Na dann, schönes neues Jahr! Mehr Druck kann man in seinem neuen Job von seinem neuen Boss kaum bekommen. Doch das scheint am Franzosen Frederic Vasseur (54) abzuprallen. „Ich bin mit dem zweiten Platz nicht zufrieden, denn der zweite Platz ist der erste Verlierer“, hatte Ferrari-Geschäftsführer Benedetto Vigna erst kürzlich in einem Interview mit CNBC konstatiert.
Anschließend kündigte Teamchef Mattia Binotto. Als neuer Rennleiter der Scuderia wurde dann Ex-Alfa-Romeo-Teamchef Frederic Vasseur installiert. Doch trotz der brutalen Erfolgsbeschreibung der Ferrari-Führung fühlt sich Vasseur in seiner neuen Rolle sichtlich wohl. Auf dem ersten offiziellen Foto im feinen Ferrari-Zwirn grinst er, als hätte er den WM-Titel längst in der Tasche.
Fest steht: Für die Scuderia ist es der größte Umbruch der letzten Jahre. Erstmals seit 2007 sitzt kein Italiener am Steuer des Traditionsdampfers aus Maranello. Damals endete mit dem Abgang von Jean Todt eine Ära. Es mag Zufall sein, dass mit Vasseur der nächste Franzose angeheuert wurde, um die launische Ferrari-Diva zurück in die Erfolgsspur zu führen.
War bisher Teamchef bei Alfa Romeo: Fred Vasseur
Bild: Alfa Romeo

Dessen Herangehensweise ist jedenfalls schon mal anders als bei seinen Vorgängern. „Meine Aufgabe ist es, am Ende nicht so sehr auf die positiven Punkte zu achten“, sagt Vasseur. „Es geht darum, zu verstehen, wo wir Mist gebaut haben, und zu versuchen, uns zu verbessern!“
Erfolg kann er, der Franzose. Mit seinem Nachwuchsteam ART dominierte er lange die Formel 3 und die Formel 2. Mit ihm wurden Lewis Hamilton, Nico Rosberg und Nico Hülkenberg Meister in der Klasse unter der Königsklasse. Und auch Ferraris aktueller Starpilot lernte in Vasseurs Team, wie man vorneweg fährt.
„Ich habe mit Fred schon in den Junior-Kategorien zusammengearbeitet, wo er an mich geglaubt hat, und wir hatten immer eine gute Beziehung“, verrät Leclerc. „Er war immer sehr geradlinig, sehr ehrlich. Und das ist etwas, das ich an Fred schätze.“
Doch ausgerechnet das ART-Team könnte noch zum Problem werden in der Beziehung zwischen Vasseur und Leclerc. Denn Leclercs Manager Nicholas Todt, Sohn von Ex-Ferrari-Teamchef Jean Todt, war Anteilseigner in der Nachwuchsmannschaft mit Sitz in Frankreich. Vor einigen Jahren trennten sich Vasseur und Todt junior im Streit.
Leclerc zu Alfa-Zeiten mit Peter Sauber und Fred Vasseur
Bild: Alfa Romeo

Deshalb wabern längst neue Gerüchte durch die Szene. Der Wahrheitsgehalt ist nicht nachprüfbar, doch demnach soll Nicholas Todt hoffen, dass auch unter seinem Ex-Partner der Ferrari-Erfolg ausbleibt. Dann könnte sein Schützling Charles Leclerc eine Ausstiegsklausel ziehen und zu Mercedes wechseln. Entsprechenden Gespräche sollen mit Teamchef Toto Wolff bereits stattgefunden gaben, behauptet man unter der Hand im Lager von Red Bull.
Ausgerechnet jener Toto Wolff gilt im Haifischbecken Formel 1 als Freund von Vasseur. Seine Worte im Podcast Beyond the Grid sollte sich der Franzose gut merken: „Als Teamchef von Ferrari repräsentierst du das ganze Land. Sie schreiben dich auf, sie schreiben dich nieder – aber mit Brutalität.“
Fest steht: Vasseur ist spätestens jetzt angekommen im Polit-Zirkus der Königsklasse. Das ruhige Leben bei Afa Romeo ist vorbei. Aber einen großen Vorteil hat der Franzose gegenüber seinen Vorgängern. „Vasseur hat gut florierende Firmen in Paris. Wirtschaftlich ist er nicht abhängig vom Ferrari-Job. Das könnte helfen“, analysiert der ehemalige Formel-1-Pilot Ralf Schumacher bei AUTO BILD.
Allein die Zeit wird zeigen, ob Vasseur das in den letzten Jahren geringe Haltbarkeitsdatum von Ferrari-Teamchefs drastisch nach hinten schieben kann.

Von

Ralf Bach