(Reuters/brü/cj) Eine italienische Kompakt-Schönheit könnte bald vom Markt verschwinden. Wie Automotive News Europe berichtete, wird die nun verabschiedete Fusion von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und PSA (u. a. Peugeot, Citroën und Opel) möglicherweise schon 2020 für den Alfa Giulietta das Aus bedeuten. Dies sei bei einer Sitzung von FCA-CEO Michael Manley mit Analysten deutlich geworden. "Ich glaube an die Marke, aber wir müssen sicherstellen, dass jegliche Investitionen für einen angemessenen Ertrag sorgen", wird Manley zitiert. Zudem werden demnach bei Alfa Romeo zwei geplante Sportwagen mit 600 und 700 PS sowie ein großes SUV nicht kommen, die Elektrifizierung geringer ausfallen. Die im Portfolio verbliebenen Baureihen Giulia und Stelvio sollen 2021 ein Facelift und ein Jahr später Gesellschaft von einem kleinen und einem kompakten SUV bekommen.

Auch Folgen für Fiat 500 und Fiat Panda?

Was die Fusion von FCA und PSA bedeutet
Auch für Fiat Panda (l.) und Fiat 500 könnte bald ein Lebensabschnitt zu Ende gehen.
Auch für Fiat 500 und Fiat Panda könnte die italienisch-amerikanisch-französische Fusion aus Spargründen weitreichende Folgen haben. Wie Automotive News Europe ebenfalls unter Bezug auf das Treffen mit Manley berichtete, könnte sich Fiat aus dem Minicar-Segment in Europa zurückziehen und Kunden in höherklassige Kaufklassen locken wollen. Das wäre gleichbedeutend mit dem Ende des Fiat 500 als Dreitürer-Fließheck und dem Panda – die beiden europäischen Marktführer in ihrem Segment. Einen Zeitplan habe der Konzernchef nicht genannt. Das Vorhaben würde aber einem Trend entsprechen, nachdem auch Opel den Adam und Karl nicht weiterführt sowie Ford den Europa-Import des Ka+ gestoppt hat.
Die Fusion könnte insofern den Prozess fördern, da die Italo-Amerikaner künftig Zugang zur Modularen Plattform von PSA hätten, auf der unter anderem Peugeot 208 und Opel Corsa basieren, beide bald auch elektrisch. Experten halten es allerdings auch für möglich, dass Fiat die genannten Kleinwagen bei Technik und Ausstattung aufrüstet und damit in ein profitableres Segment hievt. Zudem hatte Fiat im September 2019 die Präsentation des Fiat 500 electric auf dem Autosalon Genf 2020 angekündigt. Die Rede war von einer Investition in Höhe von 700 Millionen Euro.

Viertgrößter Autokonzern der Welt?

Nach wochenlangen Verhandlungen verkündete PSA und Fiat Chrysler am 18. Dezember 2019 ihre Mega-Fusion. Sie wollen den viertgrößten Autohersteller der Welt schmieden und ein Hauptakteur der Branche werden – nach Volkswagen, Toyota und Renault-Nissan. Zusammen verfügen PSA und FCA über Marken wie Fiat, Jeep, Chrysler, Alfa Romeo, Maserati, Peugeot, Opel oder Vauxhall. Gemeinsam würden die Unternehmen im Jahr 8,7 Millionen Fahrzeugen verkaufen und damit 170 Milliarden Euro umsetzen. FCA verkaufte 2018 mehr Autos als PSA, der französische Konzern hat mehr Beschäftigte.

So urteilen Autoexperten

Peugeot/Citroën und Fiat vor Fusion?
Branchenexperte Stefan Bratzel erwartet bei einer Fusion einen harten Sparkurs im neuen Konzern.
Für Fiat Chrysler ist die Fusion die Rettung, bewertet Jürgen Pieper, Autoexperte vom Bankhaus Metzler, den Schritt. "Das Unternehmen ist doch technologisch sehr stark zurückgefallen und hätte alleine enorme Schwierigkeiten, bei E-Mobilität und anderen Zukunftsthemen mit den anderen mitzuhalten." Zusammen könnten die Autobauer zur ersten Liga aufschließen. Nach Ansicht des Auto-Experten Stefan Bratzel böte eine Fusion viele Chancen. Die Franzosen könnten so auf dem US-Markt Fuß fassen, sagte der Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Auch auf dem europäischen Markt würde der PSA-Marktanteil mit Fiat weiter wachsen. Weitere Skaleneffekte im Einkauf seien zu erwarten, wenn künftig Fiat-Autos auf PSA-Plattformen stünden. Ähnlich wie nach der Übernahme der früheren General-Motors-Tochter Opel wäre bei Fiat eine harte Sanierung zu erwarten. "PSA-Chef Carlos Tavares macht das, was notwendig ist. Er ist sich auch nicht zu fein, die Brechstange auszupacken", sagte Bratzel. Dies sei allerdings nur möglich, wenn der Pariser Konzern die Führung im neuen Unternehmen übernehmen könnte. "Eine Fusion unter Gleichen würde nicht funktionieren", urteilte der Wissenschaftler.

Fusion unter Gleichen

Doch genau das ist geplant  Im neuen Unternehmen wird ein ausgewogen besetzter Verwaltungsrat angestrebt. Carlos Tavares (61) wird Vorstandsvorsitzender. Der Portugiese trimmt seit rund zwei Jahren die frühere General-Motors-Tochter Opel auf Gewinne und Effizienz. Der FCA-Verwaltungsratsvorsitzende John Elkann (43) übernimmt diese Rolle auch in dem neuen Unternehmen. Er ist der Enkel das legendären Fiat-Bosses Giovanni "Gianni" Agnelli (1921-2003) und Ururenkel des Fiat-Gründers Giovanni Agnelli senior (1866-1945). Das italienische Traditionsunternehmen war 2014 in Fiat Chrysler Automobiles aufgegangen. FCA-Chef Mike Manley erinnerte daran, dass sowohl sein Unternehmen als auch PSA schwierige Zeiten durchgemacht hätten und nun zu „agilen Konzernen“ aufgestiegen seien. Mit der Fusion sollen Spareffekte von 3,7 Milliarden Euro erzielt werden, ohne eine Fabrik zu schließen.

FCA punktet mit amerikanischem Vertriebsnetz

Es ist vor allem das gut ausgebaute Vertriebsnetz in Nordamerika, das FCA in den gemeinsamen neuen Konzern mit einbringen kann. Es dürfte den Markteinstieg von Peugeot in Amerika erheblich erleichtern. PSA ist dafür in Europa stärker. Auch bei der Entwicklung von Hybrid- und Batterie-Fahrzeugen sind die Franzosen weiter als die Italoamerikaner. Der Aufsichtsrat von PSA hatte bereits am Dienstag grünes Licht für die Fusion gegeben, berichtet die dpa. Der französische Staat, der Anteilseigner bei PSA ist, signalisiert seit einiger Zeit seine Zustimmung zur der Fusion.