Reichtum befreit von allen Sorgen – meint das schwer schuftende Volk gerne. Doch auch die Reichen dieser Welt sieht man dann und wann mit tiefen Sorgenfalten auf der Stirn. Beispielsweise dann, wenn es um die Qual der Wahl des nächsten Automobils geht. Wer die Vielseitigkeit eines Geländewagens schätzt, seine Transportkapazität, die hohe Anhängelast, die Sitzposition, die Wetterunabhängigkeit, aber zusätzlich auf Autobahnspeed nicht verzichten will, liegt hier richtig. Denn bei diesem Vergleich treten die neuesten Tempoversionen von Mercedes und Porsche gegeneinander an. 510 PS aus einem 6,2 Liter großen Hochdrehzahl-V8 bietet der ML 63 AMG. Der Cayenne Turbo S kontert mit einem 4,5-Liter-V8, den zwei Turbolader auf 521 PS blasen. Die Motoren sind es auch, die beim Fahren den größten Unterschied zwischen den beiden Kraftprotzen ausmachen. Der Blick auf die technischen Daten oder die Leistungs- und Drehmomentdiagramme hilft kaum, um dem wahren Leben unter den mächtigen Motorhauben auf die Spur zu kommen. Der Theoretiker würde dem Turbo-Cayenne den Vorzug geben. Er bringt es schließlich auf 720 Nm Drehmoment bei nur 2750 Touren, während der Mercedes auf seine 630 Nm bei hohen 5200 Umdrehungen warten muss.

Mit beeindruckender Lässigkeit geht es auf Tempo 253 und mehr

Der Porsche also ein bäriger Kraftbulle, der Mercedes dagegen ein zickiges Rennpferd? Keineswegs. In Wahrheit liefert der Mercedes-Sauger genau das, was man von ihm erwartet: Kraft, viel Kraft – und zwar sofort. Der AMG-V8 reagiert bei jeder Drehzahl entschlossen und unerbittlich auf Bewegungen des Gaspedals. Jeder Befehl wird augenblicklich in Vortrieb umgesetzt, auch beim Ampelstart oder im dichten Innerortsverkehr. Anders der Porsche: Genau hier, im Stadtverkehr also, zeigt er seine Schwäche. Es dauert nach dem Gasgeben stets einen Augenblick, bis die beiden Turbos den Ladedruck aufgebaut haben. Dann erst geht es los. Dafür mit einer derartigen Vehemenz, dass man sich Sorgen um den armen Antriebsstrang macht. Der spontane Mercedes ist derweilen jedoch lässig einige Wagenlängen enteilt. Einen Vorsprung, den der Porsche auch mit der schieren Gewalt seines Turboschubes nicht mehr wettmachen kann. Sein zusätzliches Drehmoment verpufft in den 205 Kilogramm Mehrgewicht, die der bleischwere Porsche mit sich herumschleppen muss. Erst auf der komplett entvölkerten Autobahn oberhalb von 253 km/h, die der elektronisch begrenzte AMG-Mercedes mit beeindruckender Lässigkeit erreicht, zieht der unlimitierte Porsche Cayenne doch noch langsam vorbei.

Auf der Landstraße holt das Gewicht die monströsen PS-Zahlen ein

Geländewagen mit mehr als 500 PS fühlen sich auf der Straße so richtig wohl: Porsche Cayenne Turbo S und Mercedes-Benz ML 63 AMG sind mit ihren brachialen Maschinen ...
Geländewagen mit mehr als 500 PS fühlen sich auf der Straße so richtig wohl: Porsche Cayenne Turbo S und Mercedes-Benz ML 63 AMG sind mit ihren brachialen Maschinen ...
Ganz unterschiedlich auch der Klang der beiden Brocken. Der Mercedes-V8 wummert stets dezent bassig, geht ab 5000 Touren in ein hysterisches Hämmern über. Der Cayenne Turbo S dagegen summt zunächst harmlos, lässt erst bei Vollgas seine Turbolader wie einen monströsen Staubsauger blasen. So gewaltig die Motoren auch anschieben, wirklich geeignet für sportliche Fahrweise auf Landstraßen sind beide nur bedingt. Selbst der mit 2385 Kilogramm Leergewicht leichtere Mercedes fühlt sich bei schneller Kurvenhatz deplaziert an. Man kann zwar sehr flott fahren, ohne dass ein Gefühl von Unsicherheit aufkommt. Albern wird es aber doch, wenn man erkennt, dass der Fahrer eines aktuellen Golf GTI offenbar mühelos mithält, während man selbst in den Kurven den Gummi seiner teuren 20-Zoll-Reifen verschmort.
Beim 2590 Kilogramm wiegenden Porsche ist das nicht einen Deut anders. Da tröstet es, dass es auch alternative Fahrweisen gibt. Trotz einer gegenüber den preiswerteren Versionen strafferen Fahrwerksabstimmung bieten  beide immer noch befriedigenden Federungskomfort. So machen auch ausgedehnte Reisen Freude. Die immense Motorleistung ist dann Garant für gelungene Überholvorgänge und zügiges Marschtempo. Auf der Autobahn gefällt dann auch die Motorcharakteristik des Porsche. Denn hier sinkt die Drehzahl nie so weit ab, um ins Schwächetal der Turbos zu fallen. Auf beinahe identischen Grundabmessungen ergeben sich auch sehr ähnliche Innenraummaße. Der Mercedes nutzt jedoch den Platz etwas besser aus und lässt den Fondpassagieren mehr Knieraum. Der Porsche gefällt dagegen mit seiner niedrigeren Ladekante. Praktische Kombiheckklappen haben beide.

Wenn AMG draufsteht, dient Allrad nur der Beschleunigung

Nur auf befestigten Wegen in seiner Domäne: Dem stärksten ML fehlt das Geländepaket.
Nur auf befestigten Wegen in seiner Domäne: Dem stärksten ML fehlt das Geländepaket.
Den in beiden Fällen sehr effizient arbeitenden Allradantrieben ist es zu verdanken, dass die immense Motorkraft selbst auf nasser Fahrbahn problemlos in dramatische Beschleunigung umgesetzt wird. Der Porsche zeigt dabei keinerlei Abweichungen gegenüber seinen schwächeren Brüdern. Er kommt trotz serienmäßiger 20-Zoll-Sportreifen mit Geländeuntersetzung und Zentraldifferentialsperre daher – auf Wunsch sogar mit Hinterachssperre. Anders der Mercedes: Im ML 63 AMG sitzt ein gegenüber den gewöhnlichen M-Klassen abweichendes Verteilergetriebe. Statt 50:50 wird die Motorkraft 40:60 verteilt, mehr heckbetont also. Das soll beim Beschleunigen aus Kurven das Geredeausschieben des Vorderwagens lindern – tut es auch. Auf der Strecke bleibt dabei die bei den sonstigen M-Klassen bestellbare Geländeuntersetzung samt Differentialsperren. Mercedes geht offenbar davon aus, dass die wirklich Reichen fürs Gelände noch ein G-Modell in der Garage haben.

Fazit von AUTO BILD ALLRAD-Redakteur Martin Braun

Mit ihren fast schon unanständigen Benzinverbräuchen richten sich diesen beiden Super-Geländewagen nur an Super-Reiche. Der Mercedes gewinnt knapp nach Punkten, weil er den sportlicheren Motor mit dem günstigeren Preis kombiniert. Der noch teurere Porsche ist ein brachiales Autobahntier, weil dort die weniger harmonische Kraftentfaltung nicht stört.

Von

Martin Braun