Haben Punto manchmal Albträume?

Eltern kleiner Kinder kennen das: Mitten in der Nacht steht die fünfjährige Tochter am Bett der Eltern, vermisst ihren Kuschelbären. Gesucht, gefunden. Gerade wieder eingeschlafen, weckt uns prompt ihre kleine Schwester. Noch mal auf Bärensuche? Nein, ihr ist kalt, sie hat Durst oder einfach nur schlecht geträumt. So ist das halt mit den lieben Kleinen. Ganz ähnlich erging es uns mit unserem Junior aus Turin.

Den kleinen Dauergast Punto, mit munteren, mehr als nur stadt-tauglichen 60 PS und SX-Ausstattung, nahmen wir am 21. Januar 2001 in unsere Obhut. Und von Anfang an benahm er sich wie einer dieser nimmermüden Zwerge, quengelte am laufenden Band. Seine schrillen Alarm-Hupen tuteten natürlich stets im falschen Moment – und mit Vorliebe mitten in der Nacht! Haben Punto etwa Albträume?

Wir jedenfalls bekamen sie. Denn nach den ersten nächtlichen Störungen durch die Alarmanlage (die übrigens nur einer von 100 Kunden bestellt) wussten wir nicht, ob das nur ein Schönheitsfehler war oder ob in dem Fiat weitere Macken steckten. So tauchten plötzlich wie dunkle Wolken am Horizont alte Vorurteile wieder auf, unter denen Fiat-Automobile lange litten. Dabei sollten die als längst abgehakt gelten. Denn Fiat hat viel unternommen, um sein mieses Image aufzupolieren. Gerade beim Punto.

Ein Body-Computer machte Zicken

Als der Punto im Herbst 1993 als Nachfolger des Uno kam, setzte er neue Akzente beim Design, bei Raumausnutzung sowie bei der passiven Sicherheit. Fahrer- und Beifahrerairbag gab es bei allen Modellen von Beginn an ab Werk, ebenso ABS bei den hochwertigeren Versionen. Viel Aufwand, der beim wichtigsten Fiat-Modell nur allzu verständlich ist. Bis heute ist der Punto das Rückgrat der Turiner. Kein anderer Fiat verkauft sich zurzeit besser.

Gänzlich zufrieden kann der deutsche Importeur allerdings mit dem Absatz nicht mehr sein. 2002 entschieden sich zwar immerhin noch 37.276 Kunden in Deutschland für einen Punto, doch in den besten Jahren (95/96) sind es ja mal über 60.000 gewesen. Wer nun glaubt, dass Händler und Werkstätten mit Eifer, Motivation und Engagement ihren Quotenbringer wieder nach vorn pushen, sieht sich getäuscht. Zumindest in unserem Fall war das so.

Was unser betreuender Händler, das Fiat Centro Hamburg, mit dem Dauertest-Punto anstellte, grenzt schon an Boshaftigkeit. Das Centro erhielt mehrfach Gelegenheit, dem Alarmanlagen-Alarmanlagen-Spuk ein Ende zu bereiten. Erfolg? Absolut null! Lapidar stellte ein Mechaniker fest, das Übel stecke im Rechner und in zu sensiblen Sensoren. Ach so. Achselzucken auch beim Importeur. Der veranlasste zwar, dass die Sirene getauscht wurde, doch auch das brachte nichts – der falsche Alarm ging weiter.

Sieben Mal brannte die Lampe durch

Erst kurz vor Testende, bei der 80.000er-Inspektion, wurde der "Body-Computer" ausgewechselt. Das ist der Rechner, der die Alarmanlage steuert. Diese letzte Maßnahme brachte endlich den erwünschten Erfolg. Der Punto blieb von nun an stumm wie ein Fisch. Das ganze Theater hätte sich Fiat sparen können. Bereits seit Ende 2000 liegt den Werkstätten eine Anweisung vor, sich bei Störungen der Alarmanlage gleich an den Importeur zu wenden. Der berät, wie repariert werden soll – oder ob der Body- Computer getauscht wird. Doch was nützt das schönste Rundschreiben, wenn es niemand liest?! Peinlich, peinlich.

Wahrscheinlich liegt es daran, dass Fiat-Werkstätten so überlastet sind. Sie müssen es sein, denn anders ist es nicht zu erklären, dass das Centro Hamburg den Tausch einer Abblendleuchte statt sofort erst drei Tage später ausführen wollte. So lange mochte der Kollege dann doch nicht warten – und tauschte die Lampe selber. Die entsprechenden Handgriffe beherrscht er inzwischen im Schlaf, denn im Laufe der Zeit brannte die Glühlampe sieben (!) Mal durch.

