Dauertest Mercedes E 320 CDI T-Modell
Guter Draht ist teuer

—
Ein T-Modell für 75.000 Euro: vollgestopft mit High-Tech und Elektronik. Was kommt am Ende dabei raus – ein traumhafter 100.000-km-Dauertest oder ein Alptraum-Ergebnis für Mercedes?
Aller Fortschritts-Gläubigkeit zum Trotz: Irgendwo im tiefen Inneren unserer geistigen Festplatte steckt immer noch ein Chip voller Skepsis vor der unsichtbaren, aber allgegenwärtigen Elektronik. Das gilt für Flugzeuge ebenso wie mittlerweile für unsere Autos. Grund genug, mal einen Dauertestwagen zu bestellen, der sogar unsere Computerspiel-Generation im Fahrtenbuch zweifeln ließ: "Würde mich sehr wundern, wenn diese ganze Technik den Dauertest ohne Probleme übersteht." (Tester Gunnar Heisch). Der nagelneue E 320 CDI T Elegance, der im Dezember 2003 vor unserer Redaktion stand, hatte fast alles drin, was die Aufpreisliste draufhat. Neben der serienmäßigen SBC-Bremse erleichterten uns so viele elektronische Heinzelmännchen das Leben, daß der Basispreis von 46.284 Euro ruck, zuck auf 75.145 Euro kletterte.
Der E 320 CDI T ist ausgestattet wie eine S-Klasse

Der Antrieb sorgt für Begeisterung
Freute sich Redakteur Joachim Staat: "Nicht Hubraum geht über alles, sondern Newton und seine Meter." In der Tat, das Drehmoment des wuchtigen Diesels von 500 Nm schon bei 1800 Touren erlaubt sanftes Rollen, bei Bedarf aber krallen sich die Profilstollen der Hinterräder in den Asphalt und wuchten den (leer) Zweitonner in 8,3 Sekunden auf 100.
Nur eine ausgeprägte Anfahrschwäche paßt so gar nicht zum großen Hubraum. Der Reihensechszylinder hinterläßt rückblickend eigentlich nur etwas Wehmut: Er ist der letzte seiner Art im Hause Daimler.Seit Juni 2005 gibt es sechs Zylinder nur noch in V-Form. Was kein Nachteil sein muß: Der neue Dreiliter im 320 CDI leistet jetzt sogar 224 PS und hat seine ersten Lorbeeren bereits bei Rekordfahrten über fast eine halbe Million Kilometer im texanischen Laredo verdient. Er scheint so zuverlässig wie "unser" alter Motor zu werden, der leise und anspruchslos seinen Dienst verrichtete, sich auch mechanisch bei der Abschluß-Messung verschleißfrei zeigte.
Der E 320 CDI T begeisterte als Reisewagen und Zugfahrzeug
Etwas mehr Aufmerksamkeit beansprucht die Luftfederung "AIRmatic". Per Knopfdruck erlaubt sie, Stoßdämpfer, Federhärte und Bodenfreiheit zu verändern. Im Prinzip bewährte sich die Normal-Stellung, ab 120 km/h schätzten viele Fahrer die sportlich härtere Abstimmung. Den Aufpreis von 1148 Euro hätten wir uns sparen können, die ganz normale Stahlfederung ist den Stuttgartern ebenfalls vorzüglich gelungen. So vergingen die Kilometer wie im Fluge, der Mercedes begeisterte als Reisewagen und Zugmaschine, bis bei Kilometerstand 55.620 der erste und – man höre – einzige Absturz kam. Der Bordcomputer im Display warnte plötzlich: "Batterieschutz, Komfortfunktionen vorübergehend abgeschaltet." Redakteur Karl-August Almstadt konnte seine Dienstreise zwar noch fortsetzen, aber der Akku von Johnson Controls erholte sich nicht mehr, wurde vom Mercedes-Pannendienst ausgetauscht.
Grundfunktionen einfach bedienbar

