Ein Hoch auf den Laderaum

Kein Zweifel, unsere Welt ist schöner geworden. Heute bekommt jedes Ding sein eigenes "Design" - egal ob Sofa, Jacke, CD-Spieler oder Telefon. In dieser schnelllebigen Zeit entscheidet der erste Anblick, da will nicht einmal mein Küchenmixer durchfallen. Umso mehr erstaunt die Karriere einer neuen Sorte von Kastenauto, die offensichtlich auf Design verzichtet. Einen Renault Kangoo oder den neuen Fiat Doblo müssen die Gestalter schlicht übersehen haben. Die sind einfach nur riesig. Ein Hoch auf den Laderaum. Wirklich, es gibt Hübscheres auf vier Rädern, aber vermutlich keine Autos, die vielseitiger, praktischer und wirtschaftlicher sind. Manchmal kommt die Schönheit eben von innen.

Trotzdem dürften ihre Cockpits wohnlicher wirken. Der Fiat scheint freundlicher, aber das viele Plastik sieht aus, als könnte man den Innenraum zur Not mit dem Dampfstrahler reinigen. Der Kangoo ist sogar im Boden- und Ladebereich komplett mit Gummi ausgelegt. Einfach drüber hinwegsehen. Schließlich kosten die beiden erheblich weniger als Vans mit vergleichbar viel Platz.

Doch auch günstige Autos verdienen gute Funktionalität. Beispiel Doblo. Liebe Ingenieure, wofür sind Dosenhalter da? Richtig, um Dosen zu halten. Wem ist eingefallen, diese Halterung konisch wie eine McDonald's-Eistüte zu formen, sodass nicht einmal eine Cola-Dose hineinpasst? Keine nette Geste. Ebenso die riesigen vorderen Seitenscheiben beim Doblo. Man sieht (wie im Kangoo) hervorragend, nur sollten die Fenster komplett herunterzufahren sein. Wer will sich schon beim Bezahlen im Parkhaus dauernd den Arm verrenken?

Frankreichs neue Raumdimension(en)

Aber: Alles vergessen, sobald der Doblo zum Baumarkt rollt. Schon bei voller Bestuhlung passen hinter die Rücksitze 750 Liter Gepäck, 50 Prozent mehr als beim Kangoo (500 Liter). Wird die einteilige Bank zusammengefaltet und nach vorn geklappt (wie vor 30 Jahren beim Renault 4), schluckt er bis unters Dach sagenhafte 3000 Liter (Kangoo: 2380 Liter, geteilte Rückbank Serie). So viel wie zwei Golf Variant. So macht man sich Freunde, spätestens, wenn jemand aus der Bekanntschaft umzieht.

Hinten öffnet beim Doblo normalerweise eine Flügeltür, gegen 200 Mark extra eine riesige Heckklappe, die fast zwei Meter hochschwingt. Darunter steht im Regen eine ganze Familie trocken, aber beim Schließen muss man immer zweimal zudrücken. Beim Kangoo wählt man seine Türart aufpreisfrei. Für den seitlichen Zugang ist die praktische Schiebetür längst Standard in dieser Autoklasse. Besonders vorteilhaft, wenn Kinder ein- und aussteigen, denn die kleinen Chaoten achten selten darauf, wie dicht das Nachbarauto nebenan parkt.

Auch hier glänzt der Doblo mit der breitesten Öffnung (65 Zentimeter). Der Einstieg klappt so zwar bequemer als beim Kangoo, doch verrenken muss man sich auch beim Franzosen nicht. Etwas mehr Aufmerksamkeit hätte Renault aber den Fondgästen schenken sollen. Längere Fahrten sind auf den recht dünnen Polstern schwer zu ertragen.

Obwohl nur so lang wie ein Golf, wirkt Fiats Kompakt-Van hinter dem Lenkrad ein biss-chen wie ein Kleinlaster. Das Raumgefühl ist riesig, fast zu riesig. Beim Fahren links den Ellenbogen aufstützen? Die Tür ist weit weg, Lässigsein nicht einfach. Der Kangoo erscheint hier handlicher, passender, man fühlt sich nicht wie ein Kind auf einem zu großen Stuhl.

Nur die Motoren sind zu klein

Eher zu klein sind die Motoren. Beide Modelle treibt ein 1,2-Liter-Vierzylinder an, der im Doblo 65, im Kangoo nur 60 PS leistet. Dennoch wirkt der Renault entgegen den Messwerten munterer, hängt etwas williger am Gas. Den Fiat plagt sein Mehrgewicht von 200 Kilogramm - das sind acht Sack Zement. In der Stadt spielt dies alles keine Rolle. Doch geht es einmal mit vollem Gepäck auf die Autobahn, kann die Reise mitunter zum zähen Rennen mit Schnelllastern ausarten. Hier mühen sich die paar sparsamen Pferde redlich, nicht allzu lange die linke Spur zu blockieren.

Klar, dass dies dem Fahrer auf den Magen und dem Motor auf den Verbrauch schlägt. Der Doblo benötigt 8,6 Liter. Genügsamer ist der leichtere Kangoo, dem 7,1 Liter reichen. Fiat will ab Herbst motorisch aufstocken: Dann werden ein Benziner mit 103 PS sowie ein Diesel mit 100 PS nachgereicht. Renault bietet schon heute 75 Benzin-PS und 80 Diesel-PS an.

Den Fahrkomfort einer Limousine sollte man bei beiden nicht erwarten. Die Abstimmung aber stimmt. Nur bei schlechten Wegstrecken rappelt es hinten im Blechgehäuse. Und ein Gaswegnehmen in zu schnell gefahrenen Kurven beantworten die Hecks mitunter mit einem kleinen Schlenker. Doch im Alltag haben Doblo- wie Kangoo-Lenker nichts Derartiges zu befürchten. Höchstens Neid - wenn es mit Familie, Rädern und Gepäck ins Wochenende geht, zum echten Spartarif. Auch dies zählt zu den inneren Werten.

Fazit und Zeugnis

Fazit Knapp, sehr knapp, dieser Sieg für Fiats tolle Kiste. Er bietet mehr an Raum und Zuladung, verschenkt aber bei der Variabilität (geteilte Rückbank nur gegen Aufpreis) und durch den höheren Verbrauch einige Punkte. Der Kangoo kann das meiste ähnlich gut, ist zwar etwas kleiner, dafür aber handlicher und sparsamer. Er wirkt nicht zuletzt optisch etwas mehr als Pkw, während der Fiat erste Wahl für diejenigen ist, denen maximaler Raum am wichtigsten ist.

Preise und Kosten

Der Testverbrauch der kleinen Vierzylinder liegt vor allem beim Fiat mit 8,6 Litern recht hoch. Ein Tribut an den hohen Luftwiderstand der praktischen Kastenform.

Technische Daten und Testwerte

Volle Punktzahl für den Fiat in Sachen Kofferraum: 750 bzw. 3000! Liter - mehr Platz kann der Kunde auf 4,17 Metern länge nicht erwarten. Der Doblo wirkt dadurch aber eher wie ein Lieferwagen.

Punktewertung

Der Fiat gewinnt den Vergleich mit knappem Vorsprung. Wer andere Akzente setzen will, rechnet einfach die entsprechende Rubrik raus und kommt zum eigenen Ergebnis.