Grund: kurzzeitige Überspannungen. Woher die kommen, weiß niemand. Daher montiert Fiat nun vorsichtshalber Kabelbrücken mit einem Widerstand. Und schon brennt nichts mehr durch. Unbürokratisch und kostenlos beseitigte Fiat einen weiteren Mangel an den Frontscheinwerfern: Wegen unzureichender Entlüftung des Scheinwerfergehäuses drang Feuchtigkeit in die Lampe, die Scheinwerfergläser beschlugen daraufhin von innen. Nachdem Fiat Anfang 2002 die Abdeckung des Lampendeckels änderte, ist das vorbei.

Was heißt Erstausrüster-Qualität?

Neben diesen – kleinen, aber ärgerlichen – Unpässlichkeiten machte unser Dauertest-Punto einen sehr gesunden Eindruck. Bis auf Verschleißteile wurde nichts Wesentliches gewechselt. Die vorderen Bremsklötze waren nach 43.113 Kilometern fällig, bei km-Stand 59.510 dann auch die Bremsscheiben. Fiat gibt für die Scheiben eine Haltbarkeit von 60.000 bis zu 80.000 km an. Der frühe Tausch an unserem Punto mag von etwas forscherer Fahrweise herrühren.

Indizien dafür sind unser erhöhter Verbrauch von 7,6 Litern über den gesamten Dauertest sowie der Nachfüllbedarf an Motoröl von 10,75 Litern. Fraglich aber, ob es auch am Fahrstil liegt, dass die Klötze an den neuen Bremsscheiben keine 30.000 km hielten. Es könnte ebenso an schlechterer Qualität der Ersatzteile liegen. Was Fiat ausschließt, weil "generell Ersatzteile in Erstausrüster-Qualität verbaut werden", so Fiat-Mitarbeiter Jassin Ramezan.

Doch was heißt schon Erstausrüster-Qualität? Laut Fiat müssen Zahnriemen und Spannrolle erst nach 120.000 Kilometern gewechselt werden. An unserem Punto war das bereits bei der zweiten großen Inspektion, bei Tachostand 43.480, nötig. Die Ursache dafür war eine defekte Wasserpumpe. Die Reparatur erfolgte im Rahmen der Garantie kostenfrei. Ansonsten mussten wir die Garantie nicht in Anspruch nehmen.

Punto-Schwachstelle

Nicht ein einziges Mal ließ uns der Punto während des Marathons im Stich. Die Kollegen lobten die knuffige Form, das üppige Platzangebot, die straffen, bequemen Sitze sowie den für einen Kleinwagen hohen Fahrkomfort. Unsere Kolleginnen waren vom City-Modus begeistert, der Lenken und Rangieren in der Stadt auf Knopfdruck zusätzlich erleichtert. Leichtgängig und präzise auch die Schaltung. Das scheint nicht immer so zu sein. So finden sich im AUTO BILD-Kummerkasten Klagen von Lesern über hakelige Getriebe oder sogar Schäden am Antrieb.

Das einzige Problem, das wir am Antrieb feststellen mussten, war ein quietschendes Kupplungspedal. Bis auf solche Kleinigkeiten spulte der Punto sein Pensum klaglos ab. Die alten Vorurteile allem Frauen. weiblich von Unzuverlässigkeit und Pannen – alles falscher Alarm. Und bei der Rostvorsorge liefert Fiat heute sogar Top-Qualität. Der Blick in die Hohlräume zeigte auch in den hintersten Ecken makelloses, absolut neuwertiges Blech.

So bleiben als einzig wahre Schwachstelle des Punto seine Werkstätten. Beispiel Ölwannendichtung. Sie wurde bei der 40.000er-Inspektion gewechselt. Doch schon bei der nächsten Wartung musste die Ölwanne neu abgedichtet werden. Weil der Mechaniker zuvor nicht ordentlich gearbeitet hatte. Gleiches gilt für das vergammelte Wischergestänge oder die korrodierten Batterieklemmen. Hier hätte ein wenig mehr Aufmerksamkeit bei nur geringem Aufwand (Sprühöl) dem Rost keine Chance gegeben. Dass eine Werkstatt solche Dinge so gleichgültig verkommen lässt, grenzt für Jassin Ramezan schon an Arbeitsverweigerung. Recht hat er.

Technische Daten und Wertung

Keine großen Patzer, aber eine defekte Wasserpumpe und ein getauschtes Wischergestänge sowie zahlreiche kleine Mängel (Alarmanlage, Ölwannendichtung, Zündkabel) ruinieren die Platzierung. Nur der Audi A2 war im AUTO BILD-Dauertest schlechter.

Preise und Kosten

Preislich liegt der Fiat Punto auf dem Niveau des Dauertest Toyota Yaris 1.3. Die Kosten pro Kilometer sind fast identisch. Aber: Der Yaris war mit 86 PS stärker und hatte weniger Mängel.