200 Millimeter Luft unter dem Auto

Endlich ein SUV aus Schweden. Ein richtiges. Der Volvo XC90 tritt in der erfolgreichen Klasse der modernen Soft-Geländewagen gegen BMW und Mercedes an, obwohl er aus der Welt der Limousinen stammt. Der XC90 ist eine Neuentwicklung auf Basis der "großen" Volvo-Plattform, die in unterschiedlichen Varianten die Limousinen und Kombis der Baureihen 60, 70 und 80 trägt.

Ein bisschen vorgefühlt hatte Volvo bereits Jahre zuvor, ob es sich lohnt, auf den SUV-Zug aufzuspringen. Schon 1997 präsentierten die Schweden den ersten Volvo V70 Cross Country, der "gerade das richtige Maß an Geländetauglichkeit" besitzen sollte. Doch in Wahrheit war dieser erste V70 XC nur die leicht geliftete Version des soliden, aber mäßig abenteuerlichen Kombis V70, ausgerüstet mit einem sanft aufgeladenen Turbo-Benziner und dem normalen, per Visco®-Kupplung arbeitenden Allradantrieb, der auch im gewöhnlichen, tief liegenden Straßenkombi zu haben war. Ein bisschen Kühlergrill hier, ein bisschen Sitze da – fertig war der Volvo für Abenteurer.

Auch auf Basis des neuen V70 erschien Mitte 2000 eine milde Schlechtwege-Version, der Volvo XC70. Technik und Karosserie spendete der V70 AWD, den Kunststoffbeplankungen rundum und geänderte Innenausstattung auf Offroader schminkten. Größere Räder und geschicktere Gestaltung der weiterhin langen Karosserie-Überhänge verbessern die Schlechtwegefähigkeiten des XC70; mager blieb weiterhin die Bodenfreiheit, begrenzt auf 170 Millimeter durch den tief hängenden Auspuff des Turbo-Benziners. Doch Volvo hat gelernt: Bei der Mitte 2002 präsentierten Diesel-Version sind die Rohre sorgfältiger verlegt, jetzt gibt's von vorn bis hinten 200 Millimeter Luft unter dem Auto. Das reicht für Feldwege.

Der XC70 überzeugt nur auf der Straße

Der Allradantrieb wurde inzwischen auf eine hydraulisch-elektronisch geregelte Haldex-Kupplung umgestellt, denn die Visco®-Kupplung vertrug sich nicht mit der elektronischen Fahrhilfe DSTC. Echtes Gelände ist weiterhin nicht das Element des XC70; noch immer sind Böschungs- und Rampenwinkel schwach – und noch immer fehlt ein kurzer erster Gang oder gar eine Geländeuntersetzung. Schwierige, langsame Passagen muss man also mit schleifender Kupplung oder mit dem "Rühren" des Drehmomentwandlers überwinden.

Doch solchen Einsatz hatte Volvo bei der Entwicklung gar nicht im Sinn. Dafür überzeugt der XC70 auf der Straße mit außerordentlich gutem Federungskomfort, gutmütigem Fahrverhalten, auch als Diesel mit hoher Fahrkultur – und vielen praktischen Ausstattungsdetails. Der von Volvo selbst entwickelte Fünfzylinder-Turbodiesel mit Common-Rail-Einspritzung arbeitet recht gut mit der Fünfstufenautomatik zusammen. Zwar ist ein merkliches Turboloch zu überwinden – nach dem Kaltstart schleppt sich der Wagen nur mit Mühe steile Garagenausfahrten hinauf. Doch wenn die Fuhre erst in Bewegung und der Motor warm ist – was erfreulich rasch geht –, kommt man zügig voran.

Eine angenehme Motor-Getriebe-Kombination also für Langstrecken und Überlandfahrten, aber weniger geeignet für den Stadtverkehr, wo das träge Anfahren stört. Auch für enge Land- und steile Passstraßen ist sie nicht ideal, da die Automatik oft hin und her schaltet, um den Motor bei Laune zu halten. Einmal mehr zeigt sich, dass es in der Praxis oft wenig hilft, wenn das maximale Motordrehmoment schon bei niedrigen 1750 Touren anliegt.

