VW Sharan: unangetasteter Bestseller

Zahlen sprechen oft die deutlichste Sprache. Obwohl der VW Sharan lange nach den Begründern der Van-Szene (Renault Espace und Chrysler Voyager) auf den Markt kam, ist er der unangetastete Bestseller: Rund 29.000-mal wurde er im vergangenen Jahr bei uns neu zugelassen. Das bedeutet Platz 30 unter den Top 100 aller Neuwagen – ein Spitzenergebnis. Weit abgeschlagen: der Rest des Van-Feldes, inklusive der Japaner und des europäischen Gemeinschaftsprojekts Eurovan. Deren Quote liegt bei nicht einmal zehn Prozent, bezogen auf den Sharan. Ist der Wolfsburger wirklich so unschlagbar gut? Und wie lange noch? Denn neue Konkurrenz fährt vor.

Ab Mitte September startet die zweite Generation der Eurovans (Gemeinschaftsprojekt von Citroën/ Peugeot / Fiat / Lancia). Aus diesen vier haben wir uns den Citroën C8 (hieß früher Evasion) herausgepickt. Dritter Vertreter im Vergleich: der MPV, den Mazda jüngst einer Renovierung unterzogen hat. Alle drei treibt ein Diesel an. Im C8 ein 2,2-Liter-Common-Rail mit 128 PS und – sehr lobenswert – Rußpartikelfilter. Im MPV arbeitet ein neuer Zweiliter (ebenfalls Common-Rail-Technik) mit 136 PS. Nur der VW fährt leistungstechnisch hinterher: nur 115 Pumpe-Düse-PS. Dabei liegt im Konzernregal eine 130-PS-Variante, die die Mehrleistung lediglich über eine geänderte Software erhält.

Natürlich sind die Erwartungen an einen Van des Jahrgangs 2002, wie den C8, entsprechend hoch. In Sachen Variabilität und Raumkonzept muss er den Ton angeben, sonst hätten seine Konstrukteure ihren Job verfehlt. Dass dazu zwei seitliche Schiebetüren gehören, versteht sich von selbst. Gegen Aufpreis von 700 Euro in der SX-Ausstattung sind sie sogar elektrisch zu öffnen und zu schließen. Weitere 570 Euro braucht der C8-Fahrer, möchte er zwei zusätzliche Sitze in der dritten Reihe installieren, die den Van zum Siebensitzer machen. Über ein patentes Schienensystem im Boden können alle fünf Einzelsitze leicht herausgenommen werden. Leider quittierten zwei Sitze schon während des Tests ihren Dienst, rasteten beim Zurückklappen nicht mehr ein. Der Boden selbst ist topfeben, 2948 Liter Ladevolumen stehen maximal zur Verfügung. Das ist Bestwert in diesem Vergleich.

Umständlicher Sitzausbau im Mazda MPV

Wer den C8 nach hinten besteigt, glaubt anfangs, ausgiebige Platzverhältnisse vorzufinden. Irrtum! Um in die dritte Reihe zu gelangen, müssen erst einmal die Sitze der Reihe eins und zwei nach vorn geschoben werden, also Fahrer oder Beifahrer jedes Mal mit aussteigen – das ist natürlich viel zu umständlich. Insgesamt ist der Knieraum zwischen den Reihen zu eng. Und ganz hinten sitzen allenfalls Kinder bequem. Gut ist hingegen die Idee, dass zwei zusammengeklappte Sitze auf einem Schienenstück Platz finden und so seitlich Raum für größeres Gepäck bieten. Tribut: Der Sitz davor wird dabei zum Dekostück, Platz gleich null.

Beim Mazda geht der Ärger schon los, sobald man die Sitze ein- und ausbauen möchte. Das Einrast-System ist so umständlich konstruiert, dass es viel Übung, Kraft und Geschick benötigt. Ein Blick in die Bedienungsanleitung (schlecht bebildert) sagt, warum: "Bitten Sie zum Herausnehmen des Sitzes jemanden um Hilfe.“ Vielen Dank, liebe Ingenieure. Passagieren für die dritte Reihe fällt es sogar noch schwerer, an Bord zu gehen als beim Citroën, Schiebetür hin oder her. Es ist so eng, dass es fast leichter fällt, übers Heck einzusteigen. Immerhin: Einmal Platz genommen, genießen MPV-Insassen jedoch etwas mehr Beinfreiheit als im C8.

Wie problemlos das Ein- und Aussteigen sowie das Handling der Sitze gehen kann, zeigt Altmeister Sharan – und dies trotz konventioneller Schwingtüren: Ein paar Hebel gezogen, ruck, zuck sind die Sitze draußen – und genauso leicht und schnell wieder eingebaut. Und dies ohne Verrenkungen und ohne die anderen Sitze nach vorn zu schieben. Lediglich Knie- und Kopffreiheit in der dritten Reihe sind knapp, damit für Erwachsene kaum zu empfehlen.

