Andreas Seidl, manchmal kommt es anders als man denkt: Eigentlich wollten Sie mit Ihrem McLaren-Team in diesem Jahr um Podiumsplätze mitfahren. Jetzt sitzen Sie nach dem ersten Saisonrennen da und müssen erklären, warum sie hinterherfahren.
Andreas Seidl (46): Das ist Part of the Game. Das Wochenende in Bahrain war ganz klar eine Enttäuschung, weil wir zu Beginn der neuen Ära mit unserem Auto sofort konkurrenzfähig sein wollten. Jetzt müssen wir unsere Schwächen analysieren und uns überlegen, wie wir so schnell wie möglich wieder den Anschluss finden können. 
 
Ist es ein grundsätzliches Problem, so dass man über ein ganz neues Fahrzeugkonzept nachdenken muss. Oder eher die Summe von kleineren Fehlern, die man jetzt nacheinander korrigieren kann?
Es gibt mehrere Gründe. Es war nicht gut, dass wir beim letzten Test der Saison Probleme hatten, zum Beispiel mit der Bremstemperatur. Dadurch fehlte Vorbereitungszeit. Was uns beim ersten Rennwochenende gefehlt hat, war Grip, also Bodenhaftung. Teils von der Mechanik, teils von der Aerodynamik. Das gilt es jetzt zu analysieren und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Wenn es im Moment überhaupt etwas Positives zu sagen gibt, dann, dass es durch das neue Reglement sicherlich wesentlich mehr Luft nach oben gibt, was die Weiterentwicklung betrifft.
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Wie lange kann es dauern, bis Sie den Anschluss wiederhergestellt haben?
Das ist schwierig zu sagen. Wir wollen jedes Rennwochenende kleine Schritte machen. Es ist nicht so einfach, schnelle Lösungen zu finden, auch weil wir uns in einem engen Zeitrahmen befinden, was die Entwicklung betrifft. Einige Rennen wird es demnach schon dauern.
 
Wie sehr sind Sie jetzt persönlich gefordert? Zum Beispiel, um die Motivation im Team nach dem ersten Rückschlag hochzuhalten. Und natürlich auch, was die Fahrer Lando Norris und Daniel Ricciardo betrifft?
Es ist eine neue Situation. Drei Jahre ging es stetig nach oben, nun gab es den ersten Dämpfer. Jetzt ist es wichtig, Ruhe zu bewahren, diese Ruhe aufs Team zu übertragen, hinter den Mitarbeitern zu stehen. Was ich vorlebe: Diese Enttäuschung in positive Energie zu verwandeln. 
 
Haben Sie in Ihrer Motorsportlaufbahn eine solch schwierige Situation schon einmal erlebt?
Natürlich. Es ist Teil des Sports, dass es Höhen aber auch Tiefen gibt. Wir haben die Probleme nicht kommen sehen, aber gerade deshalb ist es jetzt wichtig, Kampfgeist und Sportsgeist zu zeigen und die Situation anzunehmen.
McLaren hat beim Saisonstart in Bahrain negativ überrascht.
Bild: McLaren

 
Wann wissen Sie, ob Sie ein völlig neues Auto brauchen?
Das ist im Moment schwierig zu beantworten. Ich glaube aber, das brauchen wir nicht. Ich glaube nach wie vor an unser Basispaket. Jetzt geht es darum, aus diesem Paket das Optimale herauszuholen, besonders was den Grip betrifft. Wir arbeiten Tag und Nacht auf Hochtouren, produzieren auch schon Teile, die unser Tempo verbessern können. Aber eine Garantie, in welcher Kalenderwoche wir wieder in Normalform sind, kann ich nicht geben. Dafür ist das Thema zu komplex. Was ich aber sagen kann: Wir haben bei McLaren sowohl was Mitarbeiter als auch Ressourcen betrifft, alle Möglichkeiten zurückzuschlagen.
 
Wie sind die Fahrer mit der ersten Enttäuschung umgegangen? Norris und Ricciardo schielen ja eher nach vorn als nach hinten.
Klar waren sie auch enttäuscht. Ich ziehe aber meinen Hut davor, wie sie damit umgingen. Sie fühlen sich als Teil des Teams, das zusammen gewinnt und verliert. Und beide geben genau wie ich positive Energien zurück nach dem Motto: "Packen wir es zusammen an!" Sie glauben an das Potential des Teams. Gefragt ist jetzt der richtige Mix aus Geduld, Kalkül und brennendem Ehrgeiz, um wieder in die Spur zu kommen.
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Gehen wir mal von den Problemzonen weg, die McLaren mit dem Auto hat. Auffällig war in Bahrain auch, dass fünf von sechs von Ferrari-Motoren belieferten Autos in den Top Ten und damit in den Punkten landeten. Unsere These: Ferrari hat einen Motorvorteil und alle anderen hecheln hinterher.
Unser Fokus liegt nur auf uns, darauf, welchen Abstand wir zum Mercedes-Werksteam haben. Sie haben die gleichen Motoren, sie sind unser Maßstab. Uns fehlte im Qualifying eine Sekunde auf sie, sie fuhren aufs Podium. Und genau das muss auch unser Anspruch sein.
 
McLaren arbeitet autark, hat keine Partnerteams wie Ferrari mit, Red Bull mit Alpha Tauri oder Mercedes mit Aston Martin. Ist das mittlerweile ein Nachteil?
Wichtig ist, keine Ausreden zu suchen. Die anderen Teams haben bisher einen besseren Job gemacht als wir, das muss man neidlos anerkennen. Wir müssen jetzt zurückschlagen und unsere Stärken auspacken. 
 
Hat die neue Generation der Autos – weg vom Zeitenvergleich – grundsätzlich ihren Zweck erfüllt? Zum Beispiel, dass das Überholen leichter geworden ist?
Ich denke ja. Man kann schon nach dem ersten Rennen sagen, dass die Formel 1 mit dem neuen Reglement in die richtige Richtung gegangen ist. Nicht nur, dass die Autos trotz aller Bedenken immer noch verschieden aussehen – auch dass sich die Hackordnung geändert hat, was ja jeder wollte.
 
Wie sind die realistischen Ziele in den nächsten drei Rennen: Am Wochenende in Saudi-Arabien, dann Australien und schließlich Imola?
Bahrain hat die Schwächen unseren Autos gnadenlos aufgedeckt. Ich hoffe, dass wir von der Streckencharakteristik her bei den nächsten Rennen etwas besser aussehen werden. Aber bis Imola müssen wir wohl noch kleinere Brötchen backen. Danach hoffen wir, aus eigener Kraft wieder ins dritte Qualifyingsegment kommen zu können.
 
Ein anderes Thema: Weltweit setzen Sportverbände klare Zeichen gegen Putins Krieg in der Ukraine. Die Formel 1 macht in diese Richtung nichts. Müsste da nicht mehr kommen?
Das sehe ich anders. Die Formel 1 hat direkt zusammen mit der FIA bis auf weiteres beschlossen, keine Rennen mehr in Russland zu fahren. Zweitens war es wichtig, wie die Teams den Menschen in der Ukraine direkt helfen konnten. Das haben wir mit der Spendeninitiative zusammen mit UNICEF gemacht. Sowohl unsere Mitarbeiter als auch unsere Fans haben sich daran beteiligt.
 
Gab es, wie zu hören ist, also keinen Druck von oben, sich eher mit Statements pro Ukraine und gegen Putin rauszuhalten?
Nein.

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Von

Ralf Bach