Vergeuden wir keine Zeit, es geht um Meter und Zehntelsekunden. An der Startlinie grummeln sich zwei Sportler warm. Der neue Fiesta ST und der Polo GTI liegen vor der grünen Ampel gleichauf: beide 200 PS stark, unter sieben Sekunden bis Tempo 100, Kriegsbemalung bis unter die Dachspoiler. Den Unterschied macht die Technik: Im Ford sprotzelt ein leichter Dreizylinder, VW setzt auf zwei Liter Hubraum und vier Zylinder.

Der Polo GTI klingt eher nach Sängerknabe

Sieger der Herzen: Fiesta ST!
Immerhin: Mit 1200 Kilo schlägt der Ford Fiesta ST den VW Polo GTI auf der Waage um zwei Zentner.
Wir haken schnell ab, was jetzt nicht zählt: Platz, Kofferraum, Türen. Den Vergleich hat der neue Polo schon oft gewonnen. Diesmal suchen wir nicht das rundere Auto, sondern den spitzeren, schärferen Renner. Da hat Ford wieder eine pure Fahrmaschine auf 18-Zoll-Räder gestellt. Der Fiesta ST bekam den preisgekrönten 1,5-Liter-Turbo nach dem Motto: Leistung rauf (der Vorgänger hatte 182 PS), Gewicht runter (leichterer Motor). Schade nur, wenn Luxus und Leder-Exklusiv-Paket (3000 Euro Aufpreis) beim Testwagen die Diät wieder zunichte machen. Immerhin, mit 1200 Kilo schlägt der Fiesta ST den Polo auf der Waage um zwei Zentner. Rein in die Recaro-Sitze und den Fahrmodus mit der Zielflagge eintippen. "Rennstrecke" stellt Gas und Lenkung scharf, den Klappenauspuff auf Donnerwetter. Aber hallo, bei diesem Klang jammert niemand über angeblich fehlenden Hubraum. Der Fiesta bollert bassig unrund, vom Leerlauf bis zum roten Bereich. Dagegen klingt der Polo – auch mit Klappenauspuff – eher nach Sängerknabe.

Die aufregendere Fahrmaschine kommt definitiv von Ford

Ford Fiesta ST
Unwiderstehlich: Im Fiesta ST ist eine schnelle Runde zwar richtig Arbeit, macht aber einen Heidenspaß!
Der Soundtrack passt zum ST, denn es ist reichlich zu tun. Das dicke Lenkrad verlangt einen festen Griff, setzt das leiseste Zucken hypersensibel um und zeigt dir, wann die mechanische Sperre greift: hinter der ersten Spitzkehre ein wahrer Segen. Als hätten sich die Vorderräder in Schienen eingehakt, so zieht der Fiesta beim Gasgeben heraus. Auf der Geraden dreht der 1,5-Liter gierig ans Limit bei 6300, dankbar registriert das Auge die blinkende Schaltanzeige. Dann eine lange Links. Bremse antippen, einlenken – der ST tänzelt wie ein Boxer, hebt hinten ein Rad. Verlangt hier einen Hauch mehr Einschlag, krallt die Michelin Super Sport unerbittlich in die Spur. Untersteuern? Nicht im Fiesta. Beim Gaswegnehmen dreht der Hintern nach außen, so möchte es der Rennfahrer, das hilft ums Eck. Ein spannender Tanz zwischen Lenkung, Hinterachse, Gas und Grip. Tja, Sportfreunde, so geht Reality, das hier ist keine Spielekonsole! Der Fiesta fordert den Fahrer, watscht ihn ab für Fehler und belohnt, wenn alles passt mit einer respektablen Rundenzeit. 1:40,33 min, ein Golf GTI ist nur gut eine Sekunde flotter.
Im Polo sitzt man höher, in einem Fünftürer (gibt's nur so) mit Doppelkupplungsgetriebe. Im Fahrmodus Individual öffnet "Sport Select". Aha, der Testwagen hat verstellbare Dämpfer (290 Euro extra), wir wählen "Sport". Und los. Was für eine stille Show dieser 2,0-Liter-Turbo abzieht: innen ein Technik-Tier mit kombinierter Direkt-und Saugrohreinspritzung, Miller-Zyklus und variablem Ventilhub, nach außen ein Gentleman-Bulle.

Elektronische Helfer lassen den Polo nie ganz von der Leine

VW Polo GTI
Der Polo GTI geht souverän und fast gelassen um den Rundkurs, ist dabei aber richtig schnell.
Der geht flotter, als das Werk verspricht (6,4 Sekunden auf Tempo 100), schiebt mit überlegenen 320 Nm Drehmoment und wird erst jenseits der 5500 Touren zäh. Der Polo beruhigt, manche sagen: entrückt. Die Lenkung? Linear und verlässlich wie ein Zollbeamter. Das Fahrwerk? Liegt ruhiger als der Fiesta und schiebt am Limit über die Vorderräder. Vollgas am Kurvenausgang? Das Sport-ESP (lässt sich nie ganz abschalten) hält den VW an der langen Leine. So wie das DSG auch in der "Sport"-Gasse irgendwann unpassend dazwischenfunkt – Big Brother statt völliger Freiheit. Mit den Michelin Pilot Sport 4 hat der Polo GTI deutlich an Grip zugelegt und ist nur ein Zehntel langsamer: 1:40,42 min. Woher kommt der Gleichstand? Weil der VW schneller beschleunigt, als das Werk verspricht, und mit 312-Millimeter-Bremsscheiben vorne härter ankert als der Ford (nur 278 mm). So verliert der Fiesta die Sportwertung auf der Bremse. Um ein paar Meter, dieser verrückte Hund!

Fazit

von

Joachim Staat
Das Rennen Drei- gegen Vierzylinder endet remis: Bei Leistung wie Rundenzeit liegen Fiesta und Polo gleichauf. Doch unterschied-licher können zwei Sportler kaum antreten: Der VW ist ein kaltblütiger, effizienter Vollstrecker, der Ford ein Spaßgerät, das auf jedem Meter dazu anstiftet, Quatsch zu machen. Unser Sieger der Herzen: Fiesta ST!

Von

Joachim Staat