Die beste Ausstattung hat der Citroën

Hinter dem Lenkrad bietet der C8 das beste Raumgefühl sowie das modernste Design (Armaturen mittig unterhalb der Scheibe). Allerdings sind seine Uhren schlecht ablesbar. Wesentlich nüchterner sind die Cockpits von Sharan und MPV. An ihrer Bedienbarkeit indessen ist objektiv nichts auszusetzen. Sehr familienfreundlich im Citroën sind der zweite Innenspiegel (Panoramablick), um den Nachwuchs im Augen zu behalten, die sechs Ablagen für große Trinkflaschen (beim Mazda nicht eine Ablage), die Handbremse links am Fahrersitz und der Schalthebel oben im Armaturenbrett. Dadurch bleibt der Raum zwischen den Sitzen frei, kann besser genutzt werden. So ist auch das Durchgehen nach hinten möglich.

Erstaunlichen Komfort bieten die Antriebe. Sie beweisen einmal mehr, dass auch in der Van-Klasse der Diesel der bessere Motor ist: durchzugsstärker und wirtschaftlicher als jede Benzinvariante. Bereits aus niedrigen Drehzahlen liefern alle drei Direkteinspritzer gute Elastizität, wobei der Mazda erst ab 2000 Touren zur Sache geht. Das kommt besonders im Stadtverkehr unangenehm rüber, weil häufig in den zweiten Gang zurückgeschaltet werden muss. Der Grund dafür liegt in der unglücklich gewählten Übersetzung. Wichtiger natürlich für den Alltagsbetrieb: der Verbrauch. Hier spart der Sharan, obwohl am schwersten, mit 7,4 Litern am meisten (Citroën 8,4 Liter, Mazda 8,1 Liter). Äußerst spendabel zeigt sich der C8 bei der Ausstattung. So gehören sogar ein Radio mit CD und Kopf-Airbags vorn und hinten zum Serienumfang. Wie auch ESP, ASR (ebenso wie Sharan) und der Bremsassistent BAS. Hightech-Elemente, die es beim Mazda noch nicht einmal gegen Geld und gute Worte gibt. Dabei braucht gerade der Japaner das ESP, denn in der Testdisziplin "Ausweichverhalten" forderte sein Fahrwerk die ganze Kunst des Testers.

Insgesamt liefert der C8 als komplette Neukonstruktion einen guten Einstand, überzeugt mit harmonischem Fahrverhalten, leichter Schaltung, ruhigem Motor und sehr guter Ausstattung mit pfiffigen Details. Wünschenswert als Option wäre ein Automatikgetriebe (bietet für den Diesel nur der Sharan). Der Mazda erreicht insgesamt nicht das Niveau des Citroën, sammelt seine Minuspunkte im Kapitel Verarbeitung und über das problematische Fahrverhalten im Grenzbereich. Zudem nervt er mit seinen Sitzverankerungen. Altmeister Sharan zeigt einmal mehr, warum er die Nummer eins in Deutschland ist: Gut durchdacht, sauber gemacht, handlich zu fahren, leicht zu bedienen und auch noch sparsam im Verbrauch. So gesehen, ist eigentlich alles beim Alten. Auch wenn hier der Citroën knapp siegt.

Fazit und Technische Daten

Fazit Wenn neu auch immer gleich besser bedeuten würde, müsste der Citroën mit großem Abstand gewinnen. Tut er aber nicht. Denn bei der Variabilität bietet er, bis auf das Schienensystem im Boden, nichts wirklich Neues. Doch hatte ich in ihm das beste Raumgefühl und den meisten Komfort. Beim Mazda stören mich die umständlichen Sitzverankerungen und dass es nur Becher-, aber keine Flaschenhalter gibt. Erstaunlich, dass Kollege Sharan trotz seines Alters und auch ohne Schiebetüren einen überzeugenden Eindruck hinterlässt. Er müsste nur etwas günstiger sein.

Wertung und Endergebnis

Wir orientieren uns am Maßstab. Heißt: Das jeweils meistverkaufte Modell in Deutschland markiert in jedem Kapitel 100 Prozent. Für diesen Vergleich bedeutet das: Maß der Dinge bei den Vans ist der VW Sharan, hier in der Wertung als TDI mit 115 PS. In den jeweiligen Kapiteln zeigt sich, ob die neuen Herausforderer Citroën und Mazda besser oder schlechter abschneiden als der Marktführer Sharan. So können Sie Ihren persönlichen Favoriten küren.