Reißt die Blitzableiter von den Dächern, stellt euch unter den höchsten Baum – dieser Blitz muss einschlagen! Keine Frage: Der Astra ist zum Erfolg verdammt, sonst wird's eng für Opel. Damit es gar nicht so weit kommt, lässt Opel wieder traditionelle Tugenden aufleben. Der Astra bietet – wie einst – viel Auto fürs Geld, wächst um 17 Zentimeter auf 4,42 Meter Länge und legt in Höhe und Breite zu. Und auch sonst macht er Eindruck: Elegante, fließende Formen sorgen für einen bullig-dynamischen Auftritt, kaschieren überdies die stattlichen Maße. Doch die Waage lässt sich nicht austricksen: Mit 1586 Kilo wiegt der Astra jetzt über 200 Kilo mehr als bisher – eine fette Enttäuschung.

Alle News und Tests auf der Modellseite des Opel Astra

Kein Wunder, dass die 125 PS des betagten 1,7-Liter-Diesels vergeblich gegen die Zusatzpfunde anbrummen. Bei den Fahrleistungen macht der Neue gegen den Alten keinen Stich, ob beim Sprint auf Tempo 100 oder beim Überholen im großen Gang. Der raue Selbstzünder schiebt nur zwischen 2000 und 3500 Touren anständig voran, darunter und darüber wirkt der Oldie lustlos wie ein GM-Vorstand beim Versuch der Selbstkritik. Nur mit häufigem Schalten lässt sich der Motor bei Laune halten. Leider ruckelt es jedes Mal, weil die Elektronik beim Gangwechsel die Leistung kappt, um ein Aufschaukeln des weich gelagerten Triebwerks zu verhindern. Kleiner Trost: Mit rund sechs Litern gehört der alte Brummbär nicht zu den Säufern. Richtig gut gelungen ist Opel das harmonische Fahrwerk, das sich im Testwagen verstellen lässt (FlexRide-System für 930 Euro Aufpreis).

Der Astra hat Fortschritte bei Komfort und Fahrdynamik gemacht

Opel Astra
Auch ohne Mehrlenker-Hinterachse, wie sie der Golf hat, pfeffert der prima ausbalancierte Astra dank breiter Spur, längerem Radstand und fein regelndem ESP willig um die Kurven. Dabei untersteuert er kaum, liegt vertrauenerweckend stabil. Bei zügiger Fahrt wünschen wir uns mehr Rückmeldung von der spitz ansprechenden Lenkung. Besser klappt's im Sport-Modus von FlexRide, der nicht nur die Dämpfung der Federelemente strafft (unnötig), sondern auch die Rückstellkräfte der Lenkung (empfehlenswert). Doch der Astra hat nicht nur fahrdynamisch spürbare Fortschritte gemacht, sondern auch beim Komfort. Seine geschmeidige Federung bügelt schon in Normalstellung die meisten Unebenheiten einfach glatt. Selbst Autobahn-Querfugen haben ihren Schrecken verloren: Quälte der Vorgänger noch mit lästigem Stuckern der Vorderachse, bleibt der Neue die Ruhe selbst. Das macht den Astra zu einem vorzüglichen Reisewagen. Vorn bietet er Platz in Hülle und Fülle, perfekte Sitzpositionen, bequeme Sessel und ein ansehnliches Cockpit.
Doch Qualitätsfanatiker stören sich mit Recht am vielen Hartplastik, und Perfektionisten schimpfen über die unübersichtliche Ballung von Knöpfen in der Mittelkonsole. Und dass sich Erwachsene auf der Rückbank schlechter untergebracht fühlen als im Corsa, ist für ein 4,42-Meter-Auto unmöglich. Außerdem: Hinter den breiten A- und C-Säulen verschwinden sogar Lkw. Dennoch: Die Chancen, dass der Opel-Blitz wieder einschlägt, sind mit dem neuen Astra stark gestiegen. Der erste große Vergleich wird klären, ob sich die Konkurrenz fürchten muss.
Weitere Details zum ersten Test des neuen Opel Astra gibt es in der Bildergalerie. Den kompletten Artikel mit allen technischen Daten und Tabellen finden Sie als Download im Heftarchiv.

Fazit

von

Uli Holzwarth
Der neue Astra sieht attraktiv aus, er fährt spürbar dynamischer als bisher und bietet einen ausgewogenen Federungskomfort – ein klarer Fortschritt. Von gestern sind jedoch der unharmonische Brumm-Diesel aus dem Reste-Regal und der drastische Gewichtszuwachs von 200 Kilogramm. So hinterlässt der Astra am Ende ein zwiespältiges Bild, zumal auch der Platz im Fond und die Rundumsicht verbesserungswürdig sind. In dieser Form ist er zwar groß, aber (noch) kein ganz Großer.

Von

Uli Holzwarth