Herr Ricciardo, was war ihr erster Gedanke, als ihnen in Bahrain wenige Meter vor dem Zielstrich der Motor explodiert ist: 'Wie schaffe ich es über die Linie' - oder: 'Verdammt, das war schon mein dritter Motor in dieser Saison'?
Daniel Ricciardo: Im ersten Augenblick einmal, dass ich verdammtes Glück hatte! Denn wäre das eine Kurve früher passiert, hätte ich es nicht mehr ins Ziel und in die Punkte geschafft. Es war also eine Erleichterung, dass wir es über die rettende Linie geschafft haben. Danach habe ich ein bisschen weiter geblickt und mir gedacht: 'Wow, wir haben in vier Rennen schon drei Stück verheizt.' (Den Fahrern stehen pro Saison nur vier Aggregate zur Verfügung; d. Red.) Jetzt wird es schon bald eng und wir werden einige Strafen kassieren. Damit müssen wir in den nächsten Rennen cleverer umgehen.
Für die Fahrer hinter ihnen haben Sie in dem Moment eine Szene wie aus dem Film 'Days of Thunder' kreiert: Im Blindflug durch eine weiße Wand aus Rauch. Gab es denn keine Vorzeichen, dass ihnen der Reanult-Motor gleich um die Ohren fliegt?
Red Bull Renault Motorschaden
Zuletzt in Bahrain verabschiedete sich Ricciardos Motor in spektakulärer Manier in der Zielkurve
Nein, gar nichts. Erst in dem Augenblick als ich aus der Zielkurve herausbeschleunigt habe, gab es das erste Gefühl eines Leistungsverlusts. Dann habe ich in den Rückspiegel geschaut und da war auch schon der Rauch. Es kam leider sehr plötzlich und überraschend.
Was kann Renault nun machen, um ihre Situation zu verbessern?
Wir kriegen schon einige Unterstützung von ihnen, klar ist aber auch: Sie haben jetzt viel zu tun! Das wissen sie auch. Wir müssen sie nun in Ruhe arbeiten lassen, so gut sie eben können. Und es müssen die richtigen Entscheidungen getroffen werden, damit wir vorankommen. Das ist allerdings hart, denn wir suchen nicht nur nach mehr Haltbarkeit sondern auch nach mehr Performance. So etwas ist nie ein einfaches Unterfangen - dennoch versuchen wir sie zu unterstützen und zu helfen, wo wir nur können.
Red Bull ist in der Krise. Aber wussten Sie, dass Sie letztes Jahr zum gleichen Zeitpunkt, nach den ersten vier Rennen, nur fünf Punkte mehr auf dem Konto hatten als jetzt?
Daniel Ricciardo
Nach der guten Saison 2014 mit drei Siegen läuft es heuer noch schleppend bei Daniel Ricciardo
Ja, das könnte man jetzt positiv werten. Aber realistisch gesehen waren wir letztes Jahr zu dieser Zeit viel stärker. Williams und vor allem Ferrari haben nun einen großen Schritt gemacht. Wir sind in der Position, dass wir aufholen müssen, aber ich bin davon überzeugt, dass wir das schaffen. Die Europa-Saison sollte besser für uns laufen, gerade in Bezug auf die Weiterentwicklung. Das sollte uns entgegenkommen.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Teamkollegen Daniil Kvyat? In den ersten Rennen lief es noch nicht rund bei ihm. Ist es in diesen schwierigen Zeiten für das Team nicht auch ein Nachteil, dass er deutlich unerfahrener ist als ihr vorheriger Teamkollege Sebastian Vettel?
Dass Sebastian deutlich mehr Erfahrung hatte ist natürlich kein Geheimnis. Man muss aber auch dazu sagen, dass Daniil technisch schnell dazulernt. Sein Wochenende zuletzt in Bahrain war nicht toll, aber meiner Meinung nach braucht er nur einmal ein gutes und sauberes Rennwochenende und dann kann er auch damit anfangen, dem Team zu zeigen, wozu er wirklich imstande ist. Ich habe keinerlei Zweifel an unserer Zusammenarbeit und daran, dass wir dem Team helfen können, es wieder in die richtige Richtung zu lenken.
Also vermissen Sie Vettel nicht? Gerade auch mit Blick darauf, wo er mit seinem Ferrari aktuell herumfährt...
Frederik Hackbarth
Ricciardo (r.) steht ABMS-Reporter Frederik Hackbarth im Interview Rede und Antwort
(lacht) Na, ich würde mal sagen er schlägt sich da sehr gut! In Malaysia (bei Vettels Sieg; d. Red.) waren es für mich natürlich gemischte Gefühle. Letztes Jahr habe ich ihn klar und deutlich besiegt. Deswegen war es einerseits schön für ihn zu sehen, dass er jetzt den Erfolg hat, der ihm letztes Jahr versagt geblieben ist. Zeitgleich war ich natürlich auch ein wenig frustriert... aber so läuft es eben, so ist der Sport nun einmal.
Red-Bull-Motorsportberater und Ricciardo-Chef Dr. Helmut Marko, der die gemeinsamen Jahre bei Red Bull auch als engster Vertrauter von Sebastian Vettel galt, wollte dem vierfachen Weltmeister trotz der aktuellen Misere bei Red Bull ebenso wenig hinterhertrauern.
 
Herr Marko, wie sieht ihr persönlicher Kontakt zu Sebastian Vettel derzeit aus?
 
Sebastian Vettel im Ferrari
Auf der Strecke liegt Sebastian Vettel 2015 zumeist deutlich vor seinem alten Team Red Bull
Helmut Marko: Der Kontakt besteht und ich habe ihm auch zu seinem Sieg gratuliert. Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn es gibt da so interne Grand-Prix-Wetten im Fahrerlager und ich habe als Einziger auf Sieg Vettel gesetzt. So gesehen war ich doppelt froh über seinen Erfolg!
Wie viel haben Sie dabei denn gewonnen?
(lacht) Das weiß ich gar nicht mehr, das war die malayische Währung. Ich habe das dann auch alles gleich wieder im Duty-Free-Shop verjubelt! Aber im Ernst, das Verhältnis zu Sebastian war ja eines, das über die Jahre hindurch doch über den Rennsport aufgebaut war. Da verändert man sich halt. Aber das heißt ja nicht, dass man sich nicht mehr grün ist.
Fehlt ihnen Vettel - gerade auch jetzt, in der schwierigen Zeit für das Team?
Sebastian Vettel & Helmut Marko
Vettel & Marko: Nach dem Ferrari-Wechsel des Deutschen scheint das Verhältnis etwas abgekühlt
Sebastian hat ganz klar seine Vorzüge und seine Routine. Aber Daniel Ricciardo hat im vergangenen Jahr bereits bewiesen, dass er in Sachen Speed und Autoentwicklung auf gleicher Stufe ist.
Woran hapert es bei Red Bull denn dann im Moment so sehr?
Unser Problem war ganz am Anfang unser Chassis. Damit sind wir derzeit aber wieder voll auf der Höhe. Wir sind sicher in den schnellen Kurven bei den Allerbesten. Das, was uns hemmt, ist die fehlende Motorzuverlässigkeit und Motorleistung. Daran muss Renault arbeiten! Und wir werden versuchen, sie dabei so weit wie möglich zu unterstützen...

Von

Frederik Hackbarth