Weder Billigheimer noch Exot

Fairplay ist unsere Devise. Keine Tiefschläge, Fakten sammeln. Nach dieser Selbstverpflichtung wurden bei uns stets alle Autos getestet ganz besonders aber der erste Koreaner, der bei AUTO BILD auf Dauertest-Distanz ging. Das war vor gut zehn Jahren und es war ein Hyundai Lantra.

Damals noch ein absoluter Exot. Er sollte beweisen, dass er "mehr ist als ein billiges Weichei mit großer Klappe". Resultat: Er schaffte die 100.000-Kilometer-Distanz nicht. Schon vorher angeschlagen, ging er kurz vor Schluss k. o. Schuld war die Werkstatt, die ihm falsche Zündkerzen verpasst hatte. Generalprobe vermasselt. Der Lantra trat damals als Billigheimer an: 24.540 Mark für eine voll ausgestattete viertürige Limousine mit 114 PS waren ziemlich konkurrenzlos.

Zum Start unseres Elantra am 15. März 2002 sah das ganz anders aus: Den Status des Billigheimers und Exoten ist Hyundai längst los, das belegen die Zulassungszahlen. Und mit einem Grundpreis von 17.190 Euro war ein Elantra 1.6 GLS zwar immer noch günstig, aber kein Discount-Angebot mehr.

Null Ausstrahlung, aber einladende Maße

Mit Extras wie Grundig-CD-Radio (255 Euro), Metalliclack (340 Euro) und Comfort-Paket (1740 Euro) kostete unser Testwagen 19.525 Euro. Zum Vergleich: Einen Ford Mondeo Ambiente 1.8 mit 110 PS gab es Anfang 2002 auch schon ab 19 925 Euro. Wer sich preislich so dicht an die deutsche Konkurrenz heranpirscht, weckt Erwartungen. Konnte der Elantra sie erfüllen?

Vom Start weg war klar, dass so etwas nicht so einfach funktioniert. Es fängt schon damit an, dass der Elantra optisch nicht gerade ein Reißer ist. Muss er sicher auch nicht sein, denn Hyundai-Kunden sind offensichtlich andere Werte wichtiger. Trotzdem: Gerade jüngere Kollegen fanden das Design "langweilig" mit "null Ausstrahlung". Auch das Interieur bekam sein Fett weg: "Wie ein Toyota von 1985", meinte Redakteur Matthias Moetsch im Fahrtenbuch.

Anders sah es dagegen bei den weniger subjektiven Faktoren aus wie Platzangebot, Kofferraum, Ausstattung. "Mehr Platz brauchen wir nicht, der Gepäckraum ist mit der großen Heckklappe richtig einladend", notierte Familienvater Roland Bunke. Allerdings öffnet diese Klappe nicht hoch genug lange Kerls stoßen sich beim Einpacken leicht den Kopf. Hyundai will solche "typisch europäischen Bedürfnisse" in Zukunft mehr berücksichtigen.

Triebwerk mit rauen Umgangsformen

Auch technisch sind die Koreaner noch nicht ganz in Europa angekommen. Einerseits gefiel der 1.6-Vierzylinder (107 PS) mit guter Leistungsausbeute, spontaner Gasannahme und einem Verbrauch zwischen 7,8 und 8,6 Liter Normalbenzin. Kein Wunder also, dass 59 Prozent der Käufer diesen Motor wählen.

Andererseits aber missfiel das Triebwerk durch raue Umgangsformen. Es dröhnte und brummte bei mittleren, besonders aber bei hohen Drehzahlen unangenehm. Lautstärke und Akustik ab Tempo 160 erinnerten einige Kollegen an Propellerflugzeuge längst vergangener Tage. Offenbar sind nicht nur wir von den schlechten Umgangsformen des Motors enttäuscht. Hyundai weiß um die Schwäche und versucht inzwischen, das Problem mit einer besseren Dämmung zu lösen.

Der Motor steht damit als gutes Beispiel für den Charakter dieses Hyundai: "Der Elantra erfüllt zuverlässig seine Aufgaben, mehr aber auch nicht", resümiert Redakteur Roland Löwisch und will damit sagen: Eine Portion mehr Emotionen könnte der Elantra schon vertragen. Sicher, das muss jeder für sich entscheiden, aber im Grunde trifft das Elantras Kern: Er ist eine ehrliche Haut, es fehlt eben nur an vielen Stellen der Feinschliff. Oder die Erfahrung? Vergessen wir nicht: Hyundai ist erst 1991 bei uns gestartet da wurden in Deutschland schon fast 100 Jahre Autos gebaut.

