"Hallo, hier ist Ihr Autohersteller. Ihre Bremsscheiben müssen erneuert werden. Unsere Werkstatt ist in der Nähe, fahren Sie doch direkt vorbei." Solche oder ähnliche Anrufe im Auto könnten bald üblich sein, wenn die eCall-Pläne der EU für alle Neuwagen ab 2015 Realität werden. Denn die Technik des Notrufsystems kann noch viel mehr als Leben retten – sie könnte Daten ungefragt weiterleiten. Bei Unfällen sendet der Automatik-Notruf Informationen über Standort, Fahrzeug und Unfallschwere an die Notrufzentralen. So sind die Retter schneller vor Ort und kennen bereits die Details.

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Thilo Weichert am Telefon
Datenschützer Thilo Weichert ist bezüglich eCall besorgt: "Der Autofahrer muss Herr über seine Daten bleiben."
Aber es gibt auch Schattenseiten: Rund um Auto und Fahrer könnte eine Datensammelei beginnen, deren Auswirkungen bislang nur zu erahnen sind. "Was, wenn ich einen Schadensfall ohne die Versicherung regeln will?", fragt Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein. "Die Daten könnten auch vor dem Familiengericht auftauchen: War der Ehemann arbeiten oder bei der Geliebten?" Und das sind nur einige Beispiele. Versicherungstarife, die nach gefahrener Strecke berechnet werden, Pannenhelfer, die dank permanenter Datenübertragung stets auf dem Laufenden sind – die Technik hinter eCall soll genutzt werden, um etliche Zusatzdienste anzubieten. Die Analyse des Fahrverhaltens, Bewegungsprofile und personalisierte Werbung ("Für Ihre Lieblings-Restaurantkette jetzt rechts ab") sind die nächsten logischen Schritte. Ein Milliardengeschäft, Facebook hat es vorgemacht. "Das sind hochwertvolle Informationen", gibt Klaus-Jürgen Heitmann zu, Vorstand des größten Autoversicherers HUK-Coburg.
Der Kampf um die Daten ist voll entbrannt. Die besten Karten haben dabei die Hersteller, die die Technik in die Fahrzeuge einbauen. Versicherer und Autoklubs fürchten hingegen um ihr Geschäft, sie verlangen daher eine offene Schnittstelle für den Zugriff auf die Informationen. "Der Autofahrer muss Herr über seine Daten bleiben", fordert derweil Datenschützer Weichert. Die Zustimmung des Kunden zu eCall im Kaufvertrag reicht ihm nicht aus. Seine Lösung: ein Aus-Knopf für das Notrufsystem. Und einer für die Zusatzservices.

Von

Benjamin Gehrs