Lange Leitung: zwei Kilometer Kabel

FAZIT von AUTO BILD-Redakteur Dieter Rodatz
Zwar brummte und summte immer was im Wagen, die hilfreichen wie auch verspielten Gimmicks haben aber gezeigt, daß das Mercedes-Versprechen von einer autolebenlangen Haltbarkeit wohl in Erfüllung gehen dürfte. Konsequenz: Meine vorurteilsbehaftete, alte Festplatte habe ich jetzt gelöscht und mit den soeben gewonnenen Erfahrungen überspielt. Es hat sich schon vor der Demontage angekündigt: Diese E-Klasse ist wirklich klasse. Nahezu fehlerfrei absolvierte das T-Modell unseren Dauerlauf. Einwandfreie Ergebnisse von Beschleunigungs- und Bremsmessungen sowie abschließender Leistungs- und Abgasmessung. Vor der allerletzten Testfahrt versprach uns der Leiter Gesamtfahrzeug-Versuch E-Klasse, Dipl.-Ing. Joachim Lindau, daß alle qualitativen Anfangsprobleme beim W 211 ausgeräumt seien.
Und er behielt recht. Bis auf kleine Schönheitsfehler ergab die Demontage keine Beanstandungen. Kleine Mängel: Korrosion am Plusanschluß der Vorglühanlage und oberflächlicher Ansatz an einzelnen Metalleitungen. Leichtes "Schwitzen" an Schlauchverbindungen zum Ladeluftkühler. Ansonsten war es eine beeindruckende Sternstunde der E-Klasse.
Das sagen die Leser zur Mercedes-Benz E-Klasse (W 211)
„Das Positive überwiegt“: Seit zehn Jahren fahre ich E-Klasse, aktuell die vierte. Eine wurde nach 13 Monaten wegen andauernder Mängel gewandelt. An meinem derzeitigen Fahrzeug gibt es nur wenig zu klagen (die hellgraue Innenausstattung wurde schnell unansehnlich, Armaturenbrett spiegelt stark in der Frontscheibe). Positiv: günstiger Verbrauch, sehr gute Ausstattung, komfortables Fahrwerk, kompetente Werkstatt. Andreas Götz, E 220 CDI Avantgarde, 40.000 km
„Ich habe die Ehre, E zu fahren“: Es ist eine Ehre, dieses Fahrzeug bewegen zu dürfen. Das ganze Auto vermittelt eine Aura der Gelassenheit. Man hat durch die niedrige Geräuschkulisse ständig den Eindruck, zwei Meter weiter als andere vom Verkehrsgeschehen entfernt zu sein. Ich habe den Gegenwert einer Eigentumswohnung gern investiert, macht die E-Klasse doch meine täglichen Fahrten nicht zur Arbeits-, sondern zur Reisezeit. Henning Hildebrandt, E 220 CDI T, 11.000 km
„Qualitativ ein Drama“: Im Juni 2003 habe ich meinen neuen Wagen übernommen. Sechs Monate lief das Auto, wie man es bei einer Premiummarke erwartet. Aber dann! 22 Werkstattaufenthalte nur für die Beseitigung von Mängeln! Trotzdem habe ich mir wieder eine E-Klasse bestellt, denn der Komfort ist spitze, und Mercedes behauptet, jetzt ist alles besser. Name der Redaktion bekannt, E 220 CDI, 43.000 km
Das sagt Mercedes-Benz ...
... zur Qualität der Elektronik in der E-Klasse: Die Beanstandungen, die insbesondere bei Fahrzeugen aus dem Serienanlauf auftraten, betrafen vor allem das Audiosystem, Navigation und Telefon. Diese Probleme sind ausgeräumt. Mittlerweile läuft die Produktion aber auf so hohem Niveau, dass die Erwartungen unserer Kunden erfüllt werden dürften.
... zum „harten“ Schließen der Heckklappe: Da die Heckklappe per Motorkraft geschlossen wird, muß man beim Geräusch einen Kompromiss eingehen. Bei der Entwicklung steht die dauerhafte Funktion im Vordergrund. Die Klappe muss auch unter ungünstigsten Umständen schließen, etwa im Wintersport bei hohen Minustemperaturen und hangabwärts stehendem Fahrzeug. Dies erfordert einen entsprechend kräftig ausgelegten Schließmechanismus.
... zum hohen Kraftaufwand beim Schließen der hinteren Türen: Um optimalen Geräuschkomfort zu gewährleisten, werden im Bereich der Türen große, doppelte Dichtungen eingesetzt. Am Testwagen fielen außerdem zu trockene Türscharniere auf. Mit einem Tropfen Öl kann in solchen Fällen vom Service oder per Eigenleistung Abhilfe geschaffen werden.
Service-Links