Keine Pannen, nur Kleinigkeiten

Beispiele für konkrete Kritik: Der Elantra liegt sicher auf der Straße, die schwammige Lenkung vermittelt aber zu wenig Fahrbahnkontakt. Die stoßige Federung bietet eindeutig zu wenig Komfort. Die Klimaautomatik ist gut zu bedienen, sie schafft es aber nicht, den Innenraum zugfrei zu belüften. Die Sitze sind bequem, die Sitzheizung hat aber viel Mühe, die Lederpolster im Winter schnell auf Temperatur zu bringen. Auch gibt es nur die An/Aus-Funktion und keine Stufenregelung. Die Bedienung ist absolut logisch nachts aber strahlen drei verschiedene Farbtöne hell ins Cockpit: Rundinstrumente, Radio und Klimaautomatik sind unterschiedlich beleuchtet (im Übrigen einer der meistgenanntenSchwachpunkte des Elantra).

Sicherlich alles Punkte, die im Einzelnen nicht wirklich vom Kauf eines Elantra abschrecken. In der Summe aber zeigen sie, dass Hyundai noch nicht die Routine und Professionalität beim Autobau besitzt wie beispielsweise die Japaner. Oder sehen wir es positiv: Es sind nur Kleinigkeiten, an denen die Koreaner feilen müssen.

Beim Thema Zuverlässigkeit erreicht Hyundai schon heute annähernd Nippon-Qualität. Den strapaziösen Dauertest jedenfalls absolvierte der Elantra ganz entspannt. Kein K. o., kein Totalausfall, nicht mal eine Reifenpanne. Der doppelte Blackout der beiden Abblendlicht-Glühlampen (km 42.531 und 78.950) war da schon ein Großereignis.

Der Rest fällt unter Peanuts. Zum Beispiel knackten ab Kilometer 13.459 die Bremsen die Anlage wurde bei der folgenden Inspektion abgefettet. Auch eine gerissene Batterieabdeckung (Kilometer 46.097) oder neue Bremsklötze vorn (km 59.083) geben nicht wirklich Grund zur Sorge. Dann flackerte ab und zu noch die Airbag-Kontrollleuchte das war es aber auch schon an Defekten.

Nach 50.000 km Alterserscheinungen

Der Elantra hielt also problemlos, offenbarte aber etwa ab Hälfte der Distanz zunehmend Alterserscheinungen: "Kunststoffe und Leder sehen an vielen Stellen schon richtig schäbig aus", wunderte sich Redakteur Bozo Furkes bei Kilometerstand 59.093. Etwa ab Kilometer 65.000 startete der Motor dann nicht mehr auf Anhieb, brauchte manchmal zwei, drei Versuche.

Ab km 75.000 häuften sich Beschwerden über eine zittriger gewordene Karosserie, auch das Fahrwerk wirkte noch polteriger als zu Beginn des Dauerlaufs. An den hart abrollenden Hankook-Reifen (Sommer- wie Winterpneus) will Hyundai aber weiterhin festhalten. "Unsere Autos werden bei der Entwicklung darauf abgestimmt. Wir sind zufrieden, die Reifen erfüllen alle unsere Ansprüche", verteidigt Hyundai-Kundendienstchef Eberhard Niering die koreanischen Gummis.

Der Mann braucht sich keine Sorgen zu machen: In unserer Zuverlässigkeits-Rangliste schiebt sich der Hyundai auf den siebten Platz punktgleich mit dem Audi A6 Avant und drei Plätze vor den Kombi-Mercedes C 220 CDI (Heft 1/2004).

Technische Daten und Wertung

Schöner Erfolg, kein Vergleich zum Desaster von 1993. Damals hatte der Lantra bei km 98.301 schlappgemacht. Elf Jahre später lautet das Urteil: Hyundai ist auf dem richtigen Weg. Nach oben.

Preise und Kosten

So zuverlässig wie unser Dauertest Audi A6 Avant, aber mit 25 Cent Kosten pro Kilometer inklusive Wertverlust genau halb so teuer.