"Hilfe, wir gehen unter, die Lenzpumpe streikt!" Leichtmatrose Jan Horn gerät in Panik. Soll es das etwa schon gewesen sein? Versinkt jetzt eine Tonne sowjetischer Fahrzeugbaukunst im Fluss? Kann sein, denn die Bordwand unseres LuAZ 967, Baujahr 1974, ist für Seegang viel zu niedrig. Das Wasser schwappt über die Kante, Schwall für Schwall. Eigentlich hätte jetzt die kleine Lenzpumpe unter der Motorhaube anspringen und das Wasser wieder nach draußen befördern sollen. Eigentlich. Doch es rührt sich nichts da vorn, kein Elektromotor springt an, keine Pumpe pumpt – und das Wasser im Auto steigt immer höher, bringt unser Gefährt in gefährliche Schräglage. Kollege Jan Horn ist zum Glück vom Kfz-Fach und will sich die Sache mal ansehen. Er turnt vorsichtig nach vorn, öffnet die Motorhaube und findet den Fehler in der Verkabelung.
LuAZ 967
Selbst ein vergleichsweise ruhiger Fluss kann dem LuAZ schon gefährlich werden.
Im letzten Moment bringt er die Pumpe auf Touren. Wir halten uns gerade noch über Wasser. Dennoch müssen wir umkehren und zurück ans Ufer, denn bei dem müden Strahl der Pumpe werden wir das Flusswasser nicht los. Wir schalten in den nächsthöheren Gang und beschleunigen. Dank Allradantrieb und gesperrter Hinterachse bringt es unser Boot nun auf drei Kilometer pro Stunde. Mit der Strömung im Rücken geht es ans Ufer, wo sich sich die Reifen mit ihrem groben Profil in die Böschung verbeißen und uns ans rettende Land ziehen. Geschafft, Stapellauf geglückt. Bis auf kleine Fahrfehler und die unzuverlässige Lenzpumpe haben sich Gerät und Besatzung wacker geschlagen. Eigentlich ist der einst im ukrainischen Luzk für die Armeen des Warschauer Pakts gebaute LuAZ ja auch nicht für Hobbykapitäne konstruiert. Und für längere Bootstouren erst recht nicht. Seine Bestimmung war rein militärischer Natur und streng zweckgebunden: Als "Geschädigten-Transportfahrzeug" sollte der LuAZ Verwundete von der Front in Sicherheit bringen.

Der Soldat am Steuer konnte den LuAZ auch liegend fahren

LuAZ 967
Kompakt und luftgekühlt: der V4-Benziner vom Saporoshez.
Links und rechts vom Fahrer, der auf kargem Gestühl in der Mitte sitzt, lassen sich zwei Tragen befestigen. Für den mitfahrenden Sanitäter ist ein Klappsitz vorgesehen. Besonders skurril: Damit der Soldat auch unter Beschuss seinem Auftrag nachkommen kann, lässt sich die Lenksäule nach unten abklappen. So kann er im Liegen fahren und dem feindlichen Kugelhagel entgehen. Das haben wir aber noch nicht ausprobiert. Ebenfalls kurios: Die Seilwinde an der Front ist nicht zum Bergen des Fahrzeugs gedacht, vielmehr sollten damit Verletzte aus Gefahrenzonen geborgen werden. Auf die Idee zur Entwicklung eines solchen Fahrzeugs kam das sowjetische Militär im Koreakrieg (1950 — 1953), wo sich der herkömmlich konstruierte Geländewagen GAZ 69 in vielen Situationen als zu groß, schwerfällig und unbeholfen erwies.
Die Militärführung beschloss deshalb, dass die Armee zusätzlich ein leichtes, geländegängiges und schwimmfähiges Fahrzeug bekommen sollte, das zur Bergung und zum Transport von Verwundeten und gleichzeitig zum Fallschirmabwurf geeignet sein musste. Der erste Prototyp entstand 1958 und hatte eine Kunststoffkarosserie, die sich aber als zu instabil erwies. In die Entwicklung der endgültigen Ausführung des LuAZ 967, die 1961 in Produktion ging, waren Spezialisten des Automobilwerks Saporoshez eingebunden. Das erklärt auch den luftgekühlten V4-Motor, denn der treibt ebenso den ab 1960 produzierten Saporoshez-Heckmotor-Kleinwagen an. Der leicht veränderte Nachfolger unseres LuAZ 967, der 967M, schob seinen Dienst ab 1978 auch in der Nationalen Volksarmee der DDR. Doch das ist alles Geschichte.

Der skurrile Militarist landet bei der AUTO BILD-Schraubergemeinschaft

LuAZ 967
Die Seilwinde ist für die Bergung Verwundeter gedacht.
Für eine 50 Jahre alte Konstruktion ist der 967 sehr fortschrittlich: Mit selbsttragender Karosserie, Einzelradaufhängung und Drehstabfederung an allen vier Rädern ist er technisch viel weiter als die meisten anderen Geländewagen seiner Zeit. Dass er laut Betriebsanleitung nur 30 Minuten im Wasser fahren darf, liegt nicht etwa daran, dass er nach einer halben Stunde plötzlich sinken würde. Sondern am mangelnden Fahrtwind auf hoher See. Trotz Gebläse droht der luftgekühlte Motor nämlich nach einiger Zeit zu überhitzen, wenn der LuAZ mit 3 km/h dahintuckert. Im vergangenen Jahr war der skurrile Militarist aus der Ukraine in der Fahrzeugflotte der AUTO BILD-Schraubergemeinschaft gelandet. Über einen Händler kam der Wagen nach Hamburg und durch den Tipp eines Kollegen zu uns. 1500 Euro verlangte der Verkäufer, am Ende einigte man sich auf 1200 Euro für das gute Stück aus Armeebeständen, das nicht sofort einsatzbeit war. Vor dem Vergnügen stand erst einmal Schrauben auf dem Programm: "Bevor ihr in See stecht, solltet ihr die Gummimanschetten der Umlenkhebel tauschen", gab uns der Verkäufer noch mit auf den Weg, als wir das Auto bei ihm abholten, "sonst sauft ihr ab".
Ersatz für die defekten Dichtungen fanden sich im Zubehörhandel, in der Größe variable Antriebsmanschetten. Auch beim defekten Anlasser war der Fehler schnell gefunden: Schlammiges Wasser hatte ihn verdreckt. Nach einer gründlichen Reinigung und einer reichlichen Dosis WD-40 funktionierte er wieder wie neu. Ach ja, die Lenzpumpe wollte Mechaniker Horn vor dem Stapellauf auch gerichtet haben. Manchmal bin ich einfach zu gutgläubig.

Technische Daten

LuAZ 967 Vierzylinder-V-Benzinmotor, vorn längs • luftgekühlt • 2 Ventile je Zylinder • Hubraum 1197 cm3 • Leistung 27 kW (37 PS) bei 4100/min • max. Drehmoment 71 Nm bei 2900/min • Frontantrieb, Heckantrieb zuschaltbar, mechanische Hinterachs-Differenzialsperre (100 %) • 4-Gang-Schaltgetriebe mit Geländeuntersetzung • Einzelradaufhängung vorn und hinten • Trommelbremsen vorn und hinten • Reifen 150 x 300 • Länge/Breite/Höhe 3682/1712/1580 mm • Radstand 1800 mm • Leergewicht 950 kg • Zuladung 400 kg • Bodenfreiheit 285 mm • Tankvolumen 34 l • Höchstgeschwindigkeit 75 km/h auf Land, 3 km/h im Wasser • maximale Schwimmzeit 30 Minuten Bauzeitraum 1961 - 1978.