Die Revolution frisst ihre Kinder. Und zwar seit 1. Oktober 1955. Damals präsentiert Citroën auf dem Pariser Salon die DS – eine automobile Revolution mit Servolenkung, Halbautomatik, Luftfederung und einer solch futuristischen Karosserie, dass die DS noch in den 80er-Jahren in amerikanischen Science-Fiction-Streifen die Mobilität des Jahres 2030 verkörpern kann. Seit jenem Samstag im Oktober 1955 jedenfalls wird jedem neuen Citroën vorgeworfen, nicht so avantgardistisch zu sein wie einst die DS. Aber jetzt will einer zurückbeißen. Nach dem DS3 trägt der DS4 als zweites Modell die legendäre Zusatzbezeichnung, die sich heute jedoch mit stilistischer Extravaganz bescheidet.

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Citroën DS4: Test

Flotter Golf-Gegner im Test

Die konventionelle Technik des C4 verkleidet nun eine unkonventionellere Hülle. Sie versucht mit versteckten Fondtürgriffen und der flachen Dachlinie, Coupéelemente mit SUV-Anleihen wie der leichten Höherlegung und den großen Radläufen zu verbinden. Auf den Trick mit den Türgriffen aber fällt seit gut zehn Jahren niemand mehr herein. Und alles Chichi ändert nichts am Grundlayout des DS4, der mit 4,28 Metern Länge, vier Türen und großer Heckklappe die Kompaktklasse herausfordert. Na, Golf, altes Haus, eingeschüchtert? Eher nicht. Was er macht, erinnert an Filme mit Bud Spencer. In eigentlich jedem davon gibt es eine Prügelei mit asiatischen Kampfsportlern, die eine halbe Minute mit großem Geschrei vor Buddy herumfuchteln, bis der ihnen kurz eins auf die Omme drischt, sodass sie auf den nächsten Billardtisch fliegen. Ähnlich schlagkräftig reagiert der Golf: Jeden Anflug von Avantgarde kontert er mit unparierbarer Funktionalität. Als flippigstes Detail leistet er sich ein VW-Emblem, das zugleich den Kofferraum entriegelt.

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VW Golf
Keine Chance für den Franzosen: An die Qualität des Golf reicht der DS4 nicht heran.
So hat der schlecht überschaubare DS4 im Karosseriekapitel keine Chance. Am Kofferraum stört die hohe Ladekante und der kleine Ausschnitt der Klappe. Wegen der Karosserieform fällt der hintere Türausschnitt eng aus, auf der Rückbank mit steiler Lehne hocken Erwachsene unbequem und aufgrund kleiner Fenster dunkel. Außerdem lassen sich die Scheiben nicht runterfahren. Vorn dagegen wirkt der Citroën loftig. Das liegt an der leicht erhöhten Sitzposition und der ins Dach gezogenen Frontscheibe. Sie bringt Licht in den DS4 und weitet den Blick des Fahrers bis auf Baumwipfel. Bei zu viel Sonne verdunkeln Schiebeblenden das Aussichtsfenster. Der Golf integriert seine Passagiere tiefer ins Auto, bietet auch im Fond viel Platz und hervorragende Sitze. Zudem weist der Testwagen eine solch überragende Verarbeitung auf, dass kleine Detailmängel und Knistereien des an sich geschmackvoll eingerichteten und gut zusammengebauten Citroën umso mehr auffallen.
Ähnliches gilt für die Fahrwerke. Mit optionalen adaptiven Dämpfern (975 Euro) liegt der Fahrkomfort des Golf auf dem Niveau der Oberklasse, dabei bewahrt sich der VW sehr sichere Fahreigenschaften, ohne die Agilität zu vernachlässigen – freundlich unterstützt von seiner präzisen, rückmeldungsstarken Lenkung. Höherer Schwerpunkt und schwächere Dämpfung bringen den DS4 in Kurven ins Schunkeln, zudem mindert die wenig exakte, stößige und gefühllose Lenkung die Agilität. Außerdem federt der Citroën herber. Sein Diesel brummt auch stärker, wobei der 1,6-Liter-Motor bissiger anspricht. Das liegt vor allem an der kurzen Spreizung des exakten und passend abgestuften Sechsganggetriebes.
Der Golf gibt sich zurückhaltender in Ton und Temperament. Seine Fünfgangbox lässt den TDI mit weiten Gangsprüngen oft ins Laderloch fallen. Das bleibt ohne negative Auswirkungen auf den Verbrauch – da liegen die beiden Kontrahenten gleichauf –, stört aber vor allem in der Stadt, wo der dritte Gang meist zu kurz, der vierte aber oft zu lang ist. Auf der Autobahn dagegen passt es wieder. Da zieht der Golf dem DS4 locker davon. An den stämmigeren Citroën brandet der Wind hemmender und lauter. Obwohl er als Highline ausstattungsbereinigt knapp 1300 Euro teurer kommt als der DS4 SoChic, gewinnt der Golf das Kostenkapitel. Als Evolutionsstufe 6.0 kann ihm der DS4 also nichts anhaben. Was Citroëns DS-Erbe angeht, fällt eine neue Revolution aus. Mal wieder.

Fazit

von

Sebastian Renz
Überrascht sind wir sicher alle nicht, dass der Golf gewinnt. Eher schon, dass sein Vorsprung so groß ausfällt. Das liegt daran, dass er als 1.6 TDI Highline nicht nur sparsam und temperamentvoll, sondern auch sehr hochwertig und komfortabel daherkommt. DS4-Fans sollten sich davon nicht entmutigen lassen. Denn mit Panoramascheibe, hoher Sitzposition und dem besonderen Design ist er, was der Golf niemals sein wird: ein Gesicht in der Menge. 

Von

Sebastian Renz