Chevrolet Orlando: Dauertest
Ein dorniger Weg für den Orlando

—
"Alles nahezu perfekt", so steht's am Anfang des Fahrtenbuchs. Auf 100.000 Kilometern mit dem Chevrolet Orlando bleibt es aber nicht so.
Echt: Dieser Orlando ist das Letzte! Das letzte Modell von Chevrolet im AUTO BILD-Dauertest, denn die Marke zieht sich bis 2016 aus Europa zurück und macht GM-Tochter Opel den Weg frei. Aber das weiß noch keiner, als der Orlando 2011 in die Redaktion kommt, um eilige Blattmacher zu befördern. Er sieht fast jeden Winkel Deutschlands, surrt über niederländische Autobahnen und rumpelt über rumänische Schlaglochpisten. Das Kilometerfressen kann er auf den ersten Blick ganz gut, der Koreaner mit dem Ami-Logo am Bug. Auf langen Strecken fühlen sich die meisten Kollegen im Orlando wohl, bescheinigen dem Siebensitzer bequeme Sitze, viel Platz und ein dezentes Arbeitsgeräusch seines 163-PS-Diesels. Doch sobald die Piste furchiger wird, ärgern sie sich über eine hässliche Schwäche des Raumwagens.
Mehr zum Thema: Die komplette Dauertest-Rangliste
Der Van zeigt sich von seiner ungehobelten Seite

Der Chevrolet Orlando wird im südkoreanischen Gunsan produziert.
Gleiche Technik wie beim Opel Zafira Tourer
Irgendwann misst ein Mitglied der Testabteilung nach: Die Klimaanlage des Orlando muss auf vollen Touren heizen, um 21 Grad Raumtemperatur zu sichern. Jede Studentenbude muss laut aktueller Rechtsprechung wärmer werden. So aber wischt Redakteur Frank B. Meyer auf einer 300-Kilometer-Tour ständig die beschlagenen Scheiben sauber und notiert genervt, "dass die Umlufttaste wirklich nicht gedrückt war". Aber auch durch klares Glas würde Meyer nicht allzu viel sehen, denn schwach wie die Klimaanlage sind die Scheinwerfer. "Streifige Ausleuchtung, dunkle Flecken, viel Streulicht", meint Tester Manfred Klangwald – und reiht sich damit in die Riege der Redakteure ein, denen der Orlando altbacken vorkommt. Dabei teilt sich der GM-Raumkreuzer die technische Basis mit dem aktuellen Opel Zafira Tourer – auch der läuft im AUTO BILD-Dauertest, fällt aber mit keiner der Chevy-Schwächen auf.Klar, es geht mal wieder ums Geld. Chevrolet soll hierzulande mit preissensiblen Kunden flirten, die sich den teureren Opel nicht leisten können oder wollen. Tatsächlich bietet der Orlando für 26.530 Euro viel Auto fürs Geld: Das Automatikgetriebe, eine Anhängekupplung und Metalliclack sind schon mit eingerechnet. Doch es fehlt, was sich viele Langstrecken-Fahrer sehnlich wünschen: Navi, Sitzheizung und Tempomat. Den Geschwindigkeitsregler gibt es bei Testbeginn im Herbst 2011 nur gegen 1500 Euro Aufpreis in der höchsten Ausstattung LTZ. So viel zum Thema Sparen. Halt, eines noch: Auch der Wertverlust des Raumriesen fällt mit über 15.000 Euro üppig aus. So könnte der Korea-Ami wenigstens ein Geheimtipp unter den Gebrauchten sein – wenn er bombensolide wäre. Ist er aber nicht, weshalb er auf Platz 70 unseres Dauertest-Rankings landet. Schon bei rund 50.000 Kilometern muss eine gerissene Antriebswellen-Manschette gewechselt werden. Und bei Tachostand 71.000 geht die Heckklappe nicht mehr auf, weil der Druckschalter versagt.Schlimmer: Bei der finalen Zerlegung zeigt sich, dass die Sechsstufenautomatik stark gelitten hat. Auf dem Magneten im Getriebe haftet reichlich Abrieb und erklärt, warum sich die Kollegen erstmals bei Kilometerstand 40.000 über das Rupfen der Schaltbox beschweren. Besser wird das Symptom nicht, noch kurz vor Testende versucht es die Werkstatt mit frischem Getriebeöl für 354 Euro. Vergeblich. Chevrolet scheint das Problem zu kennen und empfiehlt bei stark beanspruchten Fahrzeugen den Getriebeölwechsel schon bei 75.000 statt 150.000 Kilometern. Ob die sichtbar mitgenommenen Kupplungslamellen so lange durchhalten würden? Fraglich. Die Schmach des Getriebeschadens bleibt dem Chevy jedenfalls erspart. Dieser letzte Gruß zum Abschied wäre nun wirklich das Letzte.
Alle Bilder zum Test und weitere Details zur abschließenden Untersuchung des Orlando sehen Sie in der Bildergalerie. Den komletten Artikel mit allen Daten und Tabellen gibt es im Online-Artikelarchiv als PDF-Download.
Fazit
Ja, der Orlando hat praktische Seiten: sieben Sitze, reichlich Platz, gute Übersicht, dazu ein kräftiger, leiser Diesel. Doch zu viele Details zeigen den Einfluss des Rotstifts. Die Automatik schaltete viel zu grob, die Klimaanlage konnte nicht ausreichend heizen, die Scheinwerfer erinnern an Oldtimer-Funzeln. Und dann musste der Chevi noch zweimal außer der Reihe in die Werkstatt: Da fällt der Abschied nicht schwer.
Service-Links