So etwas hat man in dieser Form in der Formel 1 auch noch nicht oft gehört: Obwohl Lewis Hamilton am Sonntag (12. April) den Großen Preis von China in Shanghai vor Nico Rosberg gewann, war der Sieger dem Zweitplatzierten aus Deutschland zu langsam! Wie bitte? Ganz richtig gelesen: Rosberg kochte nach dem dritten Saisonrennen vor Wut und beschwerte sich in aller Öffentlichkeit bei der Pressekonferenz nach der Zieldurchfahrt auch ganz direkt bei Hamilton. "Es ist sehr interessant, Lewis, jetzt von dir zu hören, dass du das ganze Rennen nur an dich selbst und deine Pace an der Spitze gedacht hast", sagte Rosberg in säuerlichem Ton. Eine Kritik mit Ansage, denn bereits im Rennen hatte der Zweitplatzierte sich via Funk am Mercedes-Kommandostand über die Pace seines Teamkollegen beschwert.
Mercedes
Auf der Strecke kam Rosberg (hinten) in Shanghai nicht an Mercedes-Kollege Hamilton (vorne) vorbei
"Wenn Lewis weiter so langsam fährt, stecke ich in seinem Windschatten fest und ruiniere meine Reifen", hatte Rosberg nach 20 von 54 Runden am Sonntag gefunkt und vom Team mit seiner Einschätzung indirekt Recht bekommen, funkte es anschließend doch den Führenden Hamilton an: "Lewis, gib ein bisschen mehr Gas, deine Rundenzeiten sollten bei 1:43,7 liegen." Doch was war genau passiert? Rosberg wurde von hinten immer mehr durch den heraneilenden Sebastian Vettel im Ferrari unter Druck gesetzt. Eine Flucht nach vorne war nicht möglich, da dort Hamilton war, der eine für Rosbergs Geschmack viel zu langsame Pace vorgab. "Das hat mein Rennen unnötig negativ beeinflusst", wetterte Rosberg hinterher. "Lewis ist zu Beginn der Stints langsamer gefahren, als es hätte sein müssen, wodurch Sebastian mir sehr nahe kam." Hamiltons Taktik dabei schien zunächst klar: Reifen schonen.

Hamilton antwortet auf Kritik mit Spitze

Doch Rosberg sah sich so auf einmal einem Undercut Vettels ausgesetzt, der in Runde 31 seinen Stopp vorzog, um den Silberpfeil mit besseren Rundenzeiten auf frischen Reifen zu übertölpeln. Die Konsequenz: Um nicht von Vettel überholt zu werden, musste Rosberg einen Umlauf nach seinem Landsmann mit dem Reifenwechsel nachziehen, während Hamilton an der Spitze auf einmal wieder Gas gab und schnellste Rennrunden in den Asphalt brannte. Das langsame Fahren seines Stallgefährten hatte für Rosberg damit weiterreichende Konsequenzen. "Erst hat es Sebastian die Möglichkeit eröffnet mich anzugreifen, anschließend musste ich ihn abdecken und früher in die Box, was mich viel Zeit im Rennen gekostet hat." Denn, so gab Rosberg zu bedenken: "Durch den vorgezogenen Stopp war mein letzter Stint länger, und mir sind hinten raus die Reifen eingegangen. Eine Attacke nach vorne war so nicht mehr möglich."
Podium China 2015
Die Mienen auf dem Podium verraten es: Rosberg ist angefressen, Hamilton spielt das Unschuldslamm
Absicht von Hamilton, der damit seinen Vorsprung gegen Rennende absichern wollte? Laut Rosberg schon: "Ich ärgere mich und bin sehr unzufrieden damit. Das war definitiv ungut." Doch der Brite wies alle Vorwürfe von sich. "Es ist nicht mein Job, mir Gedanken um Nicos Rennen zu machen. Ich muss mein Auto sicher und so schnell wie möglich ins Ziel bringen, und das habe ich getan", verteidigte sich Hamilton. "Mit Absicht habe ich überhaupt nichts gemacht, schon gar nicht, um andere Autos aufzuhalten. Ich habe mich nur auf mich selbst konzentriert", so der Weltmeister, der seinem mürrischen Stallkollegen gleich noch eine verbale Spitze hinterherschickte: "Wenn Nico mich überholen will, hätte er das ja versuchen können – hat er aber nicht." Nach dem dritten Rennen des Jahres scheint das große und teils mit harten Bandagen geführte Duell der Vorsaison zwischen Hamilton und Rosberg wieder voll aufzuflammen: Die Silberfeinde sind wieder da!

Lauda sagt Wiederauflage des Bahrain-Duell voraus

Dass es zwischen seinen Schützlingen wieder härter zugeht, hatte Niki Lauda schon nach dem Qualifying prognostiziert. Für das nächste Rennen in Bahrain (19. April) schwant ihm bereits ein Duell wie im Vorjahr. "Daran können wir alle bei Mercedes uns noch gut erinnern, dort ging es drunter und drüber", so Lauda. In einer epischen Schlacht hatten sich Hamilton und Rosberg beim Nachtrennen 2014 über viele Runden bekämpft und unzählige Male überholt und fast berührt. Dieses Jahr könnte nun also die Neuauflage folgen. "Wenn Nico die richtigen Lehren aus diesem Rennen zieht, kann er Lewis in Bahrain schlagen. Er war hier in China ja auch schon im Training viel näher an ihm dran", gab der Aufsichtsrat der Silberpfeile zu bedenken.
Siegerfoto Shanghai
Die Silberfeinde: Hamilton & Rosberg würdigten sich auch beim Siegerfoto des Team keines Blickes
Daran, dass Rosberg nach seiner dritten internen Niederlage gegen Hamilton in der noch jungen Saison nun in ein Loch fallen könnte, glaubte Lauda indes nicht. "Klar ist Nico jetzt betrübt. Wenn du eines über die Mütze kriegst, fängst du jedes Mal an nachzudenken. Jetzt ist aber nur eine Woche Pause und Nico kommt immer schnell aus Tiefs zurück. Er wird in Bahrain wieder versuchen, Lewis zu schlagen." Der Rat des Österreichers an Rosberg: "Wenn er mal wieder im Qualifying vorne ist und von Platz eins aus startet, kann es im Rennen schnell ganz anders ausgehen. Und auch hier gab es im Rennen Phasen, wo Nico Lewis angegriffen und gesagt hat, er könne schneller fahren." Der Brite habe sich jedoch auf Grund seiner Position auf der Strecke im Vorteil befunden.

Von

Frederik Hackbarth