Dem Diesel-XC90 fehlt es an Temperament

Gespannt steigt man in den neuen XC90 D5, der mit der exakt gleichen Motor-Getriebe-Kombination zum Vergleich angetreten ist. Gut 400 Kilo schwerer, gut 20 Zentimeter höher. Das Anfahren fühlt sich aber kaum müder an als beim leichteren Bruder. Denn Volvo hat den XC90 kürzer übersetzt, sodass der Fünfzylinder einen günstigeren Hebelarm hat.

Erst die Messwerte verraten, dass der größere Schwede deutlich an Feuer verliert. Während der Fahrt geht alles merklich gedämpfter vor sich. Man spürt dem Motor an, dass er sich ins Zeug legen muss, um den stattlichen Wagen – deutlich größer als Mercedes M-Klasse und BMW X5 – angemessen vorwärts zu bringen. Ein temperamentvolles Auto ist der XC90 D5 gewiss nicht. Aber ein beruhigendes.

Platz für bis zu sieben Personen im XC90

Noch nachdrücklicher als der XC70 D5 (ebenfalls ein rollendes Ruhekissen) bringt der XC90 D5 auch hektischen Fahrern eine gelassene und defensive Gangart nahe. Zudem: Warum sollte man den Aufenthalt an Bord eines solch angenehmen Fahrzeugs unnötig verkürzen? Man sitzt entspannt auf gut gepolstertem, wie beim XC70 in der Premium-Ausstattung lederbezogenem Gestühl, genießt das große Platzangebot, klimpert (nach ausgiebigem Studium der Bedienungsanleitung) auf der Tastatur des Multifunktionslenkrads und bedient damit die ausgezeichnet klingende Infotainment-Anlage.

Von 20 Zentimeter mehr Bauhöhe profitieren die Insassen auf allen Plätzen. Man sitzt viel höher als im XC70, hat besseren Überblick über den Verkehr und dennoch genug Kopffreiheit. Dass der Kofferraum, leider mit unpraktisch horizontal geteilter Klappe, nicht noch mehr Ladehöhe bietet, liegt am doppelten Boden. Darunter verstecken sich gegen Aufpreis zwei listige Zusatz-Einzelsitze. So können bis zu sieben Reisende auf Abenteuer-Tour gehen; hinten sollte aber keiner über 1,75 Meter messen.

Führt die Tour über ausgewaschene Feld- oder Waldwege, freut man sich über die größere Bodenfreiheit (eine Daumenbreite mehr als im XC70) und die ausgezeichnete Traktion dank des unauffällig und ohne Fahrereingriff funktionierenden Allradsystems. Für schweres Gelände taugt aber auch der XC90 nicht: Schon die erste Fahrstufe ist lang ausgelegt, eine Geländeuntersetzung fehlt. Auch die Anhängelast hinkt der Konkurrenz aus Japan und Deutschland hinterher – obwohl um 450 Kilogramm höher als beim XC70.

Preise und Ausstattungen

Überraschen wird der Blick auf die Preise. Der billigste XC90 D5 ist 1800 Euro teurer als der entsprechende XC70; doch mit der Premium genannten Topausstattung schrumpft der Unterschied auf 1430 Euro. Bei identischer Ausstattung kostet ein fünfsitziger XC90 sogar 20 Euro weniger, denn er hat in der Premium-Version serienmäßig an Bord, was im kleineren XC 1450 Euro extra kostet. Für den sprechen vor allem der deutlich günstigere Verbrauch und das flottere Temperament, ansonsten erscheint der XC70 überteuert. Hier muss Volvo nochmals auf neues Terrain – der Preis wird sinken.

Fazit und Technische Daten

Fazit Abgesehen von Fahrleistungen und Verbrauch, ist der XC90 das viel bessere Angebot. Ausstattungsbereinigt ist er nicht teurer als der XC70; und neben mehr Platz bietet er mehr Anhängelast und bessere Schlechtwegetauglichkeit.