Auch am Samstag in Bahrain bot sich einem wieder ein mittlerweile schon altbekanntes Bild - sehr zum Leidwesen von Nico Rosberg: Lewis Hamilton steigt aus dem Silberpfeil, ballt die Faust, jubelt und blickt auf die Anzeigetafel, auf der sein Name hinter der Nummer eins steht. Auch wenn es sich nur um die Qualifikation zum Wüstenrennen handelte, Hamilton dominiert die Formel 1 derzeit - vor allem aber dominiert er Teamkollege Rosberg, der immer öfter im Schatten des Weltmeisters steht und missmutig gute Miene zum für ihn so bösen Spiel machen muss. Dass es so wie zuletzt in Shanghai dann einmal zu Gefühlsausbrüchen kommt, darf eigentlich niemanden wundern. Vor allem, wenn man sich in die schmerzhafte Perspektive des Deutschen versetzt, der gerade zusehen muss, wie ein anderer Pilot, noch dazu sein Jugendfreund aus Kartzeiten, seinen Traum lebt und sich gleichsam anschickt Rosbergs eigene Karriere daneben verblassen zu lassen.

Der Deutsche im deutschen Werksteam

Berger
Gerhard Berger (l.) hat Verständnis für Nico Rosberg (r.) und dessen Lage beim deutschen Mercedes-Team
Doch der Reihe nach: Im Januar 2010 verkündete Daimler-Chef Dieter Zetsche voller Stolz: „Wir machen die deutsche Nationalmannschaft der Formel 1 perfekt.” Nico Rosberg wurde als junger deutscher Hoffnungsträger von Williams verpflichtet, noch vor Rekordweltmeister Michael Schumacher, mit dem zusammen der Wiesbadener das deutsche Start-Duo für die Rückkehr der Silberpfeile als Werksteam nach über fünf Jahrzehnten bildete. Rosberg hatte die Legende Schumacher anschließend drei Jahre lang voll im Griff, was seine Reputation stetig steigen ließ und seinen Teil dazu beitrug, dass der in die Jahre gekommene Champion Ende 2012 nach drei mäßig erfolgreichen Saisons endgültig in Rente ging. Rosberg hingegen fährt derzeit in seinem sechsten Jahr für die Stuttgarter. Weltmeister aber wurde im Mercedes bisher nur sein britischer Rivale Lewis Hamilton - und als Spitzenreiter der neuen Rennsaison sieht es nicht so aus, als würde sich daran so schnell etwas ändern.
Von außen betrachtet ein bitteres Szenario, das für Rosberg nun sogar das Mitleid des ein oder anderen Ex-Piloten auf den Plan ruft. „Lewis hat sich durch den Titel sehr breitgemacht im Team”, fand beispielsweise Gerhard Berger in einem Interview der „Süddeutschen Zeitung”. Das sei ein Nachteil für Rosberg. Berger meinte sogar in Richtung des 29 Jahre alten Deutschen: „Was ihm aktuell fehlt: der totale mentale und emotionale Rückhalt.” Eine Einschätzung, die zumindest die Teamverantwortlichen bei Mercedes nicht teilen dürften. Seit über einem Jahr bekräftigt Motorsportchef Toto Wolff, dass beide Piloten vor allem auch auf der Strecke gleich behandelt werden. „Wir verfolgen weiterhin das Prinzip, Lewis und Nico rennfahren zu lassen”, betonte der Österreicher im Fahrerlager von Sakhir abermals.

Hamilton cool - Rosberg im Schatten

Hamilton & Rosberg
Während Stallrivale Hamilton (l.) cool bleibt, wirkt Rosberg (r.) dieser Tage immer dünnhäutiger
Allerdings könne es zu Situationen kommen, in denen man sich bewusst sein müsste, dass es einen neuen Konkurrenten gebe. Man habe nicht mehr den Vorsprung wie im vergangenen Jahr. Mögliche strategische Schachzüge könnten auf dem Bahrain International Circuit an diesem Sonntag (17.00 Uhr Ortszeit) den Ausschlag geben über den Sieg. Anders als vor einem Jahr, als sich Hamilton und Rosberg ein faszinierendes Duell auf dem 5,412 Kilometer langen Kurs liefern konnten, wartet Ferrari mit Sebastian Vettel auf Startplatz zwei und Kimi Räikkönen auf Rang vier nur auf Fehler. Weit über 20 Mal erklang seit dem Silberpfeil-Comeback bereits die deutsche Hymne auf dem Podium. Acht Mal, weil Rosberg gewann. Die restlichen Male als Hymne für das Team nach der britischen für Sieger Hamilton. So wie am vergangenen Sonntag in China, als Hamilton vor Rosberg gewann und sich der gebürtige Wiesbadener über die Fahrweise des mittlerweile 35-maligen Grand-Prix-Gewinners bitter beklagte.
„Für einen Rennfahrer ist es wahnsinnig hart, Zweiter zu werden”, bekräftigte Berger: „Man glaubt in dem Moment, die Welt bricht zusammen. Man muss sich deshalb klarmachen: Das bewerte ich jetzt über.” Rosberg aber wurde zwangsläufig immer wieder an den Frust von Shanghai in den Tagen vor dem vierten Saisonrennen erinnert. Der vielsprachige Deutsche musste seinen Emotionsausbruch oft erklären und rechtfertigen, bekam in Person von Jochen Mass und Christian Danner sogar aus dem eigenen Land Kritik entgegengebracht - von zwei Ex-Piloten, die weit weniger Mitgefühl hatten als nun Berger. Und Hamilton? Der hielt sich mit der ganzen Causa natürlich nicht so lange auf. In seiner Muttersprache Englisch erklärte er kurzerhand, er werde es so machen, wie er es seit seinem achten Lebensjahr mache: Auf der Strecke Taten sprechen lassen. Eine Sprache, die in der Formel 1 am wirkungsvollsten ist - auch in einem deutschen Team mit einem deutschen Fahrer. (fh/dpa)