Männer, es ist so weit: Die Amerikaner packen endlich die Serienversion des neuen Camaro aus. Das Erstaunen über das Ergebnis dürfte sich in Grenzen halten: Eine seriennahe, äußerst fahraktive Vorabversion der Muscle-Car-Legende begeistert bereits seit 2006 die Jünger traditioneller US-Power. Im ersten Quartal 2009 soll der Retro-Renner zu den amerikanischen Händlern kommen, erst als Coupé, dann als Cabrio, so der derzeitige Stand. Die europäischen Camaro-Fans müssen sich etwas länger gedulden, so sie offiziell bedient werden wollen. Mit Herstellersegen wird der neue Chevy wohl frühestens im Sommer 2009 bei uns zu haben sein. Sei's drum, das Warten lohnt, denn was sich die Muscle-Car-Gemeinde erhoffte, hat Chevrolet umgesetzt: Der neue Camaro ist durch und durch der kulturelle und formale Erbe seines Vorfahren. Für alle künftigen Halter bedeutet das: Ärmel hoch, Ellenbogen raus, Backen aufblasen!

6,2 Liter Hubraum garantieren dem Renner eine Ausnahmestellung

Zwei Benziner stehen zur Wahl: Der "kleine" 3,6-Liter-V6-Motor bringt es auf glatt 300 PS (224 KW). Der Antrieb erfolgt traditionell über die Hinterrräder. Wem sechs Zylinder nicht reichen, der kann zur standesgemäßen Achtzylinder-Variante greifen. Die holt aus dem umweltverachtenden 6,2-Liter-Hubraum hulkige 422 PS – und kann ebenfalls über eine Automatik oder ein manuelles Getriebe auf die Straße losgelassen werden. Wer auch eine Etage tiefer Wert auf Größe legt: Die Räder gibt es wahlweise in 18, 19 oder 20 Zoll. Verankert sind sie vorn und hinten über Einzelradaufhängung. Vier innenbelüftete Scheibenbremsen sollen den Muskelprotz jederzeit aufhalten, bei der Sportversion RS greifen serienmäßig Vierkolben-Bremssättel ein. Sechs werksseitig montierte Airbags versprechen im Fall der Fälle zeitgemäße Sicherheit. Stabilitätskontrolle ("StabiliTrak") und Traktionskontrolle gibt es bei allen Modellen serienmäßig.

Puristische Front, moderne Motoren, Tasten im Handy-Style

Kommen wir zum Innenraum, genauer zum Cockpit: Zwei tief liegende Instrumente mit runden Anzeigen in quadratischen Gehäusen – das sind unverkennbar Zeugen der Vergangenheit, hier allerdings aufgepeppt mit Ambiente-Beleuchtung in LED-Technologie. Diskotüdelkram, zürnen Puristen, aber die Ambi-Light-Offensive haben wir auch schon dem Ford Mustang verziehen. Das Lederlenkrad bricht ebenfalls mit der Tradition: Multifunktionstasten in zwei der drei Streben, ein bisschen Komfort darf eben sein. Die Mittelkonsole gab es in ähnlicher Form bereits im 1969er Camaro: Vier quadratische, chromgefasste Instrumente zieren sie, allerdings nur gegen Aufpreis. Darüber: Bedienelemente im Handy-Style. Dazu passend: USB-Anschluss, Bluetooth-Schnittstelle und Audio-System von Boston Acoustics. Merke: Ein Camaro muss rocken. Und rappen!

Ein ziemlich mondäner Typ

Was Puristen freuen wird: Kleine Leuchten, schmaler Grill – die Front des Camaro strahlt die wilde Entschlossenheit der 70er Muscle Cars aus. Unter der Haube hat gleichwohl die Moderne Einzug gehalten: Die Motoren arbeiten mit Direkteinspritzung. Über den Verbrauch hat Chevrolet bislang keine Angaben gemacht ("TBD" heißt es in den Presse-Unterlagen – To Be Discussed?!). Wohl aber über das für Camaro-Freaks ebenso irrelevante Kofferraumvolumen: 320 Liter. Schau an. Spannender, nicht nur für Statistiker, die sonstigen Maße: 4,815 Meter gönnt sich der Camaro von vorn bis hinten – macht vier Zentimeter mehr als der direkte Konkurrent Ford Mustang beziehungsweise, nur mal so zur Einordnung, vier Zentimeter weniger als eine Mercedes E-Klasse. Ganz schön fett, auch in der Breite: 1,928 Meter. Fehlt die Falltiefe für Brieftaschen und andere Gegenstände, die auf dem Dach liegen gelassen werden: 1,365 Meter.
Chevrolet Camaro
Das Leergewicht gibt Chevrolet mit 1699 bis 1779 Kilo an – je nach Motorisierung und Getriebevariante. Welche Beschleunigungswerte die 366 bis 552 Newtonmeter dem US-Boy entlocken, hat Chevrolet bei der Camaro-Premiere in Detroit noch nicht verraten. Nur so viel: Unterm Strich ist er ein ziemlich mondäner Typ. Das Design des neuen GM-Hoffnungsträgers stammt aus den USA, die Konstruktion leitete GM Holden in Australien, für die Erprobung und Produktion zeichnet das kanadische GM-Werk in Oshawa verantwortlich. Und für den Erfolg? Sollen mittelfristig nicht nur  amerikanische, sondern Autofans in aller Welt sorgen. Zu wünschen wäre es dem angeschlagenen US-Riesen. Floppt der Camaro, hätte der einst mächtigste Autokonzern der Welt ein teures Problem mehr am Hals.

Von

Ralf Bielefeldt