Die Coronakrise trifft die Formel-1-Teams. Daher kommen plötzlich auch unkonventionelle Ideen auf den Tisch. Red-Bull-Teamchef Christian Horner schlägt zum Beispiel vor, dass Topteams wie Mercedes, Ferrari und Red Bull Jahreswagen an andere Teams verkaufen. „Dann könnten sie als reines Rennteam agieren. Sie brauchen nicht diese Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Es ist der schnellste Weg, um wettbewerbsfähig zu sein und ebenso der billigste“, argumentiert der Brite.
Haas, Alpha Tauri und Racing Point beziehen schon jetzt viele Teile von Ferrari, respektive Red Bull und Mercedes. Haas-Teamchef Günther Steiner sagt trotzdem: „Vielleicht kommt der Tag, an dem man sie braucht. Vielleicht sagen wir oder ein anderes Team dann, dass wir sonst nicht mehr mitmachen können. Ich denke aber nicht, dass Kundenautos momentan eine gute Idee sind.“
Jahrelang war das Thema Kundenauto ein Tabuthema. Grund: Das würde nicht der DNA der Formel 1 entsprechen.
Ein Blick in die Formel-1-Geschichte zeigt aber: Das ist falsch. RAM war 1980 das letzte Formel-1-Team, das ein Auto von einem anderen Rennstall kaufte (Williams) und es bei WM-Rennen zum Einsatz brachte. Williams wiederum begann 1969 mit Brabham-Kundenautos. Zwei der 245 Podestplätze der Williams-Teamgeschichte sind mit Kundenfahrzeugen und nicht mit Eigenbauten erzielt worden.
Unter Formel-1-Historikern gilt Rob Walker Racing sogar als Kultteam – und das liegt nicht primär daran, dass Rob Walker aus der Johnnie-Walker-Spirituosendynastie stammt. Stattdessen war sein Rennstall von 1953 bis 1970 bei 120 Rennen in der Formel 1 unterwegs und erzielte neun Siege. Dabei hat er nie einen Eigenbau eingesetzt, sondern immer auf Fremdchassis zurückgegriffen – und war damit immer besser als die Werksteams. Stirling Moss holte für das Team 1958 in Argentinien den ersten Sieg eines Cooper-Chassis, 1960 in Monaco den ersten für Lotus. 1960 baute Walker einen eigenen F1-Flitzer mit Climax-Motor, aber das Auto war zu schwer und fuhr nie ein Formel-1-Rennen.
Williams
Williams begann als Kundenauto-Team
Beim Großbritannien-GP 1959 und 1960 sowie beim USA-GP 1960 waren gleich zwölf Cooper-Rennwagen im Einsatz – allerdings mit unterschiedlichen Motoren von Climax, Maserati, Castellotti und Borgward.
Maserati verkaufte in den 1950er Jahren 33 Autos des Modells 250F – es ist damit das Auto, das am häufigsten in der Formel 1 eingesetzt wurde (mehr zum Auto HIER).
Mit Ferrari-Kundenautos wurden fünf Podestplätze erzielt – zwei davon durch den Schweizer Rudolf Fischer, der ein kleines Privatteam (Ecurie Espadon) mit Freunden zusammenstellte, einen Ferrari kaufte und damit in der Formel 1 mitmischte. So einfach war das damals, in den 1950er Jahren.
Die Scuderia Italia war das letzte Team, das nie eigene Chassis gebaut hat. Von 1988 bis 1993 war die italienische Mannschaft dabei, kaufte zwar keine Fremdautos, sondern ließ sich die Renner von den Chassisbauern Dallara und Lola entwickeln. Zwei Treppchenplatzierungen sprangen dabei raus.
Die Kundenautobilanz in der Formel 1: 19 Teams holten mit Kundenautos von elf verschiedenen Herstellern insgesamt 58 Podestplätze und zehn Siege.

Von

Michael Zeitler