Ferrari 296 GTS: Road to Le Mans
Mit einem Ferrari 296 GTS nach Le Mans

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Le Mans wird 100, Ferrari ist nach 50 Jahren zurück. AUTO BILD SPORTSCARS schnappt sich einen 296 GTS – und schaut sich das vor Ort an!
Bild: Hersteller
Die 24 Stunden von Le Mans – wer Motorsport lebt, kommt spätestens jetzt ins Schwärmen. 1923 fand im Département Sarthe das erste Rennen zweimal rund um die Uhr statt, seitdem gab es 89 weitere Auflagen, die Legenden und Tragödien en masse hervorbrachten.
Man denke nur an die 1966er-Auflage, als der eigentlich siegreiche Ford GT40 im Nachhinein nur als Zweiter gewertet wurde. Oder den Brun-Porsche, dem 1990 nur 15 Minuten vor dem Ziel auf der Hunaudières-Geraden der Motor um die Ohren flog. 2016 strandete der in Führung liegende Toyota in der letzten Runde auf der Start-Ziel-Geraden – direkt vor den Augen seiner Boxencrew.
Die Jubiläums-Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans war schon vor dem Start ein Klassiker
Und das diesjährige 91. Rennen versprach schon vor dem Start, ein echter Klassiker zu werden. In der Top-Kategorie waren mit Vorjahressieger Toyota, Porsche, Cadillac, Peugeot und natürlich Ferrari gleich fünf Werksteams gemeldet. So voller Prominenz war es an der Spitze des Feldes seit der 1999er-Ausgabe nicht mehr, die von vielen als das beste Le-Mans-Rennen aller Zeiten angesehen wird.
Ferrari bekommt dabei besondere Aufmerksamkeit, denn das Comeback mit dem 499P markiert den ersten Werkseinsatz aus Maranello in der Top-Kategorie seit exakt 50 Jahren. Zwar fuhren von 1995 bis 99 einige 333SP an der Sarthe, die offenen Prototypen wurden jedoch privat und teils gegen den Willen des Werks eingesetzt.
Mit einem 296 GTS nach Le Mans? Da können wir nicht Nein sagen
Bei so viel Historie konnten wir nicht nein sagen, als uns Ferrari fragte, ob wir mit einem Straßenmodell die lange Reise nach Frankreich auf uns nehmen wollten. 1200 Kilometer in einem Ferrari? Da haben wir schon von schlimmeren Foltermethoden gehört.

Ein bisschen Blödsinn fährt immer mit: Stimmungsmeldung aus dem Cockpit.
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Also satteln wir am Mittwochmorgen vor dem Rennen unseren blauen 296 GTS und geben ihm zunächst auf deutscher Autobahn die Sporen. Hier kann der 2,9-Liter-V6 noch mal zeigen, was in ihm steckt, bevor wir bei Mülhausen auf die französische Seite wechseln und der Spaß vom dortigen Tempolimit als Geisel genommen wird.
Wenn schon nicht schnell, dann wenigstens offen
Bei maximal 130 km/h ist ab sofort der Cruising-Modus die einzig verbleibende Fortbewegungsart, aber zum Glück können wir bei unserem GTS das Dach nach hinten klappen. So röstet uns die knallige Frühsommer-Sonne die Stirn, während sich der 663 PS starke Biturbo hinter uns ein bisschen zu langweilen scheint. Im Race-Modus verwöhnt er uns zumindest mit seiner famosen Akustik.

Ein Brett im Kornfeld: Der 296 ist fahrdynamisch eine echte Wucht.
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Bei Michelin weiht man uns in die Geheimnisse der Reifenentwicklung ein
Nach dem ersten Tankstopp in Besançon heißt unser Tagesziel Clermont-Ferrand. Hier erklärt uns Michelin am nächsten Tag, wie sie die High-End-Pneus für die Sportwagen aus Maranello zusammenmixen und backen. Je nach Performance-Ausprägung, Gewicht, bzw. Gewichtsverteilung und selbst der Motoreinbaulage des jeweiligen Modells, wird die Zusammensetzung des schwarzen Goldes angepasst und umfangreichst unter sämtlichen Bedingungen getestet.

Auf den französischen Landsträßchen wird das Autofahren zum puren Genuss.
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Nachmittags macht sich die Kolonne auf den Weg; die letzten 400 Kilometer nach Le Mans stehen an. Doch wir haben keine Lust auf das ständige Autobahn-Gezuckel, schnappen uns Fotograf Lennen sowie einen SF90 Spider, dessen Piloten ebenfalls ausbruchswillig sind, und erkunden die kleinen Örtchen und verwinkelten Landstraßen rund um die Loire.

Italienischer Supersportler vor US-Altblech in der französischen Provinz – gelebte Völkerverständigung.
Bild: Alexander Bernt
Schon im dritten Dörfchen haben wir Erfolg, finden eine echte Perle in Form eines US-Schraubers, der gerade einen Chevy-Big-Block lauffähig auf einem Gestell montiert hat und parallel an einem 66er Mustang arbeitet. Draußen im Hof stehen noch drei weitere Ponys, ein völlig vergammelter El Camino, ein Datsun 240Z, ein Jensen Interceptor und ein Trabant Kombi – unter anderem.
Perlen findet nur, wer den Weg zum Ziel macht
Ein komplett wirrer Laden, der innen eine Mischung aus Teilelager und Memorabilia-Museum ist und deren Besitzer – wie in Frankreich üblich – natürlich kaum ein Wort Englisch spricht. Meine drei Jahre Schulfranzösisch sind auch schon wieder ein Weilchen her, aber mit Händen und Füßen bekommt man sich schon verständigt. Im Zweifel spricht man schon eine gemeinsame Sprache: nämlich Auto. Als Kontrast passt unser brandneuer und 830 PS starker Ferrari hier perfekt dazu.

Fast geschafft: In der Dämmerung nähern wir uns dem Ziel Le Mans.
Bild: Hersteller
Es wird schon dämmerig, als wir 15 Kilometer vor Le Mans das erste Hinweisschild auf unser Ziel erspähen. Natürlich ist auch hier noch ein Fotostopp Pflicht, bevor wir bei Dunkelheit im französischen Motorsport-Mekka einrollen – und prompt im Stau stehen.
Im nicht enden wollenden Gezuckel wechseln wir in den Hybridmodus, dann schaltet der 296 GTS den Verbrenner ab und steht sich lautlos seine Michelins in den Bauch. Wir halten den enttäuschten Blicken der vorbeiwandernden Le-Mans-Fans aber nur kurz stand. "Wie, hier steht ein Ferrari und der macht keinen Lärm? Dreh mal hoch die Kiste." Hast ja recht, lieber Racing-Fan, wir sitzen ja nicht in einem Prius. Ein Ferrari, den man nicht hören kann, das ist schon ein bisschen peinlich. Also: Ein kurzer Druck am digitalen Volant, der V6 springt vehement grollend an, die Passanten jubeln. So muss das sein, hier in Le Mans.
Fazit
Die Faszination Le Mans ist ungebrochen – das beweisen 325.000 Zuschauer, ein neuer Rekord. Dabei gilt: Je faszinierender das Gefährt, mit dem man anreist, desto mehr wird die Reise selbst zum Erlebnis. Im Ferrari? Unschlagbar.
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