DTM: Norisring-Sieger Wickens im Portrait
Meine Eltern haben für mich ihr Haus verkauft!

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Familienmensch, Weltenbummler und DTM-Shootingstar: AUTO BILD MOTORSPORT stellt die vielen Gesichter von Norisring-Sieger Robert Wickens vor.
Bild: Getty Images
Er war am Norisring der Mann der Stunde: Mercedes-Pilot Robert Wickens (25) fuhr am Sonntag zu einem ungefährdeten Start-Ziel-Sieg. „Einen besseren Tag als heute hätte ich mir gar nicht wünschen können. Gestern die Pole, heute der Sieg – und beides so unerwartet: Ein Traum!“, schwärmt Wickens nach seiner Demonstration auf dem Startkurs, nur um anschließend auf die Frage nach der Party-Planung am Abend in gewohnt trockenem Humor zu entgegnen: „Party? Nein, nein... ich lese vielleicht ein Buch, gehe um zehn Uhr ins Bett und trinke davor noch ein Glas Wasser.“ Wie Wasser sah die Flüssigkeit in Wickens’ Sektglas bei der anschließenden Gesprächsrunde mit AUTO BILD MOTORSPORT zwar nicht aus, doch der Tagessieger hatte in Nürnberg eben in vielerlei Hinsicht Grund zum Feiern: „Mein Vater und meine Tante sind extra den weiten Weg aus Kanada hergekommen. Das macht dieses Wochenende noch spezieller“, so Wickens.
Familie geht über alles

Spaßvogel: Robert Wickens kann viel - auch lustig sein...
Ein steiniger Weg
Doch die Jahre haben seine Sichtweise stark verändert. „Ich bin so dankbar für alles, was meine Familie für mich gemacht hat. Nicht nur meine Eltern – selbst mein Bruder, der fünf Jahre älter ist, hat schon mit 15 einen Fulltimejob in einem Kartshop angenommen, um mein Material zu bezahlen. Heute gehört ihm der Laden, aber damals haben wir beide dort hart gearbeitet. Schule, Arbeit bis abends, dann noch die Hausaufgaben, ab ins Bett und am nächsten Tag von vorne“, denkt der Norisring-Sieger zurück. Doch trotz aller Hindernisse – eintauschen möchte Wickens seine schwierige Vergangenheit nicht. „Am Ende hat mich dieser steinige Weg auch zu der Person und zu dem Fahrer gemacht, der ich bin. Ich nehme nichts als selbstverständlich hin, sondern war immer dankbar für die Gelegenheiten, die sich mir geboten haben. Ich bin ziemlich demütig und glaube daran, dass man für alles im Leben hart arbeiten muss.“ Diese akribische Einstellung zahlt sich heute auch auf der Strecke aus. Besonders bei schwierigen Bedingungen brilliert Wickens deshalb. Schon seinen ersten DTM-Sieg vor einem Jahr am Nürburgring fuhr er bei ähnlich nassen Verhältnisse raus wie nun auf dem Norisring.
Druck kommt nur von innen

Immer cool bleiben: Druck von außen gibt es bei Wickens nicht
Red Bull klopft an die Tür
„In den drei Rennen musste ich als Letzter von 36 Autos losfahren, bin trotzdem Sechster, Fünfter und Dritter geworden. Und schon stand Helmut Marko (Red Bulls Motorsportberater; d. Red.) auf der Matte“, erinnert sich der 25-Jährige breit grinsend. Doch den Vertrag für das Nachwuchsprogramm durfte Wickens damals nichts sofort unterschreiben. „Weil ich noch minderjährig war, mussten meine Eltern das erledigen. Ich nahm das Ding also mit in den Flieger und habe es auf dem ganzen Heimflug lang ungläubig angestarrt. Ich dachte nur: ‚Red Bull. Wow!’“ Der Getränkehersteller setzte Wickens anschließend in der nordamerikanischen Formel-Atlantic ein. Dafür zog er nach Indianapolis, um nah bei seinem Team Forsythe zu sein. „Als Teenager kann man da nicht viel machen, einen Führerschein hatte ich auch noch nicht. Also habe ich meine Teamchefs in den Wahnsinn getrieben und sie andauernd gefragt, ob sich mich ins Kino oder sonstwo hinfahren können“, erinnert sich Wickens lachend an seine Anfänge im Profigeschäft.
Einmal um die Welt

Grundstein: Der Titel in der Formel Renault 2011 brachte Wickens in die DTM
Kein 24-Stunden-Motorsportler
Mittlerweile hat es ihn nach London verschlagen – zum um die Welt Fliegen strategisch besser gelegen. „ Und ich habe da noch viele Freude aus meiner ersten England-Zeit.“ Sie sind wichtig für ihn, um einmal abzuschalten und den Kopf vom Rennfahren frei zu kriegen. „Ich bin niemand, der den Motorsport 24 Stunden am Tag atmen und leben muss“, schlägt Wickens unter seinen Fahrerkollegen selten gehörte Töne an. Und relaxen, alles hinter sich lassen... wo soll das besser gehen als in seinem geliebten Kanada? „Dort habe ich Leute, die nichts mit Motorsport am Hut haben. Für die bin ich dann nicht der Fahrer, sondern nur irgendein normaler Kerl und das ist sehr entspannend.“ Dass diese Pausen vom PS-Zirkus seinen Fokus aber weg vom Motorsport lenken würden, verneint der 25-Jährige. „Viel mehr sind sie wichtig, um wieder Kraft für die nächste Aufgabe zu haben.“
Eishockey in der Heimat

Vor der Konkurrenz: Auf dem Norisring fuhr Wickens auf und davon
Neues Kräftegleichgewicht auf dem Norisring: Mercedes Top - BMW Flop
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