitz etwas weich gedrückt, die Hände streicheln über eine erweiterte Zebrano-Holzausstattung inklusive Schalthebel.
Erst ab 4000 Touren geht im 190 E 3.2 so richtig die Post ab

Mit dem C 43 AMG kommt ein starker V8 in die C-Klasse

Bissig hängt der kleine V8 am Gas und untermalt die typischen, dezent sirrenden Ventiltriebsgeräusche der dreiventiligen M113-Motorserie mit brodelnden Nascar-Tönen. Großen Anteil an der gestiegenen Dynamik hat die elektronisch gesteuerte Fünfstufenautomatik. Zwar verwöhnt sie nicht mit tausend Schaltprogrammen und endlos vielen Stufen wie heutige Selbstschalter, bietet dem Triebwerk aber mit besseren Übersetzungen eine optimierte Spielwiese. AMG-Kenner wissen allerdings: Ab Sommer 1996 laufen bis zum Produktionsstopp 1997 die letzten Exemplare des C 36 ebenfalls mit Fünfstufenautomatik vom Band. Doch nicht nur die geballte Kraft des gestiegenen Hubraums macht den C 43 sportlicher. Die Bremsanlage bietet feinste Rennsporttechnik. An der Vorderachse sind die 334 Millimeter großen Scheiben durch Edelstahlstifte vom Topf entkoppelt. Neben der besseren Wärmeabfuhr überzeugt die Anlage durch ein standfesteres Pedalgefühl als die des C 36. Nicht ganz so quicklebendig geriet die steife, aber etwas träge Lenkung. Dazu zeigen beide AMG-W202, dass sich die Ansprüche in puncto Fahrkomfort bei Sportlimousinen über die letzten zehn Jahre drastisch erhöht haben. Galten sie zu Lebzeiten als geschmeidig-komfortable Alternative zu BMW M3 und Porsche, wirken sie heute eher hölzern. Dennoch macht das Duo der 90er-Jahre keinen angestaubten Eindruck – zwei würdig gealterte Athleten.
Ein Kompressor bläst dem C 32 AMG 354 PS aus den Zylindern

Im C 55 AMG tritt die Sportlichkeit sehr deutlich zutage

Die selbstbewusste Power-Show gipfelt im aktuellen C 63 mit Performance-Paket. Breite Backen und luftige Kiemen kündigen unverhohlen den ersten von AMG selbst entwickelten Motor an. 457 PS gieren nach Drehzahl, reißen stürmisch nach vorn. Ein infernalischer Soundtrack des 6,2-Liter-V8 wird von frechen Zwischengassalven der blitzschnellen Siebenstufenautomatik noch verstärkt. Mit Sperrdifferenzial- Unterstützung und bei völliger ESP-Entfesselung schwingt das Heck befreit die Hüfte. Formschöne Vielspeichenräder beatmen die Verbundbremse mit Nachdruck. Im Sportsitz konstatiert der Fahrer erfreut: Er ist wieder da, der Freimut von einst.
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