Dieses Rennen ist für die Formel-1-Teams eine echte Herausforderung - und durch die stark verkürzte Trainingszeit am Freitag (alle Infos hier) noch einmal deutlich schwieriger geworden!
Der Baku City Circuit ist mit seinen langen Geraden, allen voran der fast zwei Kilometer langen Start-Zielgerade, eine Powerstrecke. Deshalb rücken die Teams üblicherweise mit flachen Flügeln an. Wegen der verwinkelten Passage durch die Altstadt, müssen die Ingenieure jedoch Kompromisse bei der Abstimmung eingehen.
Vor allem Ferrari hat das mit seinem Paket gemacht. Ex-Pilot Karun Chandhok erklärt: "Ferrari versucht Mercedes (mit extrem flachem Flügel; d. Red.) zu kontern, indem sie ein bisschen mehr Downforce und mit etwas höheren Flügeleinstellungen fahren. Außer Ferrari und Williams sind alle viel flacher unterwegs."
Ferrari
Auf die Power kommt es an - aber eben nicht nur...
Warum sich die Scuderia diesen Luxus leistet, erklärt Ex-F1-Pilot Anthony Davidson: "Ferrari hat auf der Geraden so einen großen Powervorteil (zuletzt in China waren es fast sieben Zehntel pro Runde; d. Red.), dass sie es sich erlauben, etwas davon zu investieren, um mehr Anpressdruck zu haben und so ihren Nachteil in den Kurven auszugleichen, der zuletzt in Shanghai zu sehen war." 
Davidson weiter: "Auch wenn Mercedes beim Speed nun erstmals mit ihnen mithalten kann, denke ich, dass Ferrari damit hier insgesamt stärker aussehen wird."
Ferrari in Baku obenauf: Leclerc vor Vettel
Zumindest am Freitag bestätigt sich dieser Eindruck. Charles Leclerc legt die Bestzeit vor Sebastian Vettel hin - Lewis Hamilton liegt sieben Zehntel zurück und resümiert: "Die Ferraris sind sehr schnell und es sieht so aus, als seien sie ein bisschen vor uns. Wir müssen jetzt untersuchen, wo wir im Vergleich zu ihnen verlieren. Wir geben alles, aber dass wir über Nacht sieben Zehntel finden, ist eher unwahrscheinlich."
Fürs Qualifying am Samstag wirft Hamilton die Flinte also ins Korn - nicht aber für das Rennen am Sonntag: "Unsere Longrun-Pace sah heute stärker aus als unsere Shortrun-Pace", stellt der Mercedes-Star fest.
Der Tagesschnellste Leclerc hat die Silberpfeile deshalb weiter voll auf der Rechnung: "Im Renntrimm sahen sie sehr stark aus. Ich glaube nicht, dass es einfach wird - wenn sie alles zusammenkriegen, werden sie auch schon morgen im Quali da sein", glaubt Leclerc.
Mercedes
Mercedes fährt mit vergleichsweise flachem Heckflügel
Mit seinem runderneuerten Ferrari ist der Monegasse am Freitag happy: "Ich habe mich im Auto und auf der Strecke wohlgefühlt, es war ein guter Tag." Allein: "Das neue Aero-Paket zu beurteilen ist noch ziemlich schwierig." Will heißen: Auch für Ferrari ist es schwer zu berechnen, wie viel Zeitvorteil vom gelungenen Downforce-Kompromiss und wie viel von den neuen Teilen kommt. 
Hintergrund: Neben der Heckflügelkonfiguration hat die Scuderia auch am Diffusor, den Luftleitblechen und dem Unterboden nachgebessert.
Hat man die Lücke zu Mercedes mit den vorgezogenen Updates (eigentlich waren diese erst zum Europaauftakt in Barcelona geplant) nun geschlossen?
Fakt ist: Die Änderungen am Silberpfeil sind im Vergleich zu Ferraris Update überschaubar. Vor allem eine neue Leiste mit Zacken am unteren Profil des Heckflügels, die sich positiv auf die Luftströmung hinter dem Flügel auswirken soll, sticht ins Auge. Ansonsten ist Mercedes mit dem Baku-spezifischen tiefen Heckflügel einen ähnlichen Tauschhandel wie Ferrari eingegangen - nur andersrum.
Teamchef Toto Wolff erklärt: "In der Vergangenheit waren wir immer die mit der besten Performance auf der Geraden - dieses Jahr aber haben wir die meiste Downforce." Deswegen gibt auch Mercedes freiwillig etwas davon ab und schraubt in Baku den Flügel weit runter, um beim Topspeed mithalten zu können. Welcher Kompromiss im Kampf der Konzepte die Nase vorne hat, zeigt sich spätestens am Sonntag im Rennen.

Von

Frederik Hackbarth