Stellen Sie sich vor, Sie fahren im Dunkeln über eine gut ausgebaute, schnurgerade Bundesstraße. Wie sollte dann ein perfektes Abblendlicht aussehen? Diese Frage ist die Grundlage unseres großen Scheinwerfertests, der hier seine zwölfte Auflage erlebt. Wichtig ist vor allem die Reichweite am rechten Fahrbahnrand, um dem Auge möglichst gute Führung entlang des Straßenverlaufs zu bieten. Aber auch links und in der Mitte, wo ebenfalls Hindernisse lauern können.

Hella betreibt in Lippstadt den größten Lichtkanal der Welt. AUTO BILD testete dort 22 neue Autos.
Hella betreibt in Lippstadt den größten Lichtkanal der Welt. AUTO BILD testete dort 22 neue Autos.
Natürlich ist die Reichweite des Lichts von konstruktiven Gegebenheiten abhängig. Vor allem die Anbauhöhe der Scheinwerfer ist entscheidend: Je höher ein Scheinwerfer am Fahrzeug montiert ist, desto weiter kann er leuchten. Das Problem: Die Neigung ist gesetzlich vorgeschrieben. Danach muss der Lichtkegel ein Gefälle von mindestens einem Prozent haben, um den Gegenverkehr nicht zu blenden. Sitzt der Scheinwerfer in 50 Zentimeter Höhe, kann er also maximal 50 Meter weit leuchten. Dies gilt jedoch nicht für den rechten Fahrbahnrand, ab der Mitte der eigenen Spur nach rechts ist die Reichweite unbegrenzt. Weshalb diese Verteilung asymmetrisches Abblendlicht heißt und auf den Licht-Bildern schön zu erkennen ist. Gute Scheinwerfer kommen rechts auf über 140 Meter, schlechtere schaffen gerade mal 80.

Ähnlich unterschiedlich sieht es auf der linken Hälfte der Straße aus: Manche kommen dort über 60 Meter weit, andere berühren nicht mal den linken Rand, verhungern schon an der Mittellinie. Allerdings nützt die ganze Reichweite nur wenig, wenn die Verteilung des Lichts nicht optimal klappt. Viele Fahrzeuge packen alles Licht auf einen Haufen direkt vor die Nase des Fahrzeugs. Das hilft zwar beim Einparken, aber nicht beim Fahren jenseits der Stadtgrenzen. Denn die Pupillen des Auges orientieren sich stets
So hell kann dunkel sein: Bi-Xenon-Scheinwerfer der Mercedes GL-Klasse.
So hell kann dunkel sein: Bi-Xenon-Scheinwerfer der Mercedes GL-Klasse.
am hellsten Fleck. Ist es vor dem Auto aber zu hell, werden in der Ferne auftauchende Hindernisse zu spät erkannt.

Der Testsieger und auch die Hellsten der letzten Jahre hatten alle – aufpreispflichtige – Xenon-Scheinwerfer. Das sollte auch so sein, denn gegenüber dem glühenden Draht einer Halogenlampe entwickelt der Lichtbogen eines Gasentladungsscheinwerfers zweieinhalbmal so viel Licht. Ist der dann noch so hoch wie bei einem Mercedes GL montiert, werden Nachtfahrten zum hellen Vergnügen. Was aber nicht bedeutet, dass alle Xenonscheinwerfer automatisch gut sind. Der BMW 3er beispielsweise kommt damit am rechten Rand nur 110 Meter weit, eine ganze Reihe von Halogenscheinwerfern schaffen jedoch die 140-Meter-Marke.

Der Kia Rio gehört nicht dazu. Sein H4-System macht nach 100 Metern zu. Und die Lichtverteilung zeigt, wie man es nicht machen sollte: Ein Lichtklops zwischen fünf und 30 Metern zieht das Auge an; was davor passiert, sieht der Fahrer nicht. Dabei lässt sich auch mit der alten H4-Lampe – seit 1971 auf dem Markt – anständiges Licht fabrizieren. Der Nissan Note fährt mit leuchtendem Beispiel voran, aber auch der früher getestete aktuelle Micra macht Nachtfahrten nicht zur Zitterpartie.

Der Toyota RAV4 arbeitet mit der neuen H11-Lampe, gibt aber trotzdem nur eine finstere Vorstellung ab.
Der Toyota RAV4 arbeitet mit der neuen H11-Lampe, gibt aber trotzdem nur eine finstere Vorstellung ab.
Andererseits sind modernere Lampentypen ebenfalls keine Garantie für gute Sicht, wie der neue Toyota RAV4 demonstriert: Sein Projektions-Scheinwerfer arbeitet mit der neuen H11-Lampe, gibt aber trotzdem nur eine finstere Vorstellung ab. Da hilft dann auch die große Anbauhöhe nicht weiter. Dagegen überrascht der flache Mazda MX-5 mit ausgezeichneter Reichweite und vor allem vorbildlicher Homogenität. Dafür sorgt die mattierte Linse, mit der sein Xenon-System arbeitet. Ansonsten verzichtet Mazda auf technische Spielereien. Alle anderen Fahrzeuge im Test mit Gasentladungslicht hingegen besitzen mindestens eine Bi-Xenon-Funktion, produzieren also Abblend- und Fernlicht aus einem einzigen Scheinwerfer. Die Audi-, BMW-, Lexus- und Mercedes-Fraktion bringt darüber hinaus noch dynamisches Kurvenlicht mit – die Scheinwerfer schwenken beim Lenken, per Elektromotor angetrieben, in die Kurve, leuchten also nicht mehr in die Wiese oder in den Gegenverkehr.

In die Bewertung haben wir diese erweiterten Funktionen nicht aufgenommen. Denn die Lichtverteilung auf der Straße ändert sich dadurch nicht, und die Schwenkerei an sich wird von jedem Fahrer anders beurteilt. Ähnlich liegt der Fall beim Abbiegelicht, das beim langsamen Fahren in engen Radien aufleuchtet. Wir nehmen es zur Kenntnis, geraten darüber aber nicht vor Freude aus dem Häuschen. Denn bei nächtlichen Fahrten auf der gut ausgebauten Bundesstraße kommt es vor allem auf das Abblendlicht an.

Billig und hell – auch das geht: Der Nissan Note liefert den Beweis.
Billig und hell – auch das geht: Der Nissan Note liefert den Beweis.

Kommentar von AUTO BILD-Autor Hendrik Dieckmann

Keine Frage: Mit dem Intelligent Light System von Mercedes ist der Licht-Gipfel erreicht. Bi-Xenon sorgt für sattes Abblend- und Fernlicht, aktives Kurvenlicht sieht um die Ecke, und die Autobahnlicht-Funktion erlaubt mehr Sichtweite bei hohem Tempo. Dafür herrscht am anderen Ende der Preisskala oft Dunkelheit. Am finstersten im Kia Rio, aber auch Suzuki Swift und der – gar nicht so billige – Toyota RAV4 sind keine Leuchten. Dass es preiswert und besser geht, zeigt der Nissan Note. Er erreicht wieder ein Niveau, dass Anfang der 90er-Jahre schon mal Standard war – wie einst in einem $(LA54953:VW Golf III)$.