Er setzt die Schutzmaske auf, nimmt das Schwert in die Hand und positioniert sich vor seinem Gegner – stets zum Angriff bereit. So wie Nico Rosberg (29) für einen BBC-Trailer zum Großen Preis von Japan den Kendo-Krieger mimt, so muss er jetzt auch auf der Strecke auftreten. Der Deutsche muss den Krieger auspacken! Seit der Kollision mit Lewis Hamilton (29) beim Großen Preis von Belgien und der öffentlichen Team-Schelte danach hat Rosberg seine Stärke verloren. In Monza verbremste er sich gleich zweimal. Hamilton gewann. In Singapur streikte die Lenkradelektronik. Hamilton gewann. Im Regen von Japan war Rosberg langsamer als sein Teamkollege. Hamilton gewann. In Sotschi bremste er sich in der ersten Kurve die Reifen „viereckig“. Hamilton gewann.

Weltmeister aus Tradition

Mercedes
Fehler und Verbremser, wie hier zuletzt beim Start im russischen Sotschi, muss Rosberg zukünftig vermeiden

In den letzten vier Grands Prix machte der Brite so 46 Punkte gut. Die Folge: Er führt mit 17 Zählern Vorsprung die WM-Tabelle an. Und Rosberg wirkte zuletzt demoralisiert – auch wenn er das nicht zugeben wollte. Fakt ist: Bei noch drei zu fahrenden Rennen muss der gebürtige Wiesbadener jetzt den Rosberg auspacken! Hintergrund: Vater Keke (65) wurde 1982 Formel-1-Weltmeister. Er galt als furchtloser Haudegen. Und er hat Nico auch in diesem Jahr nach Schwäche-Phasen immer wieder starkgeredet. Doch Rosberg junior scheut den Vergleich mit seinem berühmten Herrn Papa. „Dadurch habe ich in meiner ganzen Karriere immer mehr Möglichkeiten gehabt“, gibt er zwar zu. „Andererseits bin ich auch immer nur der Sohn meines Vaters. Wahrscheinlich wird das so bleiben, bis ich Doppel-Weltmeister bin.“

Druck kann einen zerstören

Ist der Druck im WM-Endspurt zu hoch für den Sohn, der mit seinem Vater gleichziehen kann? Mit Jacques Villeneuve (1997) und Damon Hill (1996) sind schon vor Rosberg zwei Söhne von Formel-1-Legenden Weltmeister geworden. Graham Hill holte zwei WM-Titel, Gilles Villeneuve gilt als schnellster Ferrari-Fahrer aller Zeiten. „Das hat auch mich damals stark unter Druck gesetzt“, erzählt Jacques Villeneuve (43) AUTO BILD MOTORSPORT. „Die Leute sahen in mir meinen Vater. Das hat mich aber auch gezwungen schnell zu sein. Der Druck kann einen zerstören oder besser machen.“ Damon Hill (54) ergänzt: „Der Name hilft, aber manchmal ist er eine Last.“ Fakt sei aber auch – und deshalb könne er Rosbergs Reaktion verstehen: „Ich fuhr, weil ich selbst es wollte, nicht um meinem Vater nachzueifern. Warum sollte ich ihm seine Rekorde streitig machen wollen und gleichziehen?“

Hamiltons 17-Punkte-Vergangenheit

Hamilton
Rosberg (l.) muss schleunigst ein Rezept finden, um Teamkollege Hamilton (r.) wieder Herr zu werden
Hill: „Ich hatte durch den Rennsport die Möglichkeit, etwas zum guten Ruf der Familie beizutragen. Zu Jacky Stewart (dreifacher Weltmeister; d. Red.) habe ich deshalb mal gesagt: Du hast zwar drei WM-Titel gewonnen, die Hills aber auch.“ Immerhin: Rosberg gibt sich nach vier verlorenen Rennen kampfbereit. „Noch ist nichts verloren“, sagt er. „Es sind immer noch 100 Punkte zu vergeben und ich liege nur 17 zurück. An meiner Herangehensweise ändert sich nichts. Ich bin auch in Sotschi schon volles Risiko gegangen. Ich bleibe dabei: volle Attacke!“ Dass es nicht unmöglich ist, einen so großen Rückstand aufzuholen, hat der WM-Führende Lewis Hamilton schon einmal leidvoll erfahren. 2007 hatte er zwei Rennen vor Schluss 17 Punkte Vorsprung – und das nach dem alten Punktsystem (zehn statt 25 Zähler pro Sieg). Den Titel holte trotzdem Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen (35).

Haug gegen doppelte Punkte

„Als Nico zur Saisonmitte vorne lag, haben auch viele schon gesagt, das sei gelaufen“, analysiert Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug (61). „Ein Ausfall und der Teamkollege gewinnt – dann ist aus dem Vorsprung ein Rückstand geworden.“ Haug räumt allerdings auch ein, dass die doppelten Punkte beim Saisonfinale in Abu Dhabi schlecht sind für die Formel 1. „Dramatisch wäre es“, sagt er, „wenn einer 49 Punkte Vorsprung hat, ausfällt, der andere gewinnt und Weltmeister wird. Derjenige, der dann siegt, will so bestimmt auch nicht Weltmeister werden.“ Damit es so weit gar nicht erst kommt, muss Rosberg schon am nächsten Wochenende in Austin den Krieger auspacken.

Von

Ralf Bach